Filmkritik: »Mad Max: Fury Road« (2015)

Kinoposter Mad Max: Fury Road
Kinoposter Mad Max: Fury Road
30 Jahre nach dem letzten Mad-Max-Film beginnt mit MAD MAX: FURY ROAD das nächste Kapitel von Australiens erfolgreichstem Filmexport. Ob es sich hierbei um ein Reboot oder ein Sequel handelt ist nicht ganz nicht klar, doch schon die ersten drei Filme verstehen sich nicht so sehr als Trilogie, sondern als einzelne abgeschlossene Geschichten.

Max Rockatansky (Tom Hardy), noch immer traumatisiert von den Erlebnissen seiner Vergangenheit, durchwandert das australische Outback und wird von den Schergen des Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne) gefangen genommen. Dieser ist absoluter Herrscher über die Zitadelle – einem Refugium inmitten der Wüste – und wird von seinen Untergebenen, die er nach nach Lust und Laune mit Wasser und Nahrung versorgt, als religiöser Führer und Halbgott angebetet. Aufrecht wird diese Diktatur mit Hilfe der Warboys erhalten, jungen Männern, die sich durch religiöse Unterwürfigkeit einen Platz im Paradies erhoffen. Nach gelungener Flucht trifft Max auf Imperator Furiosa (Charlize Theron), die einen Transport durch die Wüste dazu nutzt, um selbst aus den Klauen des Tyrannen, den sie zuvor noch seines wertvollsten Guts beraubt hat, zu fliehen. Widerwillig gehen Max und Furiosa eine Zweckgemeinschaft ein, um für sich beide ihre Erlösung zu finden.
Die Geschichte ist zwar weder neu noch originell, dient aber als solides Vehikel für einen ausreichenden Spannungsbogen und als Gerüst für die Actionszenen.

Nach mehreren Drehbuchversionen (so war bereits 2003 das Drehbuch für einen vierten Teil mit Mel Gibson in der Hauptrolle fertiggestellt) und diversen potentiellen Hauptdarstellern begannen schließlich 2010 – wieder unter der Regie von George Miller – die Dreharbeiten mit Tom Hardy in der Hauptrolle.

Die Mad-Max-Filme haben bis heute ihren Kultstatus nicht verloren und nach wie vor eine große, kritische Fangemeinde und auch deshalb war die Latte für George Miller durchaus hochgelegt. Miller selbst hat sich ab Mitte der 1980er Jahre mehr auf die Rolle des Drehbuchautors oder des Produzenten verlegt und trat als Regisseur im Bereich Drama (LORENZOS ÖL, 1992) oder Animation (HAPPY FEET 1+2, 2006/2011) in Erscheinung und somit ist der neue Mad-Max-Film nicht nur eine Rückkehr zu seinen Action-Wurzeln, sondern zu seinem ersten Spielfilm überhaupt.

Ausstattungs- und stimmungsmäßig orientiert sich der Film an MAD MAX: BEYOND THUNDERDOME (1985) und noch deutlicher an MAD MAX: ROAD WARRIOR (1982). Vom (durchaus angenehmen) Minimalismus des ersten Teils ist hier nichts zu bemerken, vielmehr hat man noch mal ordentlich draufgelegt und das Produktionsbudget von $ 150 Mill. ist dem Film auch anzusehen.

Größtes Highlight sind die vielen analogen Specialeffekte und Stunts, die in der Tat beeindruckend sind. Da die meisten Szenen an Originalschauplätzen gedreht wurden, wirkt der Film im Gegensatz zu vielen anderen CGI-lastigen Blockbustern wohltuend organisch und natürlich. Bildgewaltig und wie aus einem Guss wirkt MAD MAX: FURY ROAD sowohl in den schnellen Sequenzen als auch in den statischen Teilen des Film. Kampfszenen, Nahaufnahmen und stimmige Landschaften in Cinemascope, alles unterstützt und verstärkt von einem sehr gelungen und unaufdringlichen 3D-Effekt mit wenigen Pop-Out Effekten.

FURY ROAD

Ursprünglich sollte in 3D gedreht werden, extra angefertigte Kameras und Equipment wurden entwickelt, letztendlich war aber unklar, ob die neue Technik der örtlichen Witterung standhalten würde. Aufgrund von Verzögerungen und Termindruck entschied sich George Miller für 2D und eine nachträgliche Konvertierung. Was schon oft fehlgeschlagen ist (zB STAR WARS: THE PHANTOM MENACE 3D, 2012), funktioniert bei Mad Max hervorragend und zeigt wie gut Konvertierungen sein können, wenn man es ordentlich macht und beim Dreh schon dreidimensional denkt.

Verfolgungsjagden, Akrobatik à la Cirque du Soleil, Freaks und Einfluss von Metal-Steampunk kennt man zwar schon von den alten Filmen, überzeugen aber wegen ihres Detailreichtums und einer Dynamik, die neben der großartigen Kamera vom auffällig guten Soundtrack perfekt unterstützt werden. Für die Musik verantwortlich war Junkie XL alias Tom Holkenburg, ursprünglich ein niederländischer DJ, der seit den 2000er Jahren verstärkt im Bereich Filmmusik tätig ist. Sein pumpender Score treibt die Bilder voran und schafft sphärisch-rockige und orchestrale Musik, die bis auf zwei Ausnahmen den Film mit einem
großartigen Klangteppich unterlegt.

