Roman
Band 1 der Replica-Trilogie
Tor Teen, Taschenbuch, 368 Seiten
Amerikanische Ausgabe
ISBN 978-0765333711
TWILIGHT, DIE TRIBUTE VON PANEM oder zuletzt DIVERGENT sind nur einige erfolgreiche Vertreter der Kategorie Young Adult Fiction, die schon die globalen Bestsellerlisten anführten, bevor sie zu erfolgreichen Hollywood-Franchises wurden. Science-Fiction- und Fantasysettings sind in den letzten Jahren immer populärer geworden und hatten speziell in den USA ein schier unüberschaubares Angebot für die Zielgruppe der 12-18 jährigen zur Folge. Einer dieser (zufällig ausgewählten) Vertreter ist das 2013 erschienene Buch REPLICA von Jenna Black. Die Autorin, die bislang im Bereich Urban Fantasy und Mystery vertreten war, beschreitet mit diesem Roman das erste Mal dystopisches Neuland.
Die Handlung beginnt im New York einer nicht näher definierten Zukunft. Die USA wurden durch die Corporate States ersetzt und diese wiederum werden von den mächtigen Corporations regiert. Ähnlich wie die Königshäuser der europäischen Monarchien werden Titel und Ränge vererbt, Macht wird durch Heirat mit andern Vertretern der Herrscherklassen vermehrt und gesichert. Die Gesellschaft ist in drei soziale Klassen unterteilt, die Executives (die Zugehörigen der Corporations), deren Angestellte und Personal (die Employees) und zuletzt die unterste soziale Schicht, die Basement Dwellers, die in den Überresten des alten New Yorks hausen.
Der 18-jährige Nathaniel (Nate) Hayes ist Sohn und Erbe von Paxco, dem mächtigsten Konzern der Coroporate States, dessen Geschäfte und Übernahme ihm jedoch herzlich egal sind. Nur widerwillig erfüllt Nate die von ihm erwarteten Pflichten und vertreibt sich seine Zeit mit Partys und halblegalen Ausflügen in das Basment. Die 16-jährige Nadia wurde ihm schon im Kindesalter – primär aus wirtschaftlichen und politischen Gründen für beide Seiten – als zukünftige Frau versprochen. Blöd nur, dass der Zukünftige schwul ist und einen Liebhaber aus der gering geschätzten Unterschicht hat. Was bei den Employees und Basement Dwellers noch toleriert wird, fällt bei den Executives unter »unentschuldbare Fehler«, der zur sofortigen Umprogrammierung führt (was ein dezenter Hinweis auf die in den USA tatsächlich – vornehmlich im Bible Belt – existierenden Umerziehungseinrichtungen sein mag). Primär aus Freundschaft, aber auch aus den Vorteilen die für Nadias Familie aus der Verbindung entstehen, bewahrt sie Nates Geheimnis und hält an dem Doppelleben fest. Eine radikale Wendung erfährt das Ganze, als Nate während eines Galaempfangs ermordet wird und Nadia offenbar die letzte Person war, die ihn lebend gesehen hat. Nate hat jedoch als Sohn und Erbe des höchsten Vorstandsvorsitzenden Zugang zu Paxcos Replica-Technologie, die in der Lage ist, eine komplett identische Kopie von ihm inklusive aller Erinnerungen herzustellen. Fast alle Erinnerungen, denn Nates letztes Backup wurde zwei Wochen vor seiner Ermordung angefertigt und diese Tage fehlen nun in seinem Gedächtnis. Doch wer hat Nate ermordet und vor allem warum?
Wie schon andere Genrevertreter handelt auch REPLICA von der Auflehnung der Jungen gegen eine nahezu totalitäre Welt der Erwachsenen und einer Rebellion gegen die gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten und unterscheidet sich somit nicht wesentlich von vielen anderen Erscheinungen. Die Story ist im Jahr 2013 zwar nicht mehr innovativ, aber trotzdem erzählt REPLICA eine spannende Geschichte und der Leser will stets wissen wie sich die Geschehnisse entwickeln. Zum einen gelingt das durch sehr bildhafte Beschreibungen des Basements mit Strippern, rabiaten Clubbesitzerinnen und all seinen Schattenwesen, zum anderen hat die Autorin interessante Charaktere geschaffen, die sich angenehm von Stereotypen anderer Young Adult Geschichten unterscheiden.
