Empfohlene Literatur – eine Leseliste

Es ist immer schwierig, eine Empfehlung zu geben, welche Romane man lesen sollte, wenn man sich ernsthaft und näher mit dem Gernre »Science Fiction« (hier der Versuch einer Definition der Science Fiction) beschäftigen möchte. Natürlich könnte man versuchen, die »Klassiker der SF« aufzulisten, doch diese Vorgehensweise hat durchaus ihre Tücken, denn nicht jeder Klassiker ist auch geeignet, einem das Genre in seiner Vielfalt näher zu bringen.

Andererseits ist es äußerst schwierig die Schlüsselromane zu benennen, die den Spagat zwischen Ideenreichtum und literarischer Qualität meistern können und andererseits auch für den modernen Leser noch interessant erscheinen. Dies ist deshalb auch der Hauptunterschied zu ähnlichen Auflistungen anderer Quellen: diese Empfehlungen sind wirklich als Einstieg gedacht, sie bieten eine Vielfalt an Ideen und Konzepten, sind aber mit Bedacht so ausgewählt, daß auch ein Leser, der normalerweise nicht SF liest, nicht sofort abgeschreckt wird.

1984 von George Orwell

Diese Liste ist deshalb allenfalls ein Experiment, aber die Antwort auf viele, viele Anfragen, die in den letzten Jahren an die SF-Fan.de-Redaktion gerichtet wurden. In der momentanen Form ist sie bestenfalls rudimentär zu nennen, aber der Anfang ist gemacht!



»1984« von George Orwell

Ein sprachgewaltiger Roman über ein totalitäres System, das nicht nur physisch absolute Kontrolle über seine Bürger ausübt, sondern auch deren Geist und Gedanken kontrollieren will. Grundlegend ist dabei die Entwicklung von »Newspeak«, eine Sprachereform, die zum Ziel hat, daß es irgendwann unmöglich werden soll, auch nur an eine Rebellion gegen das System zu denken, da alle dafür notwendigen Worte getilgt werden sollen. Deshalb formuliert die Hauptfigur Winston Smith auch: »Thoughtcrime is the only crime that matters«.

»1984« ist ein brutaler Roman, der einen packt und nicht mehr lösläßt – eine schonungslose Vision eines unmenschlichen Systems der Kontrolle und der Zerstörung jeglicher Liebe zwischen den Menschen.


»Flowers for Algernon« von Daniel Keyes

Daniel Keyes‚ Kurzgeschichte »Flowers for Algernon« (die er 1966 zum gleichnamigen Roman ausarbeitete) aus dem Jahre 1959 gehört zweifelsohne zu den ganz großen Meisterwerken der SF, da die Geschichte zeigt, was das Genre zu leisten vermag. Es gibt mittlerweile zwei Verfilmungen des Romans, einmal den Kinofilm »Charly« aus dem Jahre 1968 (Cliff Robertson gewann für die Titelrolle den Oscar als »Bester Hauptdarsteller«) und einen neuen Fernsehfilm; außerdem wurde das Thema auch zu einem Theaterstück umgearbeitet.

»Flowers for Alergnon« erzählt anhand von Tagebucheinträgen die Geschichte von Charly, einem geistig zurückgebliebenen jungen Mann, der mit Hilfe einer experimentellen Gehirnoperation zu einem Genie wird. Charly wird sich seiner selbst bewußt, er überflügelt sogar seine Schöpfer, doch es treten Spätfolgen auf, mit denen niemand gerechnet hatte… »Flowers for Algernon« ist ein atemberaubender Roman, der jeden Leser faszinieren wird. Und obwohl die Geschichte deutlich spürbar in den 1960er Jahren angesiedelt ist, hat sie nichts von ihrem Charme verloren, da es hier eben nicht um technische Entwicklungen, sondern eine zutiefst menschliche Tragödie geht…

Dieser Roman erschien unter dem Titel »Charly« z.B. bei Heyne in der »Bibliothek der SF-Literatur« (Band 57), die Kurzgeschichte ist z.B. in »Wege zur Science Fiction, Achter Band: Von Matheson bis Shaw« (06/97) von James Gunn (Hrsg.) zu finden.


»I am legend« von Richard Matheson

Richard Matheson hat mit diesem Roman deutlich den Unterschied zwischen dem Horrorgenre und der Science Fiction aufgezeigt. Denn seine Hauptfigur Robert Neville kämpft zwar gegen Vampire, hat aber seine primitiven Urängste längst überwunden, und leidet die meiste Zeit nicht unter der Furcht vor den wartenden Blutsaugern, sondern vor allem unter seiner Einsamkeit und der Trauer um seine Frau und sein Kind.

Der wissenschaftliche Erklärungsversuch für die Existenz des Vampirismus ist Matheson gut gelungen, und obwohl er so das mystische Element beseitigt, wird der Roman nicht weniger interessant. Denn es ist der Mensch, der hier die Hauptrolle spielt – nicht ein Mythos. Und so ist auch die Antwort, warum dieser Roman den Titel »Ich bin Legende« eine andere, als man vermuten würde. Denn warum sollte die Evolution ausgerechnet beim Menschen Halt machen…?


