Ian Watson – Quantennetze

Quantennetze

Heyne Verlag, 06/6359
Titel der Originalausgabe: »Hard Questions« (1996)
aus dem Amerikanischen von Bernhard Kempen
Titelbild von Fred-Jürgen Rogner
München, September 2000, 19.90 DM, 384 Seiten

In Computerfachzeitschriften stolperte man als Leser in den letzten Jahren immer wieder über den Begriff des »Quantencomputers«. So berichtete die c’t z.B. in der Ausgabe 18/2000 über einen ersten Quantencomputer aus 5 Qubits, dem quantenmechanischen Analogon eines Bit. Eine der potentiellen Hauptanwendungen, die von Informatikern derzeit für einen Quantencomputer prognostiziert wird, ist die Dechriffierung von verschlüsselten Nachrichten. Heutige Sicherheitsschlüssel sollten mit einem funktionierenden Quantencomputer problemlos in Sekundenschnelle zu knacken sein!

Natürlich lesen auch SF-Autoren wissenschaftliche Fachzeitschriften (leider verstehen sie sie aber nicht immer) und versuchen sich daraus Ideen für einen neuen Roman herauszupicken. So ist es auch nicht verwunderlich, daß Ian Watson bei »Quantennetze« das Thema Quantencomputer verwurschtelt.

Clare Conway ist Professorin an der Universität von Cambridge. Zusammen mit einem Kollegen, mit dem sie eine Affäre hat, reist sie nach Amerika zu einem wissenschaftlichen Kongress. Doch dort angekommen wird ihr Hotelzimmer von russischen Agenten durchwühlt, die dabei selbst einem Attentat zum Opfer fallen. Conway und ihr Freund Jack fliehen vor dem Trubel weiter nach Westen, doch auf ihrem Weg nach San Francisco fällt Clare Conway einem verrückten Sektenführer in die Hände, der auf sie durch einen Artikel im National Investigator (das ist ein amerikanisches Schundblättchen, das z.B. laufend über neue Sichtungen von Elvis berichtet) aufmerksam wurde. Jack kann das FBI informieren, und es kommt zu einem Schlag gegen das Sektenhauptquartier. Clare wird währenddessen einer quantenmechanischen Falle ausgesetzt…

Wem die geschilderte Handlung etwas arg klischeehaft vorkommt, hat sich nicht getäuscht. Die erste Hälfte des Romans ist eine erschreckend platte und langweilige Angelegenheit. Ich kann keine Romane mehr sehen, in der die Hauptfigur mehr oder weniger unmotiviert von einem ehemaligen Wissenschaftlern entführt wird, der mittlerweile eine Sekte leitet. Außerdem kann ich auch gut auf SF-Romane verzichten, die mir zum abertausendsten Mal das Gedankenexperiment von Schrödingers Katze erklären wollen!

Doch der zweite Teil des Romans, in dem es dann endlich um den Quantencomputer geht, ist nicht viel besser. Ian Watson verquirlt hier wissenschaftliche Spekulationen mit alten SF-Mythen zu einem lächerlichen und ungenießbaren Mischmasch. Da muß der einzige funktionierende Quantencomputer sofort eine Art Bewußtsein entwickeln (Wow!) und natürlich kann er einem die Reise durch Paralelluniversen ermöglichen (Doppel-Wow!). Vom wissenschaftliche Unterbau, den Watson zuvor noch beschwört, bleibt da nicht mehr viel: da ist z.B. der Prototyp (!) eines funktionierenden Quantencomputers in einem Laptopartigen Behältnis untergebracht, dessen Stickstoff-Kühlung immer wieder Strom benötigt (!). Dabei hätte ein wissenschaftlich kompetenter Autor, wie z.B. Greg Egan, aus der Grundidee vielleicht durchaus etwas machen können.

Was aber alles in allem wirklich ärgerlich ist, ist die Tatsache, daß »Quantennetze« nicht nur schlecht durchdacht, sondern auch schlecht geschrieben ist. Das Timing ist misslungen (nach einem ewigen Hin-und-Her-Verwirrspiel beginnt erst auf den letzten Seiten die Spannung) und die Figuren sind – mit Ausnahme von Jack – nur zweidimensionale Klischees.
Alles in allem kann also von der Lektüre nur abgeraten werden.