Bei einer Umfrage unter nationalen und internationalen Science Fiction Kennern und Profis wurde 1999 der Roman „The Time-Machine“ von H.G. Wells aus dem Jahre 1895 mit weitem Abstand zum besten Science Fiction-Roman gewählt (man kann sich den Roman hier downloaden). Obwohl H.G. Wells viele bekannte Romane schrieb (u.a. auch »Krieg der Welten«), war und ist es immer noch besonders seine „Zeitmaschine“ die fasziniert. Dabei ist der Originalroman von Wells keine simple Abenteuergeschichte um einen Trip in die Zukunft, sondern ein politischer Roman, der den damaligen sozialen Konflikt zwischen der Arbeiterklasse und der reichen Oberschicht in die ferne Zukunft projizierte. Die Kombination mit der Darwinschen Evolutionslehre führte schließlich zu Wells Idee einer Aufspaltung der Menschheit in zwei getrennte Rassen – den wunderschönen Eloi, die unbeschwert in den Tag hinein leben, und den monsterartigen Morlocks, die im dunklen Untergrund hausen und zu Meistern der Maschinen wurden. Wells‘ namensloser Zeitreisender war denn auch vor allem Beobachter der neuen Weltordnung, und weniger Kämpfer für die Freiheit der Eloi (die in der Wells’schen Zukunftsvision in der Tat kaum zu einem wirklich eigenständigen Leben befähigt waren).
Die Zeitmaschine von Geroge Pal aus dem Jahr 1960
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Die klassische Verfilmung von George Pal aus dem Jahre 1960 verband die Idee des Romans mit der damals die Welt beherrschenden Furcht vor einem Atomkrieg. So erlebt der Zeitreisende (gespielt von Rod Taylor), wie seine damalige Welt in einem alles vernichtenden atomaren Inferno untergeht. Doch weit in der Zukunft scheint den Menschen, der nun endlich alles böse abgelegt zu haben scheint, endlich eine neue, scheinbar unbeschwerte Welt zu erwarten. Und so sind George Pals Eloi alle blond (immer mit perfekter Fönfrisur!) und wunderschön und ihr wiedergefundener Garten Eden bunt und voller Leben. Schade nur, daß Rod Taylor als Zeitreisender kaum etwas von einem Erfinder und Beobachter hat, sondern statt dessen wie ein braver Amerikaner sofort seinen Kampf gegen die „bösen“ Unterdrücker aufnimmt, um die armen Eloi zu retten (ohne die Folgen seiner Tat zu bedenken). Er wirkt dabei keine Sekunde wie ein Wissenschaftler, sondern eher wie ein Cowboy, der erst schießt und dann nachdenkt.
Regisseur Simon Wells (der u.a. auch bereits für Teil 2 und 3 der „Zurück in die Zukunft“-Trilogie die Storyboards und das Design entwarf) ist der Urenkel des berühmten britischen SF-Autors und Schöpfers der Zeitmaschine H.G. Wells. Insofern war es nur passend, daß ausgerechnet er sich an einer Neuverfilmung des großen Romans versuchte, denn dadurch hatte er auch Zugriff auf die Privatarchive der Familie Wells und den verschiedenen Versionen des Romans (was zu einer Änderung im zweiten Teil des Films führt). Doch die Dreharbeiten an „Die Zeitmaschine“ waren nicht so umkompliziert, wie ursprünglich gedacht: die Dreharbeiten für die Szenen in New York mußten zweimal wegen schweren Schneestürmen pausieren, eine bereits fertiggestellte, großartige Szene mit der Zerstörung New Yorks durch die Trümmer des Mondes mußte nach dem 11. September 2002 (u.a. sollten sich Trümmerteile in das World Trade Center bohren) stark gekürzt werden und Regisseur Simon Wells fiel gar selbst für einige Zeit aus, da er bis zur totalen Erschöpfung gearbeitet hatte. Was aber im Endeffekt dabei herauskam, ist durchaus sehenswert.
Dr. Alexander Hartdegen (Guy Pearce) ist Professor im New York des Jahres 1895. Seine ganze Zeit widmet er seiner Lehrtätigkeit und seinen Forschungen über die Zeit. Nun, nicht seine ganze Zeit, denn Hartdegen ist verliebt und will seine Freundin Emma nun endlich fragen, ob sie ihn heiraten will. Doch dieser Abend verläuft anders als erwartet – erst trifft Hartdegen verspätet am Treffpunkt ein, und kaum, daß Emma ihm mit einem »Ja« antwortet, wird Emma von einem Straßenräuber erschossen. Für Hartdegen bricht eine Welt zusammen. Und hier kommt die Stärke von Guy Pearce als Schauspieler zu tragen: der Wissenschaftler, der zuvor noch dem Klischee des zerstreuten Professors entsprach, wird hier zu einem Menschen.
