»Das würde ich mir aber nicht entgehen lassen!« So lauteten die entsetzten Worte von Edeltraud K. (72), als sie am Freitagabend die Absicht meiner Göttergattin Birgit (44) vernahm, dem DortCon fernzubleiben. Edeltraud wollte haargenau wissen, wie solch ein Con abläuft. Gibt es dort Bücherstände? Vorträge? Diskussionen? Filmvorführungen?
Edeltraud konstatierte allerdings verwundert, daß sie in der Tagespresse keinerlei Hinweis auf die Veranstaltung gefunden habe. Obwohl sie natürlich, durch unsere Erzählungen sensibilisiert, genauestens darauf geachtet habe. Aber letztendlich war sie wohl doch froh, dass sie Birgit am Samstag für sich hatte und ihr Dortmund zeigen konnte. Schließlich hatten sich die beiden Verwandten seit fast 15 Jahren nicht mehr gesehen.
So hatte ich freie Bahn auf dem Con. Wie im letzten Jahr, fand er im zentral gelegenen Fritz-Henssler-Haus statt. Gleich beim Empfang traf ich auf die Eheleute Niven, die gerade von ihrer reizenden Hostess angemeldet wurden. Für die Ehrengäste wird halt in Dortmund immer gut gesorgt.
Die obligatorische Begrüßungsjutetasche enthielt eine überraschend hohe Zahl an Gaben, die ich nicht sofort dem Papierkorb überantwortete, sondern sogar beschwerlich nach München heimschleppte: ein hübsches Programmheft, eine Sonderausgabe von Alien Contact mit einem Barbara-Slawig-Interview, einen Maddrax-Heftroman sowie den ersten Maddrax-Comic. »Warum bist Du auf den DortCon gekommen?« Diese Frage galt es zu bewältigen, wenn man bei der Abendshow einen Preis gewinnen wollte. Als einer von sechs Mutigen füllte ich den Bogen aus und antwortete: »Lieber auf den DortCon gekommen, als auf den Hund.«
»Homeshopping.Dort.Con« – so lautete das Motto der Eröffnung. Arno Behrend und André Diehl brachten uns im Stil amerikanischer Commercials die Vorteile von Heftromanen und Taschenbüchern nahe. Man kann sie als Klopapier oder Brennstoff benutzen. Aber auch als höhenverstellbare Beruhigungsmaßnahme für kippelnde Tische sind sie verwendbar. Die Sache an sich war recht lustig. Allerdings gelang die Einbindung der Ehrengäste noch nicht ganz überzeugend.
Larry Niven gab im folgenden Interview zu, dass er noch ein wenig jetlagte. Als unpolitischer Mensch wollte er auch keinerlei Statements zum gerade beginnenden Irak-Krieg abgeben. Das hatte er den Organisatoren bereits im Vorfeld signalisiert.
So nutzte ich die Mittagszeit für einen kleinen Standbummel. Die üblichen fliegenden Gebrauchtbuchhändler waren alle da und lauerten auf Kundschaft. Bei Thomas Recktenwald und Udo Emmerich konnte man sich bereits für den PalatineCon 2004 in Neustadt/Weinstraße und für den WorldCon 2005 in Glasgow anmelden. Weitere Sonderstände gab es vom Shayol-Verlag und vom SFCBW. Dirk van den Boom bewies Marktschreier-Qualitäten, als er seinen »Rettungskreuzer Ikarus« ans Volk bringen wollte. Aber selbst sein verzweifelter Versuch »Titten! Nur 5 Euro!« ließ mich kalt.