»Brave New World« von Aldous Huxley


»The Time Machine« von H.G. Wells


»The Moon Is A Harsh Mistress« von Robert A. Heinlein


»The stars my destination« (»Tiger, Tiger«) von Alfred Bester

»Der brennende Mann«, oder »Tiger, Tiger«, wie der Roman hierzulande auch schon mal hieß, ist einer der perfektesten Romane der gesamten SF. Die Geschichte des Raumfahrers Gully Foyle, der ähnlich dem Grafen von Monte Christo den gefährlichen Weg der Rache beschreitet, ist in einer schillernden Zukunft angesiedelt. Die Menschheit hat das Jaunten erlernt, die zeitlose Versetzung an einen anderen Ort, und ein Krieg zwischen der Erde und den äußeren Siedlungswelten tobt. Und mittendrin sucht Gully Foyle nach Gerechtigkeit… Doch Gully Foyle ist ein ungebildeter, jähzorniger Mensch, der erst im Laufe des Romans auf schmerzliche Art und Weise langsam begreift, daß er der Menschheit die Zukunft bringen kann.
Das Erzählgenie Alfred Bester, das bereits mit seinem ersten Roman »The Demolished Man« (1953) einen HUGO-Award gewinnen konnte, wagt sich mit der wahnwitzigen Geschichte um den Anti-Helden Gully Foyle an eine große Herausforderung und meistert diese grandios!


»A time of changes« von Robert Silverberg


»Hyperion« von Dan Simmons

Der Roman erzählt von sieben Personen (der Priester, der Soldat, der Tempelritter, der Dichter, der Gelehrte, die Detektivin und der Konsul), die eine Art Pilgerfahrt nach Hyperion antreten. Ihr Ziel sind die sogenannten »Zeitgräbern«, die vom geheimnisvollen Shrike bewacht werden, und auf der Reise beginnen sie sich ihre Beweggründe für diese Pilgerfahrt zu erzählen. Und so ist Hyperion eine Ansammlung von Kurzgeschichten, die perfekt eingepasst sind in den Rahmen der Schilderung des beschwerlichen Weges zu den Zeitgräbern…

Die Haarteppichknüpfer von Andreas Eschbach

Dan Simmons hat mit Hyperion nicht nur einen atemberaubenden SF-Roman geschrieben, sondern auch eine solche Fülle an Ideen eingebaut, daß die fast 700 Seiten nur der Auftakt für ein gigantisches Werk sein können, das sich mittlerweile aus vier Romanen zusammensetzt (»Hyperion«, »The Fall of Hyperion«, »Endymion« und »The Rise of Endymion«). Die Geschichten der Pilger zeichnen sich durch einen unterschiedlichen Aufbau und Erzählweise aus, und als Leser wird man so langsam immer mehr in das Rätsel um das Shrike hineingezogen. Der Roman »Hyperion« ist nicht nur ein großer Lesegenuß, sondern auch eines der bemerkenswertesten Werke der SF.


»Speaker for the dead« von Orson Scott Card


»Make room! Make room!« von Harry Harrison


»The book of skulls« von Robert Silverberg


»Ubik« von Philip K. Dick


»Dune« von Frank Herbert


»The Time Traveler’s Wife« von Audrey Niffenegger


»Die Haarteppichknüpfer« von Andreas Eschbach

Alles beginnt an einem Ort, an dem ein Großteil der männlichen Bevölkerung sein ganzes Leben nichts anderes tut, als aus den Haaren ihrer Frauen Teppiche für den Palast des glorreichen Kaisers zu knüpfen. Für jeden Teppich steht dabei ein komplettes Leben voller Arbeit am Webstuhl und jede Menge Vorsicht, denn wie leicht reißen menschliche Haare und wie groß ist die Schande, wenn gar einmal ein Teppich vernichtet wird! Was soll dann aus der Familie werden, die doch immer jeweils vom Erlös des Teppichs des Vaters lebt?

Alle Teppiche werden von Beauftragten des Kaisers aufgekauft und zu einem Hafen abtransportiert. Jetzt stelle man sich aber nicht nur eine Kleinstadt oder eine Provinz vor, in der die Knüpfe am Werk sind und ihre fertigen Teppiche an die Händler des Kaisers liefern, sondern einen ganzen Planeten auf dem solches geschieht! Wie groß muss ein Palast sein, der damit ausgelegt wird?
Doch es kommt noch schlimmer. Was, wenn nicht nur ein Planet für den Kaiser Auslegeware produzierte, sondern eine komplette Galaxis? Welch große Fläche könnte man erst damit abdecken!

Andreas Eschbach ist mit seinem Erstlingswerk das Kunststück gelungen, einen Roman zu verfassen, der den Leser von der ersten bis zur letzten Seite gefangen hält und am Ende mit einer Tragödie konfrontiert, die galaktische Dimensionen hat und doch geradezu mit einer bestechenden Logik erfolgt.

„Die Haarteppichknüpfer“ ist ein spannendes und immer wieder überraschendes Buch, das vor allem durch seine ungewöhnliche Erzählweise fesselt. Denn der Leser muss auf eine durchgehende Hauptperson, oder gar Helden, verzichten und bekommt die Geschichte nur in Episoden, ähnlich kleinen Puzzleteilen, erzählt, deren Charaktere oft genug am Ende den Tod finden. Erst mit der Zeit finden sich passende Puzzlestücke, man beginnt zu spekulieren und nachzudenken und erkennt ein erstes Muster, eine Ahnung des Gesamtbildes…
Es ist gerade diese gelungene und beinahe schon mathematisch zu nennende Konstruktion eines durchgehenden Spannungsbogens, die diesem Buch seinen besonderen Reiz verleiht.




© SF-Fan.de, November 2006