Filmkritik: Spider-Man

Spider-Man Filmkritik


Als Stan Lee im Jahr 1962 eine neue Comicfigur für Marvel Comics plante, kam ihm die Idee, einen Superhelden zu erschaffen, der erstens noch sehr jung sein sollte und es zweitens nicht nur mit seltsamen und gefährlichen Gegnern zu tun bekommen sollte, sondern auch jede Menge private Probleme haben sollte. Zusammen mit dem Zeichner Steve Dittko entstand so schließlich »Amazing Fantasy 15« mit dem ersten Auftritt von Peter Parker, alias Spider-Man.

Amazing Fantasy 15, (c) Marvel

Stan Lee, der zuvor vor allem mit Jack Kirby zusammengearbeitet hatte (gemeinsam erschufen sie u.a. auch »Die Fantastischen Vier«), hatte sich diesmal extra Steve Dittko als Zeichner ausgesucht, da er einen weniger »heldenhaft« erscheinende Figur haben wollte. Peter Parker kämpfte in Folge gegen Superschurken wie den »Grünen Kobold«, aber auch gegen Liebeskummer und der ewigen Ebbe auf seinem Konto. Im Gegensatz zu den Fantastischen Vier, die im Marvel-Universum als Helden gefeiert wurden, wurde Spider-Man immer wieder – angeheizt durch die Attacken von J. Jonah Jameson – als Bedrohung angesehen und von der Polizei gejagt. Spider-Man mußte in seiner bislang vierzigjährigen Comiclaufbahn sehr viele persönlichen Tragödien und Niederlagen einstecken, doch noch immer schwingt er sich als Superheld durch seine Stadt New York und wird dafür von den Comiclesern auf der ganzen Welt gefeiert!

Der schüchterne, aber hochintelligente Schüler Peter Parker (Toby Maguire) wohnt bei seiner Tante May (Rosemary Harris) und seinem Onkel Ben (Cliff Robertson), da seine Eltern schon kurz nach seiner Geburt ums Leben kamen. Sein einziger Freund an der Schule ist Harry Osborn (James Franco), der Sohn des Großindustriellen Norman Osborn (Willem Dafoe), und insgeheim schwärmt Peter für die schöne Mary Jane Watson (Kirsten Dunst), die zwar neben ihm wohnt, ihn aber sonst kaum wahrnimmt. Doch für Peter, der von einer Zukunft als Zeitungsphotograph träumt, ändert sich alles, als er bei einem Schulausflug in einem Forschungslabor von einer genetisch veränderten „Superspinne“ gebissen wird. Peter verheimlicht den anderen gegenüber sein Mißgeschick und legt sich zuhause krank in sein Bett…

Am nächsten Morgen stellt Peter, der von seiner besorgten Tante May geweckt wurde, überrascht fest, daß er sich verändert hat – die Kräfte der Spinne scheinen auf ihn übergegangen zu sein! Er ist stärker geworden, seine Sinne haben sich geschärft, seine Reflexe verbessert und er kann sogar Wände senkrecht hinauflaufen! Und über Nacht scheinen sich auch Spinnendrüsen an seinem Handgelenk ausgebildet zu haben – er kann damit ein außergewöhnliches Netz hervorschießen und sich so von Haus zu Haus schwingen (was aber, wie unser junger Held schmerzhaft feststellt, durchaus etwas Übung bedarf…).

Peter Parker als Spider-Man Kirsten Dunst als Mary Jane Watson und James Franco als Harry Osborn Willem Dafoe als Norman Osborn

Peter Parker, der erstaunt erkennt, daß er nun endlich die Chance hat, irgendwie das Herz der begehrten Mary Jane Watson zu erobern, beschließt seine Spinnenkraft dazu zu nutzen, möglichst schnell und einfach Geld zu verdienen! Ein Wrestlingkampf im schnell und einfach gestrickten Spinnenkostüm scheint dafür der richtige Weg zu sein, doch Peter muß in Folge auf schmerzhafte Art und Weise lernen, daß »Große Macht auch große Verantwortung« bedeutet. Peter beschließt deshalb fortan gegen das Verbrechen zu kämpfen, und das plötzliche Auftauchen des „Grünen Kobolds“, der New York terrorisiert scheint geradezu ein Wink des Schicksals zu sein. Doch Peter weiß nicht, worauf er sich dabei wirklich einläßt… und doch beschreitet er den harten Weg weiter, der aus dem schüchternen Jungen einen verantwortungsvollen Erwachsenen macht.