Verwirrung gab es zunächst am SFCD-Stand. Das geneigte Mitglied erfuhr dort auf einem Schild, daß ihm der Verein hier ein Exemplar von Barbara Slawigs neu aufgelegtem »Flugverbot – Die lebenden Steine von Jargus« schenkenderweise zu überantworten gewillt sei. Die Bücher waren auch bereits körperlich vorhanden und sichtbar. Vorhanden war auch eine Mitgliederliste, anhand derer ich als solches identifiziert werden konnte. Was jedoch noch fehlte, war die genaue Prozedur, nach der die bereits beschenkten Mitglieder gekennzeichnet werden sollten. Häkchen oder Kreuzchen? Die Unsicherheit über diese schwerwiegende Frage führte dazu, daß ich das heiß ersehnte Buch erst im dritten Anlauf glücklich in Händen halten konnte. Ich musste an die prophetischen Worte des SFCD-Kassieres Herbert W. Thiery denken. Er hatte bei früheren Gelegenheiten bereits des öfteren auf die Notwendigkeit von Verwaltungsmaßnahmen auch beim SFCD hingewiesen.
Barbara Slawig
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Beim Interview mit Barbara Slawig, dem zweiten Ehrengast, lernten wir interessante Facetten einer ungewöhnlichen Autorin kennen. Die promovierte Biologin war irgendwann vom reduktionistischen Ansatz der Naturwissenschaften enttäuscht. Sie wandte sich dem Tai-Chi zu und arbeitete auch als Lehrerin in dieser asiatischen Disziplin. Ihre schriftstellerischen Arbeiten, die neben der SF auch andere Genres abdecken, zeigen deutliche Einflüsse aus beiden biographischen Prägungen.
Den Nachmittag nutze ich zu einem kleinen Einkaufsbummel. So entging mir leider der von vielen Teilnehmern hochgelobte James-Bond-Vortrag von Prof. Tolan.
»Quo vadis, Heyne?« – Dieser Frage stellte sich Sascha Mamczak, Nachfolger von Wolfgang Jeschke als SF-Cheflektor beim Heyne-Verlag. Seine Antworten waren ernüchternd. Bei Heyne muß sich bereits jetzt jedes einzelne Buch rechnen. Querfinanzierungen von unprofitablen Prestige-Projekten, bei Jeschke noch möglich, sind heute undenkbar. Der Hauptgrund für die drastische Reduktion der Heyne-SF-Reihe war aber weder der Tod Rolf Heynes noch die Pensionierung Jeschkes, sondern der dramatische Einbruch des Star Trek-Buchmarktes. Mamczak beklagte auch die mangelhafte Qualität der meisten deutschsprachigen Manuskripte. Ach, könnten doch nur alle so wie Eschbach schreiben!
Danach fiel mir die Entscheidung schwer. Sollte ich Arnos Drängen nachgeben und wie im letzten Jahr am Storyworkshop teilnehmen? Oder mit Barbara Slawig Kaffee klatschen? Schießlich begab ich mich zur Gemeinschaftslesung von drei Autoren. Frank Haubold stellte Ausschnitte aus »Der Junge« vor, eine Story über einen jugendlichen Berufskiller, der durch einige Schicksalsschläge geläutert wird. Sabine Wedemeyer-Schwiersch brillierte mit zwei bissigen und ideenreichen Satiren über die tierische Antwort auf die Umweltverschmutzung bzw. Kannibalismus als originelle Lösung der Welt-Ernährungsprobleme. Holger Eckhardt vergnügte uns schließlich mit einer kurzen, aber bösen Geschichte über die späte Rache eines verkannten Genies.
Nach einem unterhaltsamen Abendessen beim nahegelegenen Italiener gingen wir noch auf die Samstagabendshow. Als Lohn für meine tiefsinnige Hunde-Antwort erhielt ich ein DortCon-Poster mit den Autogrammen der Ehrengäste und irgendein Rollenspiel-Papier, das ungeöffnet in einem einsamen Papierkorb endete. Den Abend beschlossen wir in der Fritz-Henssler-Cafeteria, wo wir einige Bierflaschen von ihrem Inhalt befreiten und manchen Schwank austauschten.
»Ein Fanprojekt der abgedrehten Art« eröffnete den Sonntag. Das Frühaufstehen hat sich gelohnt. Eine Gruppe von Fans hatte die Hörspielaufnahme von »Die drei ??? und das Gespensterschloß« auf z.T. eigenwillige Art verflimt und präsentierte uns nun das Ergebnis. Besonders nett fand ich es, wenn die Darsteller bei der Hintergrundmusik eifrig mitwippten.
