Zaubermond Verlag, Maddrax 1703
Gebundene Originalausgabe
Titelbild von Koveck
Schwelm 2002, 13.95 Euro, 253 Seiten
Jo Zybell geht zu »Stadt der Verdammten«, dem zweiten Band der Serie, zurück. Erinnern wir uns kurz: Matthew Drax wachte, wie er dachte, kurz nach dem Einschlag des Kometen wieder auf, in der Realität waren allerdings bereits über 500 Jahre seit der großen Katastrophe vergangen. Ein kleiner Stamm und die schöne Barbarin Aruula nahmen sich des Gottes aus dem Eis an. Gemeinsam mit ihnen zog er nach Süden in Richtung der Stadt Bologna. Neben mutierten Tieren und feindlichen Stämmen drohten ihnen Gefahren vom schwarzen Tod und Riesenspinnen. Nach und nach erkennt Matthew – inzwischen Maddrax genannt-, daß er sich nicht in einem unmittelbar durch den Kometeneinschlag veränderten Europa befindet, sondern auch durch die Zeit gereist ist. Auf einer Militärbasis läßt er seine Freunde zurück und erkundet die italienische Stadt. Dabei rettet er das Mädchen Jandra aus einer gefährlichen Situation, bis er später zu seinem eigenen Entsetzen die ganze Wahrheit erkennen muß.
Mit dieser Schlüsselszene des zweiten Heftromans setzt das Hardcover »Der schwarze Feind« ein. Danach schildert er nicht nur die Geschichte von Jandras Stamm, sondern im zweiten Teil des Buches auch den Überlebenskampf ihrer Vorfahren vom Einschlag und den Beginn der Katastrophe bis zur Jetztzeit.
Schon die ersten Romane von MADDRAX rechtfertigen, daß die Serie den Untertitel »Die dunkle Zukunft der Erde« trägt. Den Leser erwartet keine freundliche Welt, keine netten Szenen und kein Glorienschein, sondern ein brutaler Überlebenskampf, Kannibalismus, Mord und Totschlag. In der Staubwolke des Kometen werden keine Helden geboren, hier sterben sie gleich auf den ersten Seiten. Auch wenn augenscheinlich Matthew Drax der offenkundige Held dieser Serie ist, so sind seine Handlungen doch meist nur Reaktionen auf die unglaublichen Veränderungen auf dem Planeten, unterstützt durch seine soldatische Ausbildung und seinen geschulten Instinkten als Jagdflieger. Mit purer Zerstörungslust machen sich die Autoren über alle geheiligten Themen her und stellen den Lesern auf jeweils sechzig Seiten eine wirklich dunkle und düstere Zukunft vor. Und obwohl es immer wieder Lichtblicke gibt, behalten sie diese schwarze Thematik konsequent durch die inzwischen fast achtzig Hefte durch. Natürlich ist es auch faszinierend, unsere Zivilisation zu zerstören und schonungslos ihre Schwächen aufzudecken – die Bilder von leeren, verlassenen und halbverfallenen Gebäuden tragen zu dieser Stimmung bei. Auch hat die aktuelle Situation bewiesen, wie anfällig unsere High-Tech-Gesellschaft geworden ist. Wer erinnert sich nicht an die Stunden des 11. Septembers, als viele Unternehmen in den Staaten ihre Produktion einstellen mußten, weil die Zulieferer normalerweise in genau auf die Sekunde abgestimmten technischen Abläufen die Teile erst unmittelbar vor der Nutzung liefern, um die Lagerhaltung gering zu halten. Als die Flughäfen geschlossen waren, konnte die Materialzufuhr nicht aufrechterhalten werden und die Produktion mußte gestoppt werden. Diese Verwendung und Umdrehung unserer Gesellschaft macht den Reiz vieler MADDRAX-Abenteuer aus. Zu den stärksten Szenen gehören die Wiedererweckung banalster Technik, aber auch die Veränderungen an erkennbaren Symbolen wie dem italienischen Flughafen. Daß der Höhepunkt des Heftes und Buches auf einem Kirchturm stattfindet, hat schon fast Frankensteinsche Bedeutung. Selbst die heilige Kirche gibt es in dieser Form nicht mehr, die Zivilisation ist auch im Glauben auf die Stufe der Barbaren zurückgefallen und verehrt den Menschen Maddrax aufgrund seiner ihm noch zur verfügstehenden Technik als Menschengott.
