Pierre Boulles Affen kehren auf die Leinwand zurück. Doch Regisseur Tim Burtons »Planet der Affen« ist mehr als ein bloßes Remake des Klassikers aus dem Jahre 1968: Seine Vision eines von Menschenaffen beherrschten Planeten kehrt zu den Wurzeln und damit zur Romanvorlage zurück.
Im 18. Jahrhundert ließ Jonathan Swift seinen Gulliver noch auf unentdeckten Inseln stranden, um auf seltsame Kulturen zu stoßen. Im Jahre 1963, als Pierre Boulles Roman »Le planète de singes« erschien, gab es keine weißen Flecken mehr auf der Landkarte. Und so reist in Boulles Roman der französische Journalist Ulysee Mérou im Jahre 2500 nicht zu einem fernen Land, sondern zu einem fremden Planeten.
Hier lebt eine Zivilisation intelligenter Menschenaffen, während die Menschen nur stumme Tiere sind, die in Zoos gehalten und ausgestellt werden. Boulle kehrt die Realität um, und präsentiert damit – wie schon Swift – eine neue Sicht auf bekannte Dinge. Ist der Mensch, der sich doch über viele Jahrtausende als Krönung der Schöpfung angesehen hat, seinen Vorfahren vielleicht gar nicht so weit überlegen? Und wie würde eine Gesellschaft aus Affen aussehen?
Vom Roman zum Film
Bereits Ende 1963, also nur wenige Monate nach dem Erscheinen des Romans, wurde Rod Serling, der bei der Kultserie »Twilight Zone« sein Talent ausgiebig bewiesen hatte, von der Produktionsfirma King Brothers beauftragt, ein Drehbuch zu schreiben. Von Anfang war klar, daß der Film, statt Sozialkritik zu üben, eher actionbetont sein mußte. Probleme machte allerdings die Frage, wie man die Rahmenhandlung und das Ende des Romans umsetzen sollte. In »Le planète de singes« beginnt die Geschichte damit, daß zwei Raumfahrer eine im Weltall treibende Flasche finden, die das Tagebuch des Astronauten Ulysee Mérou enthält. Diesem war mit seinem Raumschiff die Flucht vom Planet der Affen gelungen. Bei seiner Landung auf der Erde wartete allerdings eine Überraschung auf ihn: Ein Gorilla holt ihn ab … Und was der Leser erst auf den letzten Zeilen erfährt: Auch die beiden Erzähler sind in Wirklichkeit Affen!
Dieser Trick funktioniert im Buch bestens, doch im Film war er nicht umzusetzen. Man kann den Zuschauer unmöglich über mehr als 90 Minuten täuschen: zeigt man die Erzähler, so ist der Überraschungseffekt vergeben. Zeigt man sie nicht, sind sie schlicht überflüssig.
Rod Serling entschied sich für die Flucht nach vorne. Der Held sollte nicht auf einem fremden Planeten landen, sondern auf der Erde der Zukunft! In einer ersten Fassung diente noch ein Film der U.S. Airforce, der einen Atomkrieg zeigte, als Beweis dafür, daß der Planet der Affen in Wirklichkeit die Erde war. Doch schon im nächsten Drehbuchentwurf tauchte bei Rod Serling erstmals der gigantische Arm der Freiheitsstatue auf, der in der Ferne aus dem Sand ragt. Nach mehreren Änderungen wurde daraus schließlich das berühmte Ende, das die Bedeutung des ganzen Films auf den Kopf stellte: der Affenplanet ist keine fremde Welt mit einer umgekehrten Evolution, sondern die Erde! Die Menschen haben sich selbst vernichtet, und die Affen sind ihre legitimen Nachfolger. Unvergessen, wie Charlton Heston in den Sand hämmert und schreit: »Ihr Wahnsinnigen! Ihr habt die Erde in die Luft gesprengt! Ich verfluche euch! Ich verfluche euch, euch alle!«
Vom Film zum Remake
Bereits im Dezember 1993 gab 20th Century Fox bekannt, daß man eine Neuverfilmung von »Planet der Affen« produzieren wolle. Terry Hayes (»Mad Max 2«) wurde als Drehbuchautor angeheuert, doch sein Skript, das eine Zeitreise in die Vergangenheit vorsah, wurde verworfen. Im Laufe der nächsten Jahre beschäftigten sich viele bekannte Regisseure mit dem Projekt, darunter Philip Noyce, Chris Columbus, Peter Jackson, Roland Emmerich und auch James Cameron. Cameron, der den Film zusammen mit Arnold Schwarzenegger (als Affe) machen wollte, sprang aber ebenso wieder ab wie alle anderen vor ihm.
