Heyne Verlag, Hardcover 43/90
ISBN 3-453-13850-3
Titel der Originalausgabe: »Encounter with Tiber«
aus dem Amerikanischen von Irene Holicki
Umschlagillustration von Bob Eggleton
München, Februar 1998, 44.00 DM, 655 Seiten
Wenn ein ehemaliger Astronaut sich an Science Fiction versucht, kann ja eigentlich nur trockene Hard-SF dabei rauskommen, …oder?
Dr. Buzz Aldrin, der zweite Mensch auf dem Mond, der über ein perfektes praktisches und technisches Wissen in Sachen Raumfahrt verfügt, hatte allerdings mit John Barnes einen sehr guten Coautoren an seiner Seite. Von John Barnes erschienen 1996 vier Romane bei Heyne, die allesamt beweisen, daß er ein guter und wandlungsfähiger Erzähler ist. Mit „Mother of Storms“ (einen Roman über eine ökologische Katastrophe, die vielfältige Auswirkungen hat) war er 1995 auch für den HUGO-Award nominiert (ich persönlich halte diesen Roman aber nicht für seinen besten). Mit der „Timeline Wars“-Reihe erscheint derzeit in den USA bei Harper Prism eine Serie von sehr actionbetonten und einfach gestrickten Romanen um einen Krieg in Alternativen Welten (mit einer deutschen Übersetzung dürfte nicht zu rechnen sein – die Gegner sind u.a. die Nazis).
Die Handlung von „Begegnung mit Tiber“ beginnt rasant, denn gleich zu Beginn stürzt zur Unterhaltung des Lesers ein Space Shuttle ab und es beginnt der (schon oft in der SF prognostizierte) Rückzug Amerikas aus der bemannten Raumfahrt. Und gerade diese Szenen zeigen bereits deutlich die Stärken und Schwächen des Romans auf – die Geschehnisse rund um den Absturz und der Notausstieg der Astronauten sind sehr realistisch und glaubwürdig geschildert (man wird sozusagen mit NASA-Insiderwissen überschüttet), doch letztlich leider auch wenig emotionslos. Wer sich daran nicht so sehr stört, wird in Folge aber noch viel Spaß haben.
Denn wenig später beginnt man Radiosignale aus Richtung Alpha Centauri zu empfangen, die eindeutig fremden Ursprungs sind! Die Entschlüsselung beginnt und in Folge auch die Jagd nach dem Vermächtnis der außerirdischen Besucher in unserem Sonnensystem.
Der Roman zerfällt allerdings in drei Teile (!), denn im Mittelteil des Romans findet sich das Tagebuch zweier Außerirdischer, deren Expeditionen vor rund 7000 Jahren in unserem Sonnensystem landeten um eine Zuflucht für ihr Volk zu finden, da ihr Planet vor der Vernichtung stand. Leider sind diese 320 Seiten aber auch meist so langatmig wie ein normales Tagebuch. Richtig Schwung bekommt die Handlung dann erst wieder im letzten Teil, der sich mit einer Marsexpedition befasst und auch ein wenig mehr an menschlicher Wärme aufkommen läßt.
„Begegnung mit Tiber“ ist ein gut und solide geschriebener Hard SF-Roman, d.h. jeder, der sich an der etwas distanzierten Schilderung der Hauptpersonen nicht stößt, und sich gerne auch mit technischen Details und Raumfahrtplänen faszinieren läßt, wird eine helle Freude mit diesem Buch haben (immerhin ist es auch ganz schön dick!). Und abwechlungsreich ist der Roman allemal – ist er doch eigentlich dick genug um in drei eigenständige Handlungsstränge zu zerfallen, von denen mir der dritte am meisten zugesagt hat (und der im Vergleich mit „Roter Mars“ auch als Sieger in Sachen Glaubwürdigkeit einer Marsexpedition hervorgehen würde).
Im ersten Teil des Romans störte mich die etwas unglaubhafte Vorschau auf die nächsten Jahrzehnte und die doch etwas hölzernen Charaktere, die nur manchmal etwas lebendiger werden. Das Tagebuch der Außerirdischen schildert für meinen Geschmack viel zu menschliche Personen, auch wenn das Grundkonzept (zwei Rassen auf einem Planeten!) sehr interessant und gut durchdacht ist. Die sozialen und politischen Konflikte sind allerdings viel zu langatmig anglegt. Der Abschluß des Roman ist dann letztlich der gelungenste, da sich der Erzähler nun auf eine Hauptperson konzentriert (und nebenbei auch eine kleine Liebesgeschichte eingebaut ist).
Die Hardcoverausgabe kann ich letztlich eigentlich nicht ruhigen Gewissens empfehlen. Entweder sollte man sich die preisgünstige amerikanische Taschenbuchausgabe besorgen, oder auf eine ebensolche deutsche warten. Auch wenn sich das Hardcover natürlich wesentlich besser im Bücherschrank macht…