Ein paar Jahre vergehen, in denen Hartdegen sich nur noch seiner Arbeit widmet und alle anderen sozialen Kontakte und Verpflichtungen vernachlässigt. Doch als ihn sein bester Freund Philby doch endlich wieder besucht, scheint sich etwas geändert zu haben: Hartdegen zeigt sich entschlossener denn je. Und das ist kein Wunder: seine Zeitmaschine, an der er seit dem Tod Emmas gearbeitet hatte, ist endlich fertiggestellt! Wieder feierlich gekleidet macht er sich daran, die Vergangenheit zu ändern, und Emma vor ihrem Mörder zu retten. Die Reise gelingt, doch Alexander Hartdegen muß erfahren, daß die Zeit unerbittlich ist und keine Änderung der Geschehnisse so einfach zuläßt.
Verzweifelt und doch entschlossen, eine Antwort auf seine Frage zu finden, warum sich die Vergangenheit nicht ändern läßt, reist Hartdegen schließlich in die Zukunft (hier findet sich auch eine schöne Hommage an den alten Film!). Ein Besuch in einer Bibliothek im Jahre 2030 bleibt allerdings erfolglos und bei einem kurzen Zwischenhalt im Jahre 2037 muß er sogar miterleben, wie die Zivilisation nach einer mißglückten Sprengung auf dem Mond zugrunde geht. Es bleibt nur die Flucht nach vorn – die schließlich 800.000 Jahre in der Zukunft in der Welt der Eloi und Morlocks endet…
Eine Neuverfilmung eines bekannten Stoffes ist immer problematisch, da man sich immer am »Original« messen muß. Die neue »Zeitmaschine« spielt nun in der Tat ihre Stärken besonders in den Szenen aus, die in der alten Verfilmung nur der Einleitung dienen, oder gar nicht existieren. Der Film ist bis zu Hartdegens Ankunft im Jahr 800.000 wunderschön gedreht, phantastisch ausgestattet (Oliver Scholl, der als Rißzeichner für PERRY RHODAN anfing, war dafür verantwortlich) und perfekt von Guy Pearce gespielt. Hartdegen ist hier genauso ein Erfinder, wie ihn H.G. Wells beschreibt – voller Wissensdrang und getrieben von der Suche nach der Wahrheit. Und die neue Zeitmaschine muß den Vergleich mit der alten wirklich nicht scheuen – sie ist wunderschön und mit ihrer »Handbremse« (die man zuvor noch in dieser Art auch an einem der ersten Automobile sieht) auch entsprechend antiquiert gebaut. Gut gelungen sind auch die beiden Zwischenstops im Jahre 2030 und 2037, wobei die Katastrophe um die Sprengung des Mondes leider durch die Schnitte, die uns nun die Zerstörung New Yorks vorenthalten, etwas an Ausdruckskraft verliert.
Sobald der Film allerdings die altbekannte Eloi-Morlock-Geschichte erreicht, kehrt Routine ein und das Drehbuch weist zunehmend kleine Fehler auf. So sprechen die Eloi tatsächlich noch Englisch, da sie diese Sprache anhand von alten Inschriften lernen! Und auch die gegenseitige Abhängigkeit zwischen den Eloi und den Morlocks, die eigentlich erst den Konflikt auslösen kann, wurde hier komplett vergessen: im Buch ernähren die Morlocks die Eloi, die dafür später von ihnen gefressen werden. Im neuen Film findet sich diese Abhängigkeit nicht mehr, denn hier sind die Eloi Selbstversorger, die vom Fischfang leben. Und optisch wurden aus den geschlechtslosen »Barbie-Ken«-Eloi der 60er, die »Baccardi-Insel«-Eloi des Jahres 2002: braungebrannte junge Menschen, die singen und immer fröhlich sind.
Ach ja, die Tatsache, warum ich die anderen Schauspieler neben Guy Pearce kaum erwähne, hat einen guten Grund. Auch hier zerfällt der Film in zwei Teile: während die Szenen in der Vergangenheit sehr gut gespielt sind, sind die Schauspieler in der Zukunft auch nur Mittelmaß. Samantha Mumba als »Mara« (das ist die »Weena« der Neuverfilmung) ist genauso uninteressant, wie der Kurzauftritt von Jeremy Irons, der nur einen Auftritt als Ober-Morlock hat (wobei unter der Maske eigentlich jeder stecken könnte…). Die Morlocks übrigens sehen schön grauslig aus, aber wer »Herr der Ringe« gesehen hat, könnte sie auch für Orcks halten.
Fazit: »Die Zeitmaschine« ist in der ersten Hälfte des Films großartig gemacht und weist auch für Kenner des alten Films eine Reihe von Überraschungen auf, rutscht dann aber beim Eloi-Morlock-Konflikt ins Mittelmaß ab und wird spätestens mit dem Auftritt von Jeremy Irons zum »Popcorn-Kino«. Sollte man sich den Film trotzdem anschauen? Ja, für einen Blockbuster ist er alleine schon wegen seiner Zeitreiseszenen sehenswert, und besser als der »Buchhalter werden zu Zombies«-Streifen »Resident Evil« ist er allemal…
© Florian Breitsameter (Text), Warner Bros. (Bild)