Erst im Februar 2000 nahm sich schließlich Tim Burton des Stoffes an. Burton hatte zuvor bereits mit »Batman«, »Edward mit den Scherenhänden«, »Mars Attacks« und »Sleepy Hollow« seine Genre-Tauglichkeit bewiesen, und er schien auch endlich die passenden Ideen zu haben. »Die wichtigste Regel beim Film ist die, daß man nie ein Remake eines erfolgreichen Streifens machen sollte. Aber andererseits war dies genau das, was mich an dieser Filmidee so reizte. Irgendwie muß ich verrückt sein …« Sprach’s und machte sich mit Volldampf an die Arbeit. Bereits im Juni 2000 stand Mark Wahlberg als Hauptdarsteller fest. Als Leo Davidson spielt er – Überraschung! – einen Astronauten, der auf dem Planet der Affen abstürzt. Doch seine Rolle ist laut Burton ganz anders angelegt als die von Charlton Heston im Originalfilm.
Seinen Hauptgegner auf der Affenseite, den Schimpansen Thade, spielt Tim Roth. Und das Fotomodell Estella Warren übernimmt die Rolle der Daena, einer amazonenhaften Menschenfrau, in die sich Capt. Davidson verliebt. Als zauberhafte Äffin gibt sich Helena Bonham Carter, und Kris Kristofferson mimt den Anführer des Menschenaufstands. Charlton Heston, mittlerweile 76, hat in der Neuverfilmung von Tim Burton einen kurzen Gastauftritt – diesmal aber als Affe. Und Linda Harrison, die in den 60ern die stumme Menschenfrau Nova spielte, hat es sich nicht nehmen lassen, in der neuen Fassung kurz aufzutauchen. Und wenn die Gerüchte stimmen, bleibt sie auch diesmal stumm.
Vom Menschen zum Affen
Um die Schauspieler möglichst wie echte Affen aussehen zu lassen, engagierte Tim Burton den vielfach ausgezeichneten Rick Baker, den »Affenspezialisten« schlechthin, der bereits die Masken und Makeups für »Greystoke«, »Gorillas im Nebel« und »Mighty Joe Young« angefertigt hatte. Baker war gerade erst mit den Arbeiten an »Der Grinch« mit Jim Carrey fertiggeworden, sagte jedoch trotzdem sofort zu, als Burton bei ihm anfragte.
Wie schon 1968 wurde Schaumgummi für die Masken verwendet, da sich andere Materialien schnell als ungeeignet erwiesen: Silikon war zu schwer, Gelatine schmolz in der Sonnenhitze einfach weg. »Ich hatte zwei Wochen Zeit, um die Entwürfe zu machen«, sagte Baker in einem Interview. »Zusammen mit zwei Assistenten fertigte ich 40 Modelle und jede Menge Zeichnungen. Es machte wirklich unglaublich viel Spaß, und so entwarf ich jede Menge unterschiedliche Figuren. Leider konnten wir von diesen ersten Designs dann fast nichts verwenden, da sie nicht zum Konzept paßten.« Jedem Hauptdarsteller wurde – je nach Rolle – eine Gesichtsmaske maßgeschneidert. Dabei ergaben sich unerwartete Probleme, denn Tim Roths Nase war zu groß für einen Affen und machte Veränderungen am Design notwendig. Der andere Problemfall war Helena Bonham Carter, da Tim Burton laut Rick Baker für ihre Figur einen besonderen Wunsch hatte: »Es sollte eine besondere sexuelle Spannung zwischen dem menschlichen Astronauten und der Äffin zu spüren sein. Sie sollte für Männer sexuell anziehend wirken. Und das war wirklich nur schwer hinzukriegen.« Es ist also nicht verwunderlich, daß es jedesmal bis zu 4 Stunden dauerte, bis sie für den Dreh vorbereitet und geschminkt war. Tim Burton dementierte übrigens alle Gerüchte, daß es sogar zu einer Liebesszene zwischen dem menschlichen Astronauten Davidson und der sexy Schimpansin kommen würde: »Der Film enthält keine Sodomie. Derartige Szenen wird es nicht zu sehen geben.«
Über 500 Masken in 30 unterschiedlichen Designs wurden für die vielen Nebendarsteller hergestellt, die nie in Nahaufnahme gezeigt werden, aber doch häufig im Bild zu sehen sind. Für die Statisten gab es einfache Gummilarven mit eingesetzten Haarteilen.
