Arthur C. Clarke – 3001: die letzte Odyssee

3001

vgs Verlagsgesellschaft, Hardcover
ISBN 3-8025-2559-0
Titel der Originalausgabe: »3001 – The Final Odyssey«
aus dem Amerikanischen von Irene Holicki
Titelillustration von Tony Stone Images, New York
Köln, 1998, 39.90 DM, 258 Seiten

Rezension von Ulrich Bettermann

Der erste Science Fiction-Roman, den ich las, stammte aus dem Jahre 1958. Damals war ich noch nicht geboren, und meine Eltern hatten wohl das Geld übrig für gebundene Bücher aus dem „Bertelsmann Lesering“. Neben diversen Klassikern der Weltliteratur fand so jedenfalls das Werk „Sie kamen von einem anderen Stern“ von Walter Schätzel den Weg in den heimischen Bücherschrank und – einige Jahre später – in meine Finger.
Das Buch handelte von einem 1925 in einer Gletscherspalte eingeschlossenen Mann, der einige tausend Jahre später in der Welt der Zukunft wieder aufgetaut wird.

Ähnlich ergeht es Frank Poole in Arthur C. Clarkes abschließendem „Odyssee“-Band. Der Kopilot und Erste Offizier der USSS DISCOVERY ging – wie im Buch „2001“ nachzulesen ist, auf dem Weg zum Jupiter verloren. HAL setzte ihn damals an die Luft – mit dem Unterschied, daß es da keine gab. Tausend Jahre später liest man den im All treibenden Körper wieder auf. Poole ist nach dem Auftauen gesund und unversehrt (so ziemlich der einzige technische Kniff, den der Autor nicht erläutert). Diese Tatsache mag unglaubwürdig erscheinen, erweist sich aber als ausgezeichnete Grundidee. Denn durch Pooles Augen erleben wir den Alltag des Jahres 3001.

Clarke nimmt den Leser dabei an die Hand, wie stolze Eltern ihre Kinder durch Disneyland führen. Beinahe auf jeder Seite werden neue Wunder vorgestellt, bizarre Ideen ausgebreitet und Entdeckungen gemacht. Clarke’s Achterbahnfahrt durch die Zukunft macht Spaß und ist wirklich aufregend.

Ähnlich wie Andreas Eschbach in „Solarstation“ verzichtet der Autor auf den ersten 80 Seiten fast vollständig auf eine Handlung. Er stellt uns einfach „seine Welt“ vor – freilich nicht ohne sich selbst ab und an auf die Schultern zu klopfen: Clarke zitiert zum Beispiel einen klugen Mann, der einmal gesagt hätte, daß jede fortgeschrittene Technik unwillkürlich an Magie denken ließe. Bei diesem Ausspruch handelt es sich um das „Dritte Clarkesche Gesetz“. Aber der Autor weist auch völlig unbescheiden in seinen beiden ausführlichen Nachworten auf die Leistungen anderer Wissenschaftler hin, die ihm Ideen lieferten. Es zeigt sich auch, daß Clarke sich quasi bis zur letzten Minute bemüht hat, aktuelle Informationen aus Forschung und Technik einzuarbeiten.

Ich möchte dem Inhalt des Buches nicht vorgreifen. Da Heyne ebenfalls die deutschen Rechte besitzt, dürfte das Buch in einigen Monaten auch als günstiges Taschenbuch erscheinen. Wer heute keine 40.-DM ausgeben will, sollte sich aber spätestens dieses zulegen.
Arthur C. Clarke schließt die Buchreihe um die Monolithen aus dem All sehr schön ab und macht den drögen dritten Teil fast Vergessen. Bei vielen Büchern bin ich am Schluß froh, mit ihnen durch zu sein – bei diesem war ich enttäuscht, daß es schon ausgelesen war.

Ich mag „Hard Fiction“ – Zukunftsvisionen aus Sicht eines Wissenschaftlers. Nörgelige „Social Fiction“-Untergangsphantasien liegen mir nicht so sehr (und seit dem beeindruckenden „Schafe blicken auf“ von Brunner hat es auch keine wesentlichen Fortschritte mehr in diesem Genre gegeben, oder?).

In 3001 klärt sich, soviel sei verraten, endlich auch einmal das psychedelische Ende des Kinofilms „2001“: Was ausschaute, wie ein von sinnloser Beliebigkeit befallener Griff in den Farbeimer – war das auch. Nichts als austauschbare Visionen ohne jeden Sinn. Und das freute mich dann doch, der ich diesen schönen Film schon immer durch das dumme Ende verhunzt sah.


Rezension von Ulrich Krause

In letzter Zeit liest man immer häufiger davon, daß das Mathematikniveau an unseren Schulen immer drastischer fällt. VGS bringt mit 3001 nun ein Paradebeispiel dafür heraus, wie so etwas enden kann, falls solche Schulabgänger einen bezahlten Job bei einem Verlag bekommen.

Man erinnert sich: Vor vier Millionen Jahren begann eine Odyssee – die Odyssee der Menschheit: Ein schwarzer Monolith entzündet in der afrikanischen Savanne den ersten Funken menschlichen Bewußtseins. Mit der Entdeckung eines weiteren Monolithen auf Luna (manche sagen auch Mond) im Jahre 2001 (merken!) nahm die „Odyssee im Weltraum“ ihren Anfang: Fünf Männer, darunter die Astronauten Frank Poole und Dave Bowman, starteten in Richtung Jupiter – unterstützt von dem Supercomputer HAL 9000. Die Expedition führte zur Entdeckung eines dritten Monolithen – und ließ Frank Pole (dank HAL 9000) einsam treibend im Weltraum zurück. Fünfzig Jahre später (!) brachte dieser Monolith Jupiter zur Explosion und verwandelte ihn in Luzifer, eine neue Sonne im Sol-System. Und auf dem Trabanten (wie gesagt, einige sagen auch Mond) Europa regten sich bald erste Formen intelligenten Lebens. Dem Klappentext von VGS nach zu Urteilen liegen zwischen 2001 und 2010 also 50 Jahre!?