Matthias Pätzold dozierte anschließend über das »Columbia-Unglück«. Die Mission verlief bis zum Wiedereintritt in die Erdatmosphäre vorbildlich. Das Shuttle hatte einen Bilderbuchstart hingelegt und viele Experimente erfolgreich absolviert. Matthias schilderte gerade, wie das Shuttle auseinanderbrach, als ich den Vortag verließ. Ich mußte meine liebe Frau wecken, damit wir das Hotelzimmer noch rechtzeitig vor 12 Uhr räumen konnten. So bleibt mir bis heute die ganze Wahrheit über die Columbia-Katastrophe verborgen.
Die nächste Stunde verbrachte ich in der Lesung von Barbara Slawig. Sie stellte uns Auszüge aus ihrem Roman »Flugverbot« und zwei Geschichten vor, von denen eine eher im Fantasy-Bereich einzuordnen ist. Auch hier offenbarten sich weitere interessante Facetten der Autorin.
»Deutsche SF-Internetmagazine« standen anschließend auf dem Programm. Teilnehmer der Podiumsdiskussion waren Dirk van den Boom (Vertreter von Olaf Menke, www.phantastik.de), Florian Breitsameter (www.sf-fan.de) und Hardy Kettlitz (www.alien-contact.de). In entspannter Atmosphäre erfuhren wir Interessantes über die unterschiedlichen Philosophien der drei Projekte, die Beschaffung und Auswahl der Beiträge sowie Erlebnisse mit Leser-Feedback und Rechtsanwälten. In einem Punkt waren sich aber alle drei einig: Die unentgeltliche Arbeit muß Spaß machen! Und man glaubte den dreien auch, daß sie nach wie vor Spaß an ihren Babies haben.
Danach war mein Hunger stärker als der Sexualtrieb. Ich schenkte mir das »Sexleben der ZBV-Helden« und vertilgte lieber für € 3,50 ein Zigeunerschnitzel mit Pommes. Erfreulich, daß der DortCon diese preisgünstige Verpflegungsmöglichkeit erhalten konnte.
Die »Nova«-Präsentation von Ronald M. Hahn und Michael K. Iwoleit war das Letze auf dem DortCon. (Bereits am frühen Morgen hatte ich Ronald ein Exemplar seines neuen Magazins abgekauft. »Für’n Zehner!«, wie er sagte. Als ich ihm daraufhin ein 10-Cent-Stück reichte, verdrehte er unkontrolliert die Augen und brach in hysterisches Gelächter aus.) Ronald und Michael zeigten sich sehr zufrieden mit dem Echo auf die erste Ausgabe. Sie haben bereits mehr als genug Exemplare verkauft, um die Mastering-Kosten für die nächste Ausgabe zu decken. Das war ihr erklärtes Minimalziel. Sehr angetan waren sie von der Qualität der eingereichten Stories. Für die zweite Ausgabe kündigten sie einige interessante Neuentdeckungen an.
Der DortCon 2003 hielt eine ganze Reihe interessanter Programmpunkte bereit. Schön, daß es noch Cons mit dem Schwerpunkt »Literarische SF« gibt. Die Veranstaltung war gut organisiert und verlief insgesamt reibungslos – ein großes Kompliment an die Veranstalter! Auch das bewährte Umfeld im Fritz-Henssler-Haus mit den Ständen und der Cafeteria war attraktiv und angenehm. Allerdings hatte ich das Gefühl, daß die Teilnehmerzahl etwas geringer war als im letzten Jahr. Vielleicht hätte man in der Tagespresse etwas mehr Werbung machen sollen.
Der nächste DortCon wird erst 2005 stattfinden. Auch das beste Programmkomitee braucht einmal eine Pause. Mein Entschluß steht aber bereits fest. Wie sagte es Edeltraud K. so treffend? »DortCon 2005 – den würde ich mir nicht entgehen lassen!«
© Ralf Bodemann (Text)