Da zur neuen Affenmaske auch Zahnprothesen gehören, wurde die Aussprache immer wieder zum Problem. Die Schauspieler fingen an zu nuscheln oder zu lispeln. Ein Satz, den Tim Roth zu sprechen hatte, wurde schließlich komplett geändert, denn statt »Apart from my father …« verstand man immer nur »A fart from my father …« – »ein Furz von meinem Vater«, was am Set natürlich für viel Gelächter sorgte.
Vom Anfang zum Ende
Obwohl der Film von 20th Century Fox produziert wurde, war es wegen der gewaltigen Ausmaße des Affenstadt-Sets nötig, auch ein Studio von Sony anzumieten. Direkt neben den Bauten für »Spider-Man« entstand deshalb aus Styropor und Holz eine gigantische Kulisse, die eine Mischung aus mittelalterlicher Burg und versunkener Dschungelstadt war. Das Ziel dabei war, den Palast der Affen auch ohne aufwendige Computereffekte möglichst fremdartig und echt wirken zu lassen. Deshalb wurden z.B. die Stufen sehr hoch und die Treppe zum Palast sehr steil gebaut – weil sie so der Anatomie von Affen entgegenkommen. »Allein in den Bau dieses Set haben wir mehrere Millionen Dollar gesteckt«, sagte denn auch der Executive Producer Ralph Winter. »Wir haben es gerade noch rechtzeitig für die Dreharbeiten fertigbekommen. Es war zwar teuer, aber genau deshalb sieht der Film dann schlußendlich auch so faszinierend echt aus.« Andere Regisseure hätten wahrscheinlich auch das abgestürzte Raumschiff nur als computergenerierten Effekt eingeplant. Doch für »Planet der Affen« wurde in der Wüstenregion im südlichen Kalifornien aus Styropor, Plastik und Holz das scheinbar noch aus dem Boden ragende Heck einer riesigen Rakete gebaut. Aufragende Metallstützen und Wellblech tragen zur Echtheit bei. Fraglich ist jedoch, welche Rolle dieses Raumschiff im Film hat. Sind dies die Überreste eines Schiffs, das einst die ersten Menschen auf diesen Planeten brachte? Die Antwort wird erst der Film geben.
Bisher weiß man nur, daß er im Jahr 2029 beginnt. Der Astronaut Leo Davidson bricht von einer Raumstation zu einem Testflug auf, als er plötzlich mit seinem Schiff in einem Wurmloch verschwindet. Er landet auf einem fremden Planeten, der von intelligenten Menschenaffen beherrscht wird. Die wenigen Menschen leben in Unterdrückung. Die sympathische Schimpansin Ari, die sich für die Rechte der Menschen einsetzt, warnt Davidson vor der Gefahr, in der er schwebt – denn General Thade bereitet einen Großangriff mit seiner Gorilla-Armee auf die Menschen des Planeten vor. Die einzige Rettung für Davidson scheint die Flucht in die geheimnisvolle Verbotene Zone zu sein, die für ihn eine große Überraschung bereithält.
Und wie endet Tim Burtons Neuinterpretation? Darüber kann man bis zum Filmstart am 30. August nur spekulieren, doch Michael Clarke Duncan, der einen Gorilla-Admiral spielt, verspricht, daß das Ende »phantastisch« geworden sei, und »es einen umhauen wird.« Bleibt zu hoffen, daß dieses große Versprechen eingelöst wird …
Kasten 1:
Die Ausbeutung
Der kommerzielle Erfolg sorgte dafür, daß in schneller Abfolge vier weitere Kinofilme gedreht wurden: »Rückkehr zum Planet der Affen« (1970), »Flucht vom Planet der Affen« (1971), »Eroberung vom Planet der Affen« (1972) und »Die Schlacht um den Planet der Affen« (1973). Obwohl die Qualität kontinuierlich abnahm, gelang es doch immerhin die Handlung des ersten Films einigermaßen sinnvoll fortzuführen und in einen Gesamterzählrahmen einzugliedern.