Aber befassen wir uns nun mit dem Roman, auf den viele SF Fans seit Jahren gewartet haben. Soll doch mit ihm das Epos beendet werden. Während David Bowmann mit so geistreichen Dialogen wie „Mein Gott, es ist voller Sterne“ Generationen von SF Fans um den Verstand gebracht hat, starb sein Mitstreiter Frank Poole und driftete in den Weltraum hinaus… um später von einem Eiskometen eingefangen und eingefroren zu werden.

Keine tausend Jahre später wird sein konservierter Körper von einem Raumschiff entdeckt, das jenen Kometen einfängt und für Terraformingpläne in Richtung Venus schießt. Dank modernster Technik kann man Poole auftauen und wiederbeleben. Als dann folgt im ersten Teil des Buches die Konfrontation von Poole mit einer Welt des Jahres 3001, was Clarke in einer überraschend frischen und faszinierenden Schreibart gelungen ist. Erzähltalent und pure Science Fiction greifen wunderbar ineinander, wie selten zuvor in einem SF Buch. Eine echte Wohltat, wenn man durch die Kapitel fliegt, welche auch als Kurzgeschichte für sich stehen könnten.

Als dann folgt Poole seiner Bestimmung und fliegt erneut zum Jupiter (ja, ja in der Erstauflage von 2001 war es noch der Saturn…). Hier erfolgt ein Kontakt mit Bowmann und HAL 9000, und die Menschheit erfährt, was der Monolith in Wirklichkeit ist. Gerade von dem Schock erholt, meldet sich Bowmann 20 Jahre später wieder und erzählt von der kriegsähnlichen Situation um 2010 und den Katastrophen danach (2061). Dieses Wissen wurde weiterverarbeitet und einer nächst „höheren Instanz“ gefunkt, die 450 Lichtjahre entfernt liegt. Somit kommt über 900 Jahre später eine Reaktion des Monolithen und Poole muß zusammen mit Bowmann und HAL um das Überleben der Menschheit kämpfen. Der bis dahin unberührte und von vielen SF Fans vergötterte Monolith muß nun herhalten…

Wenn man nach der kurzen Lektüre des Romans das Buch weglegt und noch einmal den Pro- und Epilog liest, dürften alle Frage geklärt sein, die es jemals zu 2001, 2010 und 2061 gab. Doch wie schon gesagt: Kurze Lektüre. Das Buch kommt nicht über 224 Seiten hinaus und behandelt wirklich nur das Thema des Monolithen, die Frage welche Botschaft wollte uns der Monolith mit knapp 1000 Jahren Verspätung mitteilen, bleibt (aus Fortsetzungsgründen ?) unbeantwortet. Aber das ganze wird durch den Groß-kosmischen-Rahmen wieder wett gemacht, der einen Nachdenklich machen sollte und der bereits durch das Abschlußbild im Film 2001 am besten dargestellt wurde.

Sicherlich könnte man dieses Meisterwerk, was es Zweifels ohne ist, auch verfilmen und damit die Trilogie abschließen (2061 ist aufgrund seines Episodencharakters ohne Aussage zu vernachlässigen). Allerdings müßten sich Regisseur und Drehbuchautor noch mal mit Clarke zurückziehen, um den Film auf eine vernünftige Länge zu ziehen und wenigsten noch einen Showdown einzubauen. Aber das ist das Problem anderer Leute.

Wer dachte „Wie gut das nicht noch mehr zum rechen kommt!“, der irrt sich: Frank Poole war Pilot der USS Discovery die im Jahre 2001 (merken!) zum Saturn flog,(…ach, ich meine natürlich Jupiter). Im Kapitel 32 von 3001 heißt es dann: „…und den Untersuchungsergebnisse der ersten Umkreisung des Orbiters Galileo im Jahre 1996 – ein Jahr vor Pooles Geburt.“ Unsicher über die eigenen Mathematikkünste? Kinder, die vor zwei Jahren geboren wurden, werden also in drei Jahren mit einem erfahrenen Alter von 5 Jahre Raumschiffe durch unser Sonnensystem manövrieren… Na, wenn das nicht als „wissenschaftlich fundierte Spekulation“ aus dem Klappentext zutrifft, dann weiß ich auch nicht.

Neben dem wirklich gelungenen, frischen und voller Ideen steckender Roman, sind die Quellen, Danksagungen und „Zum Abschied“ vom Autor ebenfalls absolute Highlights, die zu unterhalten wissen. Ohne zuviel verraten zu wollen, sei gesagt, das im Roman ein Computervirus eingesetzt wird um eine, ich sag jetzt mal, „böse Maschine“ auszuschalten. Niemand ärgerte sich stärker als Clarke, als er während der Überarbeitung des Romans Independence Day sah… Seine Kritik zu dem Film ist nebenbei bemerkt, herrlich.

Fazit: Kaufen – Lesen – Noch mal lesen. Ein Science Fiction Roman im wahrsten Sinne des Wortes, der im attraktiven Hardcover für sich als schwarzer Monolith gut im Bücherschrank stehen kann. Oder um es für die jetzt unter uns zu Mathematikern gewordenen auszudrücken: SF + Erzähltalent + Witz + pfiffige Ideen = 3001