»Knoten um Knoten, tagein, tagaus, ein Leben lang, immer die gleichen Handbewegungen, immer die gleichen Knoten in das feine Haar schlingend, so fein und winzig, daß die Finger zittrig wurden mit der Zeit und die Augen schwach von der Anstrengung des Sehens – und die Fortschritte waren kaum zu merken; wenn er gut vorankam, entstand in einem Tag ein neues Stück seines Teppichs, das vielleicht so groß war wie sein Fingernagel. (…) So knüpfte er Knoten um Knoten in der seit Generationen überlieferten Weise…«
aus: »Die Haarteppichknüpfer« von Andreas Eschbach
Mit dem Roman »Die Haarteppichknüpfer«, der im Herbst 1995 im Schneekluth-Verlag erstmals als Hardcover veröffentlicht wurde, begann die literarische Karriere von Andreas Eschbach. Denn schon mit seinem Erstlingswerk gelang ihm das Kunststück einen Roman zu verfassen, der »den Leser von der ersten bis zur letzten Seite gefangen hält und am Ende mit einer Tragödie konfrontiert, die galaktische Dimensionen hat und doch mit einer geradezu bestechenden Logik erfolgt« (aus der Laudatio des SFCD-Literaturpreises 1996).
Und das erste Kapitel der »Haarteppichknüpfer« war ursprünglich eine Kurzgeschichte und diese entstand genau heute vor zwanzig Jahren am 16. Oktober 1985!
Auf seiner Homepage erzählt Andreas Eschbach die Geschichte der »Haarteppichknüpfer«:
„Ja“, sagte ich. „Klar hab ich was.“
Aber das war gelogen. Oder drücken wir es freundlicher aus: ich hatte mich geirrt. (…) Im Licht dieser Herausforderung war bestürzend wenig in der berühmten Schublade, die ich so voll gewähnt hatte.
Aber die Aussicht, etwas veröffentlichen zu können, elektrisierte mich maßlos. Ich konnte buchstäblich nicht schlafen in dieser Nacht. Gib mir etwas, und ich werde es drucken! Das war es, war Michael gesagt hatte. Diese Chance konnte ich mir nicht entgehen lassen.
Also durchstöberte ich meine Ideen-Notizbücher. (…) Dort stieß ich schließlich auf ein paar wirre, rasch hingekritzelte Sätze über Teppiche aus Menschenhaar, so fein, daß man nur einen einzigen in seinem Leben knüpfen kann, und das sah aus, als könne man eine leidliche Geschichte daraus machen.
Ich fing am nächsten Tag noch während der Vorlesungen an zu schreiben. Es war Mittwoch, der 16. Oktober 1985. Wahrscheinlich bin ich an diesem Tag wie eine Art Schlafwandler durch die Gegend gewankt. Was um mich herum geschah, bekam ich überhaupt nicht mit. Ich kritzelte Sätze, Absätze, Skizzen aufs Papier, während man um mich herum Formeln und Diagramme von der Tafel abschrieb. Ich schrieb während des Essens in der Mensa und suchte mir danach einen Platz in der Bücherei, um weiterzuschreiben. Der ganze Tag war ein einziges „Flow“-Erlebnis, und abends war die Geschichte fertig. Ich brauchte sie bloß noch ins Reine zu tippen, und sie erschien im Dezember 1985 in der FLUGASCHE.«
Und wer die Kurzgeschichte »Die Haarteppichknüpfer« noch nicht kennt, und sie jetzt gerne lesen möchte, kann dies tun: Andreas Eschbach hat sie auf seiner Homepage komplett online gestellt:
http://andreaseschbach.de/werke/romane/htk/page47/page47.html
»Dies ist die Geschichte der Haarteppichknüpfer. Ich kann Ihnen nicht versprechen, daß Sie sie mögen werden. Ich kann Ihnen nicht einmal versprechen, daß sie Ihnen gefallen wird.
Versprechen kann ich Ihnen nur eines: Sie werden sie niemals wieder vergessen.« |
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Mittlerweile erschien der Roman auch u.a. Italien, Frankreich, Spanien und Polen und unter dem Titel »The Carpet Markers« sogar auch als Hardcover in den USA!
Markiert der 16. Oktober 1985 allerdings eine besondere Entwicklung, war dieser Tag vielleicht tatsächlich der Beginn der literarischen Laufbahn?
Wir haben Andreas Eschbach dazu befragt:
»Nein, einen Beginn markiert es nicht, weil ich davor und danach auch immer geschrieben habe. Nicht so zielstrebig – um genau zu sein: eigentlich immer völlig ohne Plan –, aber auch mit dieser Geschichte war in dem Moment nichts weiter beabsichtigt, als in besagter Literaturzeitschrift zu erscheinen. Was daraus werden würde, war ja unabsehbar und jenseits aller Vorstellungskraft.
Ein »Beginn« wäre bei meinem Schreiben auch nicht auszumachen. Ich bin da buchstäblich hineingewachsen – angefangen mit comicartigen Zeichnungen vor meiner Einschulung, die auch schon Geschichten sein sollten. Die Geheimnisse des Alphabets zu erlernen war nur etwas, das erleichternd hinzukam. Vielleicht war der eigentliche Beginn der Tag, an dem mein Vater mir und meinem Bruder die erste selbsterfundene Geschichte erzählt hat. Aber wann das war, ist nicht mehr feststellbar. Auf jeden Fall muß es weit über vierzig Jahre her sein… ;-)«
Nun denn, lassen wir trotzdem virtuell den Sekt knallen und erfreuen wir uns noch einmal an der Geschichte, mit der vielleicht nicht alles anfing, die aber doch zu einem Meilenstein wurde…!