Filmkritik: »Source Code« (2011) – Science Fiction in acht Minuten

Eine Eilmeldung im Fernsehen: Kurz vor Chicago explodierte ein Personenzug – es gab keine Überlebenden. Wenig später erwacht Colter Stevens (Jake Gyllenhaal) in genau diesem Zug – im Körper eines anderen Mannes und an der Seite der jungen Christina (Michelle Monaghan). Nach und nach begreift der Kampfpilot: Er ist im »Source Code«. Dank dieser Technologie kann Stevens den Körper eines anderen Menschen übernehmen – für acht Minuten vor dessen Tod. Sein Auftrag: Finde die Bombe und schalte den Bombenleger aus. Wieder und wieder durchlebt Stevens die Katastrophe und setzt das Puzzle mit Christinas Hilfe zusammen. Die Zeit drängt, denn ein weiterer, viel größerer Anschlag droht. Aber warum erinnert sich Colter Stevens gar nicht an seinen Einstieg in das Projekt »Source Code«?

Mit seinem ersten Kinofilm »Moon« (2009) begeisterte Regisseur Duncan Jones die Besucher des Fantasy Filmfestes 2009. Ein witziger, intelligenter Science-Fiction-Film über den einsamen Astronauten Sam Bell (Sam Rockwell), der durch einen Unfall feststellt, dass sein Leben überhaupt nicht so ist, wie er es bislang vermutet hatte. Mit einem Budget von gerade einmal 5 Millionen US-Dollar hatte Jones ein kleines, aber feines Meisterwerk geschaffen, das sich mit Frage nach der Wahrheit und der Realität beschäftigte.




Umso aufmerksamer schaut man natürlich auf Duncan Jones‘ ersten »großen« Kinofilm. Mit Jake Gyllenhaal, der bereits in »Donnie Darco« in einem komplexen Science-Fiction-Film die Hauptrolle spielte, ist ein routinierter Schauspieler an Bord, und ein Budget von diesmal 32 Millionen US-Dollar erlaubte es natürlich auch die Dreharbeiten und Sets etwas aufwendiger zu gestalten. Im Grunde aber steht und fällt der Film mit dem Drehbuch von Ben Ripley, das bereits ein paar Jahre herumgereicht worden war und lange Zeit als unverfilmbar galt. Auf dieser sogenannten »Black List« unverfilmter Drehbücher, landete »Source Code« bereits 2007 unter den Top Ten – es war einerseits als spannend beurteilt worden, aber auch als so nicht umsetzbar. Wenn man sich den Film ansieht, kann man verstehen, warum das Drehbuch als so problematisch eingestuft wurde – denn auch Duncas Jones ist es nicht ganz gelungen aus der originellen Idee auch einen perfekten Film zu erschaffen. »Die Mischung aus SF und Action, aus Humor und Romantik macht es schwer, den Film einzuordnen«, sagt Jones selbst in einem Interview, »doch wenn sich eine Hälfte des Publikums an der Achterbahnfahrt des Thrillers ergötzt und die anderen Zuschauer das Angebot zum Grübeln über Realitätsebenen annehmen, dann wäre ich absolut zufrieden.« Doch gerade dieses Spiel, diese Mischung aus Thriller und Science Fiction holpert im letzten Viertel des Filmes deutlich, denn das Drehbuch kann sich nicht erscheinen, wann der erzählerische Höhepunkt erreicht sein soll… aber trotzdem bleibt dieser Film ein mutiger und reizvoller Versuch eine komplexe Science-Fiction-Geschichte  in einen Hollywood-Film zu packen.

Die eine oder andere Filmkritik verglich »Source Code« mit den Ideen von Philip K. Dick. Dieser Vergleich ist durchaus naheliegend, doch wer einen Film sucht, der den Ideen und dem Gefühl von Philip K. Dick noch näher kommt, sollte sich vielleicht lieber das fast unbemerkte kleine Meisterwerk »Cypher« von Vincenco Natali ansehen.

Derzeit bereitet Duncan Jones seinen dritten Kinofilm vor – das Science-Fiction-Projekt »Mute«, angesiedelt in den Straßen von Berlin; der Stadt übrigens, in der Jones mit seinem Vater David Bowie als Kind schon einige Jahre lebte. Man darf gespannt, denn mit seinen ersten beiden Filmen hat er bewiesen, dass er die Ideenwelt der Science Fiction für die Leinwand eindrucksvoll umsetzen kann. Ein aktuelles Interview mit Duncan Jones ist bei SPIEGEL Online zu finden.