Interview mit Danny Boyle zu »Sunshine«

Was gefiel Ihnen an Alex Garlands Drehbuch?

Danny Boyle

Danny Boyle

Ich glaube an die Kontinuität und hatte den Wunsch, 28 DAYS LATER eine weitere Zusammenarbeit folgen zu lassen. Außerdem fesselte mich die Prämisse des Skripts. Meines Erachtens hat tatsächlich noch niemand einen Film über die Sonne gedreht, dabei ist sie wichtiger als alles andere. Sobald sie einmal aussetzt, sind wir alle innerhalb von acht Minuten tot und doch ist noch kein Film darüber gemacht worden. Das fand ich fantastisch. Natürlich geht es auch um die psychologischen Befindlichkeiten dieser Leute und ihre Erlebnisse bei der Annäherung an die Quelle des Lebens im Universum. Das hat mich schon immer gepackt.

Interessieren Sie sich generell für SF-Filme, die im Weltraum spielen?

Ich liebe sie. Ich bin zwar kein Typ, der auf Sachen wie »Star Trek« steht, aber die etwas eleganteren Weltraum-Filme berühren mich durchaus. Ich habe mir sowohl CONTACT (»Contact«, 1997) als auch ALIEN RESURRECTION (»Alien – Die Wiedergeburt«, 1997) jeweils am Tag ihres Kinostarts angeschaut.

Ihnen ist es zusammen mit Alex Garland gelungen, dem Horrorgenre einen ganz eigenen Stempel aufzudrücken. Wenn man nun also Science Fiction macht, das ja immerhin Klassiker wie ALIEN und 2001 hervorgebracht hat, wie geht man da vor?

Ich versuche, beim Dreh nicht darüber nachzudenken, obwohl wir die Filme natürlich gezeigt haben, wir haben ALIEN vorgeführt und eine Menge verschiedenartiger Werke.
Aber ich versuche, so unschuldig wie möglich an die Sache heranzugehen. Manchmal kollidiert man dann mit einem bestehenden Film und denkt ‚das laß’ mal lieber‘ oder ‚oh ja, so eine Reminiszenz wäre doch eine nette Sache‘. Man versenkt sich in die Filme, versucht dann aber, sie hinter sich zu lassen. Das strengere Kriterium, die Referenz ist aber der Ausspruch des Produktionsdesigners Mark Tildesley ‚Das ist so 50er Jahre-mäßig‘. Vor 50 Jahren gab es in London rote Busse und natürlich sieht man sie noch heute und dennoch hat
sich die Stadt komplett verändert. Also gibt es auch in unserem Film vieles, was man wieder erkennt. Wir sind nicht die „Star Trek“-Nummer gefahren, sondern haben unsere Nachforschungen auf dem NASA-Kontaktplan aufgebaut. Also gibt es auf der Icarus II Pflanzen zur Sauerstoffversorgung, denn das gehört zu den größten Problemen der Raumfahrt. Wie kommen wir an Sauerstoff, um das Leben im All oder auf anderen Planeten zu ermöglichen? Die Antwort heißt Pflanzen.

Wie ist die Prämisse »NASA statt KRIEG DER STERNE« entstanden?

