Als der Spielfilm »Tron« 1982 in die deutschen Kinos kam, waren die Kritiken nicht gerade überwältigend, der SPIEGEL schrieb in der Ausgabe 49/1982: »Angeblich erzählt der Film, dessen Schauplatz das Innere eines Groß-Computers ist, vom Kampf einiger freiheitsdurstiger Programm-Einheiten gegen das bös-allmächtige Kontrollsystem; da aber Menschlein diese Programme „darstellen“, geht es doch wieder einmal nur um einen blonden Recken, der eine Prinzessin aus den Klauen eines Ungeheuers rettet – teils mit stupendem elektronischem Feuerwerk, teils aber auch mit Faustschlägen und Fußtritten: so schön wie dumm.«
Der Spiegel-Rezensent spricht zwar auch von einem »Universum aus Licht von kalt strahlender Pracht«, aber was damals von der versammelten Filmkritik nicht verstanden wurde, war ein völlig anderer Aspekt. Mit »Tron« bekam die Computerwelt erstmals ein Gesicht, noch dazu ein ästhetisch ansprechendes. Für viele Jugendliche, die sonst nur simple Computerspiele mit einfachster Grafik kannten, hatte sich mit »Tron« eine neue Welt aufgetan: die Welt hinter dem Bildschirm, die bunt und spannend war: der »Cyberspace« (ein Begriff, der nur wenige Jahre später von William Gibson geprägt wurde). Da war es völlig egal, wie kindisch die Geschichte um den Spieleentwickler und Hacker Kevin Flynn (Jeff Bridges) und das Programm Tron (Bruce Boxleitner) auch sein mochte. Das Design und das Feeling zählte allein, und es schrie gerade zu allen entgegen: Computer sind die Zukunft und Compter sind cool! Und wie gelungen das Design des Films wirklich war, erkennt man noch heute in kleinen Details: so z.B. ein schwarz-glänzender Schreibtisch mit Touchoberfläche und eingelassenen Bildschirmen, der so genauso auch als Technikstudie auf einer Messe als Arbeitsplatz der Zukunft auftauchen könnte.
Einen ähnlichen Impact erreicht erst wieder »The Matrix«, ein Film, der den Zuschauer noch ein wenig mehr in die Virtualität mitnahm und den »Cyberspace« reif für das 21. Jahrhundert werden ließ – auch wenn er mehr Wert auf die Qualität der Actionszenen, als auf ein futuristisches Design legte.
Insofern muss man sich als Zuschauer schon fragen, ob »Tron: Legacy« wirklich das Erbe von »Tron« antreten kann. Die Vorzeichen dafür stehen gut, denn man ließ sich Zeit mit der Produktion, man holte wieder Steven Lisberger, der den Originalfilm drehte mit an Bord, man knüpfte die Geschichte an den ersten Film an und man heuerte die Experten von Pixar für ein Drehbuch-Polishing an, um den Figuren etwas mehr Tiefe und Charakter zu verleihen.
Aber hat’s gereicht? Die kurze Antwort ist: Ja.
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Zur Handlung:
Seit 1989 ist Kevin Flynn (Jeff Bridges), einst der weltweit führende Entwickler von Videospielen, verschollen. Als Sam Flynn (Garrett Hedlund), der Sohn von Kevin Flynn den Ursprung eines merkwürdigen Signals untersucht, das aus der alten Spielhalle seines Vaters kommt und nur von ihm stammen kann, wird er plötzlich in eine digitale Welt hineingezogen, deren Gefangener sein Vater seit zwei Jahrzehnten ist. Unterstützt von der furchtlosen Kriegerin Quorra (Olivia Wilde), begeben sich Vater und Sohn auf eine Reise, die beide in Lebensgefahr bringt und sie durch eine visuell verblüffende digitale Welt führt, eine Welt, die von Kevin Flynn selbst erschaffen wurde und sich enorm weiterentwickelt hat – mit bisher unvorstellbaren Fahrzeugen, Waffen, Landschaften und einem skrupellosen Bösewicht, der nichts unversucht lässt, um ihre Flucht zu verhindern…
»Tron: Legacy« ist ein seltsamer Film, der uns eine erwachsenere, komplexere und noch kältere digitale Welt präsentiert, dabei aber zu Beginn die Geschichte von »Tron« aus dem Jahr 1982 recycelt, und so Sam Flynn natürlich auch erst einmal in die Spiele schickt, um dort um sein Leben zu kämpfen. Wieder gelingt natürlich die Flucht aus dem Lightcycler-Rennen und es kommt zur Wiedervereinigung von Vater und Sohn. Doch auf dem Weg zurück zum Portal, das den Übergang von der digitalen in die reale Welt ermöglicht, wird der Film eigenständiger, er verändert sich und findet zu einer eigenen Stimme: optisch, aber auch erzähltechnisch. Und diese ist teils surreal geprägt, teils laut und dann wieder seltsam kalt und emotionslos. Die Musik von Daft Punk trägt hier seinen Teil dazu bei und macht einige Szenen zu einem wahren Erlebnis im Kino. Die Programme, die noch im ersten Film zu Sympathieträgern wurden und die digitale Welt lebendig werden ließen, bleiben diesmal zweidimensional, nur Spielfiguren – die User stehen im Mittelpunkt, nicht die Programme.
Sam Flynn wird uns zu Beginn des Films als Rebell präsentiert. Obwohl er durch das Erbe seines Vaters Mehrheitsaktionär der Softwarefirma Encom ist, zeigt er nur wenig Interesse am Geschäft, sondern sabotiert sogar bewusst den Release des neuen Betriebssystems von Encom und stellt es kostenlos zum Download ins Netz. Die Thesen seines Vaters, der eine bessere digitale Welt erschaffen wollte, haben ihn trotz allem tiefgehend geprägt. Und so verwundert auch das Ende letztlich nicht, denn schlussendlich ist die Botschaft des Films, dass es nicht um die perfekte digitale Welt geht, sondern darum die Realität zu einer besseren Welt zu machen. Wenn also Jeff Bridges letztlich den Jedi in sich entdeckt, überrascht das nicht.
Zum Schluss natürlich der Geekfaktor: die Optik wirkt beeindruckend, die Neuerfindung der Tron-Welt ist so gut gelingen, wie es möglich ist, und Jeff Bridges wirkt digital verjüngt zwar noch etwas emotionslos, aber das Verfahren funktioniert. Nur Tron, ja von der Figur, dem Programm Tron hätte man uns etwas mehr geben können. Dann wäre der Film vielleicht auch ein wenig ergreifender geworden…
Besser als der 1. Tron Film zu sein ist wirklich nicht schwer. In einer digitalen Welt etwas Wärme zu verbreiten wird auch der neue 2. Tron Film Probleme haben. aber warten wir mal ab, was so rasend schnell auf uns zu kommt.
Gute Kritik zu Tron: Legacy, mit der ich aber nicht ganz übereinstimme. Wir haben zwar mehr oder weniger die selben Schlüsse gezogen, jedoch fällt für mich die „Nicht-Mitreißende-Story“ schwerer ins Gericht, als bei dir.
Daher konnte ich trotz der tollen Optik und Effekte nur 6 von 10 Punkten vergeben.