Da man die Sets noch hatte, drehte man kurzerhand eine Fernsehserie, die im Herbst/Winter 1974 in Amerika unter dem Titel »Planet of the Apes« ausgestrahlt wurde und sich erst 1989 ins deutsche Privatfernsehen verirrte. Ron Harper und James Naughton schlugen sich in der Serie als gestrandete Astronauten wacker durch 14 Episoden und viel Unsinn, bevor dann Schluß gemacht wurde.
1975/76 folgte die unvermeidliche Zeichentrickserie. Unter dem höchst einfallsreichen Titel »Return to the planet of the apes« wurden in 13 Episoden die Abenteuer von drei weiteren Astronauten erzählt, die ebenfalls aus der Vergangenheit auf dem Planet der Affen landen – allerdings ungefähr 1000 Jahre nach den Geschehnissen des ersten Kinofilms. Die Affen haben jetzt bereits Autos und Flugzeuge, doch die Serie leider nicht viel Sinn.
Das war natürlich noch nicht alles: Es gab auch noch »Planet der Affen«-Comics, Bücher zu den Kinofilmen und sogar zur Fernsehserie. Erst als absolut niemand mehr ein Affenkostüm sehen wollte, gab man Ruhe.
Kasten 2:
Alternative Affenwelten
Bereits 1994 schrieb Terry Hayes ein Drehbuch für eine Neuverfilmung des »Planet der Affen«. Sein Konzept für eine »Rückkehr der Affen« beruhte auf der folgenden Idee: Durch einen plötzlich verstärkt auftretenden Gendefekt werden viele Kinder tot geboren, sie altern bereits im Mutterleib rapide. Harvard-Wissenschaftler Will Robinson reist mit einer von ihm selbst erfundenen Zeitmaschine Jahrmillionen Jahre in die Vergangenheit, um die Mutation zu verhindern. Doch der Schock ist groß, als er erkennen muß, daß die Affen diese Zeit beherrschen und die Urmenschen unterdrücken. Und noch schlimmer: Der vermeintlich zufällig entstandene Gendefekt ist in Wirklichkeit eine Waffe der Affenwissenschaftler, die damit die Menschheit für immer auslöschen wollen! Robinson gelingt es natürlich, die Affen gerade noch rechtzeitig zu stoppen.
Ein anderer Drehbuchentwurf von Andrew Kevin Walker vom Frühjahr 1999 verlegte die Handlung kurzerhand ins Erdinnere. Da durch einen geheimnisvollen Virus die Menschheit zu verdummen beginnt, während gleichzeitig die Menschenaffen zu ungeahnter Intelligenz gelangen, brechen zwei Wissenschaftler auf der Suche nach den Herkunft der Plage zu einer Expedition in einen Vulkan auf. Dort entdecken sie das unterirdische Reich intelligenter Affen, die die Menschheit auslöschen wollen, um endlich an die Oberfläche zurückkehren zu können …
Kasten 3:
Das Geheimnis des Filmendes
Lange vor dem Start von Tim Burtons Film kursierten bereits Gerüchte über sein mögliches Ende. Eine Quelle spricht davon, daß Leo Davidson (Mark Wahlberg), verfolgt vom Heer der Affen, in die Verbotene Zone eindringt und dort in einer Tempelstadt etwas Ähnliches entdeckt, wie einst George Taylor (Charlton Heston). Die eingegrabene Freiheitsstatue wird’s aber diesmal wahrscheinlich nicht sein.
Berichte vom Set deuten aber daraufhin, daß Tim Burton sich näher an der Romanvorlage orientiert hat. Für die angeblich fünf unterschiedlichen Schlußszenen, die gedreht wurden, sollen Modelle der Freiheitsstatue und der Präsidentenköpfe am Mount Rushmore mit Affenköpfen gebaut worden sein, und auch das Lincoln-Memorial in Washington wurde, so hieß es, für eine Filmszene mit einer Affenmaske versehen. Oder gelingt Leo Davidson die Flucht vom Planet der Affen, nur um dann auf einer Erde zu landen, auf der längst auch die Affen herrschen?
Anmerkung: Dieser Artikel erschien ursprünglich im PERRY RHODAN-Magazin 1/2005