Wir haben alle Wege beschritten, haben uns mit Spezialisten wie unserem wissenschaftlichen Berater Brian Cox getroffen, aber auch mit dem Futuristik-Designer Richard Seymour geredet. Er denkt für Konzerne wie Ford und Philips in die Zukunft. Vor 20 Jahren entwarf er den kabellosen Wasserkocher und hat viele Dinge ersonnen, die uns in 20 Jahren ebenso vertraut sein werden wie jetzt eben der Wasserkocher. Er versorgte uns mit einem Bild der Zukunft, einem Bild der Welt in ca. 50 Jahren. Andrew, Alex und ich trafen uns mit ihm, unterhielten uns, er zeigte seine Entwürfe und sprach dann auch mit den Schauspielern. Mark ist zwar der Haupt-Designer, aber dennoch beschäftigt man sich mit einer Menge verschiedener Quellen und daraus ergibt sich dann alles Weitere.
Die Idee mit dem Sonnenschild entstand aus der puren Notwendigkeit einer Schutzvorrichtung. Dann flossen die NASA-Materialforschungen ein und deren Ergebnisse, wie man sich vor Hitze und Strahlung sichert. Das war dann Blattgold. Eine Bleiummantelung wäre eine schlechte Idee, sie würde auf der Stelle schmelzen, wohingegen Blattgold die Hitze einfach vom Schiff dahinter ablenkt. Ich empfand dies als eine Riesenentdeckung, die aber schrecklich nahe liegend erscheint. Sie führte schließlich zu unserem Raumanzug, der natürlich auch aus Gold sein mußte, und nicht weiß wie die von der NASA. Dann kommt man ins Nachdenken, faßt Mut und beschließt ‚laßt uns den Helm ändern!‘

Sunshine

Welche Schlüsse haben Sie aus dem Besuch auf einem Atom-U-Boot gezogen?

Natürlich hatte die Fernsehproduktion DAS BOOT einen großen Einfluß und wir hatten ursprünglich auch geplant, die Icarus II sehr klaustrophobisch zu gestalten. Aber im Endeffekt kamen wir von der Enge von DAS BOOT ab, denn unser Instinkt sagte uns ‚Nein, diese Leute müssen drei Jahre da drin verbringen. Niemand würde ihnen antun, unter Bedingungen wie in DAS BOOT zu leben, wo man aufstehen muß, um jemanden vorbei zu lassen‘. Das würde man nicht tun, aber ein Gefühl dafür wollten wir schon vermitteln.
Selbst der Besuch in dem Atom-U-Boot war nicht so schlimm wie bei DAS BOOT – schließlich ist das 50, 60 Jahre her. Wir haben Raum zum Atmen gelassen, aber dennoch ein Gefühl der Beengtheit erzeugt, ihre Gesichtshaut wächsern erscheinen lassen und all das.
Aber ich fand das toll. Etwas hat mich absolut umgehauen, als wir auf dem U-Boot waren – und das kann man natürlich im Film nicht rüberbringen, aber ich habe es den Schauspielern erzählt, um sie mental zu berühren – wenn eine Mannschaft mit einem Atom-U-Boot ausläuft, muß sie vor dem Ablegen eine Entscheidung treffen. Sie lautet: ‚Wollt ihr schlechte Nachrichten erfahren oder nicht?‘ Ich fand diese Information psychologisch absolut erstaunlich. Denn Kommunikation unter solchen Bedingungen ist ja eine Art Einbahnstraße. Man kann ja nicht antworten. Nichts ändert etwas an der Mission, kein Einzelner, egal ob jemand durchdreht und weggesperrt wird oder stirbt und in der Kühlung landet – die Mission steht. Sie fahren raus und wissen nicht, wo sie sind. Nur drei Leute an Bord erfahren ihren Standort. Also müssen sie sich entscheiden, ob sie es erfahren möchten, wenn etwa ihre Frau oder ihr Kind stirbt oder schwer erkrankt. Das ist die Frage und ich fand das unglaublich.

Wie wissenschaftlich fundiert ist SUNSHINE?