Tom Hardy, der einem breiten Science-Fiction-Publikum zunächst mit seiner Rolle als Shinzon in STAR TREK: NEMESIS (2002) auffiel, war bei der Vertragsunterzeichnung im Jahr 2010 zwar ein einigermaßen bekannter Schauspieler, aber lange nicht der Superstar der er heute ist. Hardy hat in seiner beruflichen Laufbahn (genauso wie die weibliche Hauptdarstellerin Charlize Theron), oft genug seine mimische, aber auch physische Wandlungsfähigkeit bewiesen. Im Gegensatz zu seinem Nonstop-Monolog in LOCKE (2014) hat Hardys »Max Max« nicht allzu viel zu sprechen, ist vielleicht eine Spur zu stoisch und zu wenig differenziert. Seine Stärke liegt hier eindeutig bei seinen physischen Qualitäten.

Genauso wie ihr Kollege gehört auch Charlize Theron zu den Schauspielern, die mühelos und glaubwürdig den Spagat zwischen hoch budgetierten Hollywoodblockbustern und kleinen Independentproduktionen schaffen. Ihre Furiosa spielt sie routiniert gut, bleibt aber in der Darstellung des Charakters an der Oberfläche. In einem Satz begründet sie die Motivation für ihre Taten mit der Suche nach »Erlösung«, richtig glauben tut man das allerding nicht.

Heimlicher Publikumsliebling könnte jedoch der Warboy Nux (Nicholas Hoult) werden, dessen Figur mit einer Mischung aus Fanatismus und einer liebevollen Naivität überzeugend charakterisiert wird, der sich voller Ehrfurcht seinem »Gott« hingibt und bedingungslos jeden Befehl für diesen ausführen würde. Ob George Miller damit bewusst auf das religiöse Entgleisen junger Männer (und Frauen) der Gegenwart hinweisen wollte bleibt unklar, die Parallelen sind jedoch nicht von der Hand zu weisen.

Oberbösewicht Immortan Joe – eine wahnsinnige und bösartigere Version der Aunty Entity aus MAD MAX: BEYOND THUNDERDOME – hat schauspielerisch nicht viel zu tun, da er beinahe während des ganzen Films eine Maske trägt, die das »böse schauen« gekonnt für ihn übernimmt. Nettes Detail am Rande; Hugh Keays-Byrne spielte bereits im Ur-MAD MAX (1979) den Toecutter, den Anführer einer Motorradgang.

Angenehm zu sehen, dass sich die Rolle der Frau auch in der Science-Fiction mehr und mehr vom passiven Objekt zum aktiven Subjekt entwickelt. Mit Charlize Therons Furiosa wurde zwar keine neue Ellen Ripley geschaffen, jedoch eine starke Frauenfigur die positiv in Erinnerung bleibt und auch das Matriarchat in der der Wüste sollte Hollywood davon überzeugen, dass kämpfende Frauen mit Falten in ihren 60ern weder lächerlich noch unglaubwürdig wirken müssen.

Wo viel Licht ist, gibt es zwar nicht viel, aber doch auch etwas Schatten. So glaubwürdig die alten Frauen in der Wüste sein mögen, so lächerlich wirken die Mätressen von Immortan Joe zu Beginn. Auch wenn diese das Wertvolle und anscheinend Unverdorbene symbolisieren sollen, so wähnt man sich doch mehr in einer Folge von Germanys Next Topmodel, wenn die Mädchen unbeschmutzt, geschminkt und mit perfekter Frisur aus einem Tank hervorkriechen und dann im Wüstensand stehend scheinbar auf ein Fotoshooting warten.

Die erstklassige Filmmusik kann man uneingeschränkt auch ohne Bilder zu Hause hören, während des Films gibt es nur zwei Patzer, denn so wird eine längere Verfolgungsszene mit einem (durchaus schönen, etwas pompösen) Musikstück unterlegt, das aufgrund seiner Kompositen und Instrumentierung aber gar nicht zu den Geschehnissen auf der Leinwand passt und unangenehm auffällt. Der übertrieben pathetische Schlusstrack passt zwar war einwandfrei zum Happy End, nur ist genau dieses Finale eben auch nicht das Gelbe vom Ei.

Abschließend hätten dem Film 15 Minuten weniger Spiellänge nicht geschadet. So beeindruckt man von den Stunts und der Choreographie auch ist, im letzten Drittel machen sich Ermüdungserscheinungen bemerkbar, die man mit einer Straffung des Film verhindern hätte können.

Schon wie Teil 2 und 3 versprüht auch dieser neue Mad-Max-Film gewollt oder ungewollt ein angenehmes 80er Jahre B-Movie Feeling, das Zusehern die diese Periode selbst miterlebt haben, ein angenehmes Gefühl der Vertrautheit vermitteln dürfte und den jüngeren Generationen ein Spektakel von Fast & Furious meets Postapokalypse beschert.

MAD MAX: FURY ROAD ist hochprofessionelles und unterhaltsames Action-Kino mit deutlichen 1980er-Reminiszenzen, das alte Fans und Neueinsteiger zufriedenstellen wird, aber auch ohne große Überraschungen und manchmal etwas zu vorhersehbar.

Ab 20. Mai 2015 erscheinen bei Vertigo drei Comics, die die Vorgeschichte zum Film erzählen und schon jetzt ist ein (vom Film inspiriertes) Graphic Novel erhältlich.

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Kinostart DE+AT: 14. Mai 2015
Verleih DE+AT: Warner
FSK DE: ab 16 Jahren
Zensur AT: ab 16 Jahren – Prädikat wertvoll
Länge: 120 Minuten
Filmhomepage: http://www.madmaxmovie.com/
Link Vertigo Comics: http://www.vertigocomics.com/graphic-novels/mad-max-fury-road-%E2%80%93-inspired-artists-deluxe-edition