So führt sie mit Nathaniel einen schwulen Charakter fern von allen Klischees ein und unterscheidet sich somit wohltuend von medialen Stereotypen. Nathaniel pfeift auf Konventionen und Etikette, das Verhältnis zu seinem Vater ist mehr als unterkühlt und die Tagesgeschäfte sind ihm herzlich egal. Bei seinen Grenzüberschreitungen agiert er nach dem Motto „Ohne Rücksicht auf Verluste“ und bringt dadurch auch Nadia mitunter in Schwierigkeiten. Nate ist dieser zwar freundschaftlich zugetan, aber er ist auch egozentrisch und egoistisch genug, um zwar selbst eine illegale Beziehung mit seiner wahren Liebe zu führen, dem Nadias Beziehungslosigkeit aber vollkommen egal ist. Zugleich erkennt er aber auch, dass seine Alibibraut – neben seinem Gefährten – seine einzige wirkliche Freundin ist.
Im Gegensatz z.B. zu Stephenie Meyers TWILIGHT und vielen anderen Young-Adult-Rollenbildern definiert sich Nadja nicht über die Anerkennung durch einen männlichen Charakter. Sie ist eine weibliche Hochwohlgeborene mit den damit verbundenen und vorgeschriebenen Pflichten, die zwar im goldenen Käfig sitzt, doch diesen durchschaut und später trotz Schüchternheit und Loyalitätskonflikten dagegen auch rebelliert. Sie braucht keinen Ritter, der sie rettet und beglückt, vielmehr erkennt der männliche Held rasch, dass er die Hilfe der Prinzessin benötigt, um seinem eigenen Prinzen das Leben zu retten.
Die anderen Figuren werden eher kurz umrissen, hier hätte man sich eine umfangreichere Charakterzeichnung gewünscht, genauso wie eine detailliertere Beschreibung der »Oberwelt« und deren Entstehung interessant gewesen wäre. Es wird sich zeigen, ob in der eben erschienenen Fortsetzung RESISTANCE diesen Personen und Themen mehr Platz eingeräumt wird.
Auch der Prozess des Klonens und die moralisch-ethischen Konsequenzen werden von Jenna Black thematisiert. So ist dies keine gängige Praxis, sondern ist in vielen Teilen der REPLICA-Welt geächtet oder grundsätzlich verboten. Nate stellt sich immer wieder die Frage, wie viel von seinem eigentlichen Ich in seinem Klon steckt oder ob während dieses Prozesses ein Teil seiner Persönlichkeit auf der Strecke geblieben ist.
Das Ende kommt dann überraschend schnell und enttäuscht etwas, viele Fragen werden etwas überhastet beantwortet, beinahe als hätte die Autorin einen Abgabetermin einhalten müssen.
Für wen bietet sich REPLICA nun an? Das Buch aufgrund eines schwulen Hauptdarstellers als Gay Fiction abzutun, wäre nicht nur falsch, sondern kompletter Unfug. Es wäre so, als ob man die BLADE-Reihe nur einem farbigen Publikum nahelegen würde. Das Buch ist ganz klar für Teenager gedacht, wiewohl aufgrund von teils expliziten Beschreibungen eine Empfehlung ab 14 sinnvoll erscheint, doch auch junggebliebene Erwachsene werden damit eine gute kurzweilige Unterhaltung finden.
REPLICA ist derzeit nur auf Englisch erhältlich. Der zweite Teil RESISTANCE ist im April 2014 erschienen. REVOLUTION, das letzte Buch der Trilogie, wird voraussichtlich im November 2014 veröffentlicht werden.
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