Ziemlich fundiert. Natürlich werden wir mit dem Film keinen Nobelpreis gewinnen, man muss sich schon zeitweilig von der Realität verabschieden. Aber im Prinzip ist das schon fundiert. Alex beschäftigt sich natürlich viel mit Forschung, also hält seine Geschichte auch einer gewissen Prüfung stand. Alles Unwahrscheinliche haben wir mit Brian Cox besprochen und danach entschieden ‚das ändern wir dementsprechend oder folgen seinen Ratschlägen oder lassen es wie es ist.‘
Zu den Hauptthemen des Films gehört für mich vor allem die Hybris der Wissenschaft. Natürlich gehört eine gewisse Arroganz dazu, zu glauben, dieses Ding verändern zu können. Das ist natürlich Wahnsinn und unmöglich, aber die Wissenschaft glaubt tatsächlich, irgendwann dazu in der Lage zu sein. Im Gespräch mit Brian Cox bekommt man irgendwann das Gefühl, dass sie es wirklich schaffen könnten. Mit dieser Röhre, in der sie beim CERN die Partikel kollidieren lassen, glauben sie tatsächlich, das Ur-Teilchen zu finden, das nach dem Urknall existiert hat. Er erzählte von einer knapp zehnprozentigen Möglichkeit, damit ein schwarzes Loch zu generieren und man fragt sich ‚würden wir dann nicht alle sterben?‘ Und er antwortete nur trocken, daß das eh keiner merken würde, niemand, denn die gesamt Galaxie würde im Ernstfall in das schwarze Loch eingesaugt.
Außerdem würde es möglicherweise sowieso nicht funktionieren und überhaupt: als man die erste Atombombe zündete, informierte man den Kongreß darüber, daß eventuell der Himmel zu brennen anfangen könnte und der gesamte Planet sich entzünden und sie haben es trotzdem durchgezogen. Man muß sich also einfach ein bißchen wichtig machen.

Erzählen Sie uns etwas über das Licht in SUNSHINE!

Wir haben versucht, die Sonne adäquat darzustellen und dem Publikum ein Gefühl für ihre Kraft zu geben. Ein Teil dieser Kraft liegt in dem absoluten Weiß. Das versuchen wir schon früh im Film zu vermitteln, um die Stärke zu zeigen. Hauptsächlich die Figur Searle bringt dann unangenehme Wahrheiten ins Spiel und wir verlegten uns für den Rest der Zeit auf eine gelbere Palette. Diese Entscheidung für den gelben Farbton spielte in der Folge eine große Rolle, denn wir ließen Design-mäßig ansonsten alles Gelbe weg. Wir ließen keine gelben Notizbücher herumliegen und versicherten uns, daß keine sonstigen gelben Lichtquellen leuchten. Man dürstet nach einiger Zeit förmlich nach diesem gelb-rötlichen Licht, so daß es dich überwältigt, sobald es wieder zu sehen ist. Das gehört zu den Tricks, die wir gebrauchten, um die schiere Monstrosität der Sonne zu vermitteln.
Wir wollten das Publikum überwältigen und es in dem Licht baden. Das passiert auch unseren Filmfiguren und es verändert ihre Psyche.

Anders als in sonstigen SF-Filmen verzichten Sie auf endlose Sequenzen des vorbei fliegenden Raumschiffs …

Wir versuchten, uns auf die acht Personen zu konzentrieren. Und auch wenn wir nicht die Klaustrophobie von DAS BOOT verwendeten, wollten wir schon ein Gefühl der Gefangenheit, der hermetischen Abriegelung in diesem Bau, diesem Schiff vermitteln. Sie sitzen darin quasi fest und jedes Verlassen des Raumschiffs ist eine Besonderheit. Normalerweise sieht man alle paar Minuten das Schiff von außen, aber das wollte ich vermeiden. Sobald einer der Insassen nach draußen darf, ist das ein absolutes Highlight. Auch hier lasse ich die Leute sich also danach sehnen, in der Hoffnung, diese Bilder dann zu etwas Besonderem werden zu lassen.

Ihr Film wirft einige große spirituelle und philosophische Fragen über das Universum und unsere Rolle darin auf. Es geht darum, den Körper ins All zu katapultieren, um zu sich selbst zu finden.

Essentiell geht es um den alten Streit ‚Wissenschaft versus Glauben‘. Denn ein Typ steht während der Zündung mitten in seiner Bombe und behauptet trotzig, das Universum verändern zu können. Gleichzeitig aber bringt Gott das Argument ein, es sei bitteschön sein Werk.

© 20th Century Fox