Da »Der Schwarze Feind« als Kombination mit dem zweiten Heftroman gelesen (die Reihenfolge ist eigentlich egal, aber es macht mehr Spaß, erst den Heftroman zu goutieren und dann viele Szenen und Figuren im größeren Rahmen des Hardcovers neu oder wieder zu entdecken) werden sollte, zeigt er sich noch mehr als die ersten beiden im Zaubermond-Verlag erschienen Hardcover von der brutale Seite. Insbesondere die Bratöfen werden von Zybell genüßlich immer wieder zitiert. Mit dem Mädchen Jandra zeichnet er einen zum Ende des Heftromans unsympathischen Charakter (als ihr wahres Wesen zum Vorschein kommt) im Buch deutlich farbenprächtiger und dreidimensionaler nach. Natürlich kann der Leser Maddrax‘ Reaktion verstehen, auf der anderen Seiten lernen wir hier mehr über Jandras Background und sehen in ihr mehr das Opfer am Ende einer langen Entwicklung, als einen Täter. Zu brutal sind die Umstände der Veränderung (es wäre interessant zu sehen, was aus Maddrax‘ Familie, Freunden und Kameraden geworden wäre, hätten sie sich dieser Entwicklung stellen müssen und wie ein anderer Zeitreisender auf ihn reagiert hätte) und die Natur hat sich mit allen Mitteln angepaßt. Aber in diesen ersten Abenteuern ist Maddrax noch zu sehr in seiner alten Welt verankert, um entsprechend reagieren zu können. Viele Zusammenhänge sind ihm noch nicht bekannt und das Prinzip des Hell/Dunkel ist noch nicht zu einem allumfassenden Grau gewechselt.
»Der schwarze Feind« ist über weite Strecken ein geradliniger und spannender Actionroman – erst in der zweiten Hälfte greift er wieder tief in die Vergangenheit, bevor er am Ende aus einer anderen Sicht Teile des zweiten MADDRAX-Heftromans (vor allem die spannende Cliffhangerszene am Ende des Heftes) Romans nacherzählt. Im Doppelspiel erweitert er damit die Dimension der Heftromane unauffällig und gibt dem regelmäßigen Leser die Möglichkeit, sich an den Anfang zu erinnern, während der Neuleser einen sehr guten, abgeschlossenen Eindruck der Serie erhält. Man braucht eben nicht beides zu lesen, aber es erhöht einfach das Vergnügen. Man merkt an dem Roman, daß es Zybell sehr viel Spaß machte, die Handlung noch einmal zu erzählen. Und trotz der brutalen und dunklen Geschehnisse (im Gegensatz zu vielen Horror-Romanen wird der typische Leser von Science Fiction an manchen Stellen wohl vom Ausmaß der Gewalt überrascht und unangenehm berührt) fesselt der Roman den Leser. Im Gegensatz dazu fehlt bei vielen Figuren eine gewisse Sympathieebene. Man liest vom dem Schicksal der Figuren, aber mit Ausnahme von Jandra, kann sich der Leser mit keiner der Figuren identifizieren. Bei den Nebenfiguren kommt dafür noch Verständnis auf, denn die meisten werden später gnadenlos wieder getötet.
Bei der Charakterisierung vieler Figuren fehlt Zybell vielleicht die Länge der vorangegangenen Romane (selbst in dem episodenhaften »Genesis« erschuf er mit wenigen Strichen überzeugendere Figuren), aber er kann schwer aus dem vorhandenen Fundus etwas machen, denn viele der eindrucksvollen Serienfiguren kamen erst später hinzu. Mit Aruul bringt er zwar schon ein belebendes Element in die Handlung, aber sie ist noch zu sehr von Maddrax, dem neuen Gott gefangen, um sich aus dem Schatten heraus zu entwickeln. Erst im Laufe der zukünftigen Abenteuer werden die beiden nicht nur ein Liebespaar, sondern auch fleischgewordene Menschen in einer schlimmen Zeit. Darum bleibt der Leser nach Abschluß des Buches ein wenig unbefriedigt zurück, auch wenn der gekonnte Aufbau und das rasante Tempo die Schwächen etwas überdecken.