Thor, der einzig wahre Held!

»Erzittere, Schurke, vor dem Zorn des Donnergottes!« Man stelle sich so einen Satz mal bitte bei Superhelden wie Captain America, Spider Man oder Iron Man vor. Jeder Schurke würde sich doch naß machen vor Gelächter. Ein Glück, daß es zum Ausgleich noch Helden wie »Der Mächtige Thor« gibt, der mit solchen Sätzen Superschurken noch zum Zittern bringen kann. Seit sechs Heften können auch deutsche Comicfans wieder die Abenteuer des Asen geniessen, gezeichnet von John Romita jr. und getextet von Dan Jurgens.

 

Thor, (c) Marvel

 

1962 erschienen in »Journey to Mystery« die ersten Abenteuer von Thor. Nach 125 Heften wurde die Serie in »The Mighty Thor« umbenannt. Bis zur Onslaught-Krise, über 30 Jahre lang, erschien diese Serie. Nach der »Wiedergeburt der Helden« und der Rückkehr aus einem Paralleluniversum zur Erde hat Thor nun wieder eine eigene Serie, die auch monatlich auf deutsch erscheint, wie üblich mit zwei amerikanischen Heften pro Ausgabe. Die Thor-Hefte unterscheiden sich ganz extrem von den anderen Marvelserien. Während z. B. bei den X-Men oder den Fantastischen Vier ein sehr moderner, an japanischen Mangas orientierter Stil und eine dazu passende Sprache gefahren wird, ist der Zeichenstil von Romita hart und von klaren, geraden Linien geprägt. Die Zeichnungen und die pathetischen Texte von Dan Jurgens passen hervorragend zu der sehr epischen Handlung der ersten sechs Hefte.

 

Thor 5, (c) Marvel
Wie es einem Gott gebührt, gibt sich Thor natürlich nicht mit irgendwelchen 08/15-Superschurken ab. Es geht um nicht weniger als die Zerstörung Asgards, die Täter und die Befreiung Odins und der anderen Asen. Nebenbei muss sich Thor auch noch mit einer neuen menschlichen Identität herumschlagen. Nach Donald Blake wird er diesmal von dem mysteriösen Marnot in den Körper des Rettungsanitäters Jake Olson verbannt, als Ausgleich dafür, daß Thor dessen Tod mitverschuldet hat. Um die Sache noch weiter zu komplizieren, ist Olson auch noch verlobt und die Tochter seiner Verlobten kann ihn nicht leiden. Der Gegensatz zwischen dem Leben als Gott und den alltäglichen Sorgen eines Sterblichen macht den Reiz von Thor aus. Ein Kampf gegen den Destroyer oder böse Götter ist geradezu ein Kinderspiel gegen den Ärger mit der Verlobten, weil Jake Olson ihre Tochter vergessen hat von der Schule abzuholen. Da flüchtet auch ein Donnergott lieber in die nächste Kneipe. Auch alte Bekannte sind mit dabei. Jake Olson trifft in seinem Job häufiger auf eine hübsche Ärztin namens Jane Foster, früher Krankenschwester bei Dr. Donald Blake, die sehr schnell mißtrauisch wird. Bei Jane Foster fällt übrigens wieder das Phänomen auf, daß Comic-Helden einen extrem verlangsamten Stoffwechsel haben müssen. Sie scheint seit den Sechzigern keinen Tag gealtert zu sein, hat aber in diesen vierzig Jahren ihren Doktor gemacht und ist jetzt auch noch Privatärztin von Tony Stark. Welch eine Karriere! Zum Vergleich: Peter Parker ist seit dreißig Jahren Student und Fotograf.

 

Das umlaufende Titelbild von Thor 4, (c) Marvel

 

Der Mächtige Thor 2, (c) Marvel
Man merkt den Autoren in jedem Heft den Spaß an, den sie beim Entwerfen dieser Geschichten gehabt haben mussten. Während man bei anderen Helden die Schurken nicht zu stark werden lassen darf, kann man bei einem Gott immer noch eine Schüppe drauflegen. Dieser Schurke ist zu mächtig für Captain America? Kein Problem, für Thor machen wir ihn noch mächtiger! Wenn es dann für einen Gott alleine vielleicht doch ein zu großer Brocken ist, kommen halt andere noch zur Unterstützung. So sind bei Thor keine geringeren Helden Gaststars als Herkules und Namor, der Herr der Meere. Dagegen ist ein Gastauftritt von Spider-Man fast schon mickrig. So sind bisher sechs Hefte entstanden, die beim Lesen fast ungetrübten Spaß gemacht haben und mit das Beste waren, was im letzten halben Jahr bei Marvel Deutschland erschienen ist.

 

Das „fast“ bezieht sich auf das Ende der Saga um die dunklen Götter, die für die Zerstörung Asgards verantwortlich waren. Der Spannungsbogen, der in den Heften zuvor aufgebaut wurde, bricht im Finale in sich zusammen, wenn Thor zusammen mit Herkules und zwei ehemaligen Gegnern das gesamte Heer der dunklen Götter aufmischt, das immerhin die Asen und die Olympier besiegt hat. Der letzte entscheidende Schlag gegen die oberste dunkle Gottheit bleibt dann standesgemäß Allvater Odin vorbehalten. Das Finale kann leider nicht mit dem Weg dorthin mithalten. Trotzdem, die ersten Hefte der neuen Thor-Serie sind zeichnerisch und textlich hervorragend gelungen und bis zur letzten Seite spannend. Als Comic-Fan kann man nur hoffen, daß diese Qualität in den folgenden Heften gehalten wird, auch nach dem Wechsel von Romita zu „Amazing Spider-Man“ und „Incredible Hulk“. Aber bis dahin dauert es in Deutschland noch eine ganze Weile und auf Midgard wird man sich immer auf Eines verlassen können: »Habt keine Sorge Sterbliche, der Donnergott wacht über Euch!«

 

Der Mächtige Thor 1-6
Erschienen: Oktober 2000 bis März 2001
Preis: 5,95 DM pro Heft
Verlag: Marvel Deutschland
Zeichner: John Romita jr.
Texter: Dan Jurgens
Inker: Klaus Janson
Übersetzung: Reinhard Schweizer

© Olaf Funke (Text), Marvel Deutschland (Bildmaterial)