Lange mußten die Marvel-Fans auf eine Kinoverfilmung ihres Lieblingshelden warten. Und Dank des Regisseurs Sam Raimi hat sich das lange Warten gelohnt – »Spider-Man« ist eine hervorragende und geradezu mustergültige Comicverfilmung geworden, der es gelingt den Charme der Comicfigur auf die Leinwand hinüberzuretten. Das Geheimnis dabei ist, daß rund zehn Jahre Comicgeschichte so umgestrickt wurden, daß daraus eine spannende und stimmige Filmhandlung wurde. Die Originstory von Spider-Man (also die Geschichte, wie Peter Parker zu Spider-Man wurde) wurde dabei nur in Kleinigkeiten verändert und damit doch geschickt an die heutige Zeit angepaßt. Die Handlung des ersten Spider-Man Heftes ist fast unverändert im Film zu finden, und macht dort ca. die ersten 40 Minuten aus. Von da aus nimmt die Geschichte um den Grünen Kobold ihren Lauf. Und auch hier zeigt der Film keine Schwäche – Willem Dafoe spielt den Grünen Kobold in ähnlicher Perfektion wie zuletzt den Nosferatu-Darsteller Max Schreck: keineswegs bunt und comichaft, sondern in bester Dr. Jekyll und Mr. Hyde-Manier. Im Gegensatz zu »Batmans« Filmgegnern ist der grüne Kobold kein kostümierter Idiot, sondern ein äußerst gefährlicher Gegner, der ein geschicktes Katz-und-Maus-Spiel mit Spider-Man beginnt. Fast greifbar liegt die Spannung in der Luft, als Norman Osborn und Peter Parker gemeinsam am Tisch sitzen und eine kleine Schnittwunde das Geheimnis Parkers enthüllt… und das Grauen in Parkers kleine, heile Welt einbricht.

Und Sam Raimi läßt das böse Spiel des Kobolds weitergehen, bis es schließlich eskaliert und die Rettung Spider-Mans von ungewohnter Seite kommt (was wiederum die Figur noch ein wenig glaubhafter macht). Der daran folgende Endkampf ist – wie auch schon die anderen zuvor – eine sehr gute Umsetzung von Spider-Mans Kampftaktiken aus dem Comic.

Spider-Man Sam Raimi gibt letzte Anweisungen Mary Janes Watson - der Kuss von Spider-Man

 

Der Film hält für den Zuschauer überhaupt viele wunderbare Szenen bereit: zum Beispiel, als Bruce Campbell als Ansager beim Wrestlingkampf kurzerhand aus Peter Parkers unbeholfenem Namensvorschlag »Human Spider« mit einem Abwinken den »Amazing Spider-Man« macht. Oder die kurzen Szenen mit J. Jonah Jameson (gespielt von J.K. Simmons), die den Herausgeber des Daily Bugle so exakt treffen, wie es nur überhaupt möglich erscheint. Oder Peters erste unbeholfene Versuche mit seinen Netzdüsen willentlich einen Faden loszuschießen (»Go go Web! Shazam!«).

Toby Maguire meistert die Anforderungen an ihn problemlos. Er wirkt sowohl als unbeholfener Musterschüler glaubhaft, als auch später als verbitterter Held, der mit den Folgen seiner Taten leben muß. Der Film konzentriert sich dabei zurecht auf ihn und Willem Dafoe, während Kirsten Dunst als Mary Jane Watson leider weniger agieren darf, als vielmehr nur reagieren – ihr Charakter ist meist anderen Mächten ausgeliefert (sei es nun ihren Freunden oder dem Kobold). Das sie dabei aber doch nicht wie ein dummes Schulmädchen wirkt, zeigt wiederum die Qualitäten des Films.

Die Trickszenen des Films sind von unterschiedlicher Qualität. Bei sehr vielen der Szene, in denen sich Spidey durch die Straßenschluchten Manhattans schwingt, kann man erkennen, daß es sich um CGI handelt. Bei den Kampfszenen hingegen, ist die Choreographie so gut gelungen, daß man meint tatsächlich eine Szene aus dem Comic live zu erleben. Das Kostüm trägt viel dazu bei, aber auch die gute Umsetzung der Akrobatik Spider-Mans. Alle seine Schwünge und Sprünge wirken natürlich und echt – und Spidey ist tatsächlich dabei so gelenkig wie in der Comicvorlage. Und das schöne dabei ist, daß jeder Kampf zwischen dem Grünen Kobold und Spider-Man auch wirklich wie ein gefährlicher Kampf wirkt, und nicht wie ein albernes Gekloppe in Styroporkulissen.

Schlußendlich bleiben nur wenige Wünsch unerfüllt: der Wunsch, daß man sich getraut hätte, statt Mary Jane Watson für den ersten Film auch tatsächlich Gwen Stacy und ihr tragisches Schicksal zu verwenden. Aber das war den Verantwortlichen dann wohl doch zu gewagt… Und der Wunsch, daß Spider-Man etwas geschwätziger wäre und ähnlich bissige und humorvolle Bemerkungen von sich geben würde, wie im Comic.

Etwas mehr wagen hätte man sich aber auch bei der Filmmusik können. Diese stammt von Danny Elfman, der einen so belanglosen Score abgeliefert hat, daß man sich bei vielen Szenen die Musik des Trailers zurückwünscht. Dabei ist der Ton – zumindest in der Originalversion – ein weiteres Plus des Films. Entweder konnte man tatsächlich fast alle Dialoge direkt vor Ort aufnehmen, oder es wurde mit viel Liebe nachsynchronisiert.

Das Ende des Films leitet schließlich – nicht unbedingt geschickt – über auf Teil 2, der bereits vor dem Kinostart von Spider-Man eine beschlossene Sache war und Spider-Man sehr wahrscheinlich auf Doc Ock und die Echse treffen lassen wird.

Fazit: Sam Raimis »Spider-Man« ist die perfekte Comicverfilmung, wie man sie sich als Erwachsener wünscht: dem Original treu, aber niemals kindisch oder gar lächerlich. Eine Umsetzung mit Herz und Verstand.

© Florian Breitsameter (Text), ColumbiaTristar (Bild)