Kim Stanley Robinson – Roter Mars

Roter Mars

Heyne Verlag, Hardcover
ISBN 3-453-09428-X
Titel der Originalausgabe: »Red Mars«
aus dem Amerikanischen von Winfried Petri
Deutsche Erstausgabe
Titelbild von Maria Carella
München August 1997, 24.90 DM, 798 Seiten

Die »Mars-Trilogie« (Originaltitel: »Red Mars«, »Green Mars« und »Blue Mars«) von Kim Stanley Robinson gehört zum Besten, was in den 90er Jahren an Science Fiction erschien. Der vorliegende Roman wurde 1993 mit dem NEBULA-Award ausgezeichnet (Auszeichnung der amerikanischen SF-Profis), die beiden Folgeromane 1994 und 1997 mit dem HUGO-Award (Auszeichnung der SF-Leser).

»Roter Mars« ist ein bemerkenswerter Roman. Mit einem Umfang von fast 800 Seiten sicher kein Leichtgewicht, ist es doch ein fast immer unterhaltsamer Roman, der sich einem – will man es genauer behandeln – sehr komplizierten und nichtsdestotrotz faszienierendem Thema widmet: der Besiedlung und später in Folge auch Terraformung (d.h. Urbarmachung) des Mars.

Der Roman beginnt nach einem kleinen Ausblick auf spätere Ereignisse (ca. die Mitte des Romans) mit dem Flug der „Ersten Hundert“ Auserwählten zum Mars. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt der Großmächte, die sich angesichts der sich zuspitzenden Probleme auf der Erde (Überbevölkerung, Umweltverschmutzung und Zusammenbruch der Machtstrukturen) zusammengefunden haben, um eine Station auf dem Mars aufzubauen. Nach einem komplizierten Auswahlverfahren und einem Überlebenstraining in der Antarktis (die dem Mars noch am ehesten ähnelt) finden sich nun 50 Männer und 50 Frauen auf einer Art Arche zusammen um für immer auf dem Mars zu bleiben. Daß sich bereits auf dem langen Flug erste Bindungen und Konflikte ergeben scheint selbstverständlich, doch die »Ersten Hundert« halten zusammen und schaffen es tatsächlich nicht nur zu überleben, sondern auch als Wegbereiter für folgende Expeditionen und schließlich der Besiedlung zu dienen.
Doch mit dem Ansteigen der Bevölkerung und einem zunehmenden kulturellen Gemisch (so treffen auch arabische Nomaden ein, die die Wüsten des Mars durchziehen) und der Einmischung der Großkonzerne kommt es bald zu einem explosiven Gemisch, das schlußendlich zu einer blutigen Revolution führt.

Es ist schwierig den Inhalt dieses Roman auch nur annähernd wiederzugeben, den es gibt zahlreiche Ereignisebenen. So sind manche Geschehnisse nur für eine oder zwei der Hauptpersonen wichtig, während andere den ganzen Mars betreffen. Es gelingt Kim Stanley Robinson vorzüglich hier eine gute Mischung zwischen den großen politischen Ereignissen und den kleinen persönlichen Dramen zu finden. Daß nebenbei allerdings die drei wichtigsten männlichen Hauptpersonen sterben, hat mich verwundert und ist schade. Der Kunsttrick der Lebensverlängerung durch einen Durchbruch in der Gentechnik sorgt aber wenigstens dafür, daß auch in der Folgeromanen bekannte Charaktere eine wichtige Rolle spielen.

Lobend erwähnen möchte ich noch die wissenschaftliche und kulturelle Stimmigkeit mit der dies alles erzählt wird. Kim Stanley Robinson schildert nicht wie so viele andere SF-Autoren eine ins All projezierte amerikanische Gesellschaft, sondern er gibt sich erfolgreich die Mühe auch fremde Kulturen mitaufzunehmen und miteinzubauen. Auch der technische und astronomische Teil des Buchs ist sehr gut gelungen, und mit der Idee eines Aufzugs ins All verneigt er sich vor Arthur C. Clarke (aber auch Philip K. Dicks »Martian Timeslip« erhält seine Würdigung).

Nun allerdings zum großen Ärgernis der deutschen Ausgabe. Die äußere Aufmachung der Reihe ist schön und macht sich im Regal gut, doch die Übersetzung ist eine Schande. Winfried Petri schaffte es eine Reihe von wirklich hanebüchenen Fehlern zu machen und gerade zu Beginn ist die Übersetzung sehr holprig. Da wird »Antarctica« nicht übersetzt (dabei ist »Antarktis« doch nun wirklich nicht so ungebräuchlich?), aus »extraordinary and extra ordinary« wird dümmlicherweise „außergewöhnlich und extra-außergewöhnlich“ (richtig wäre: »außergewöhnlich und besonders gewöhnlich«), »lump« wird als »Klumpen« übersetzt und so hat jemand plötzlich »hinter seinem Ohr einen Klumpen« (statt einer »Beule«!) usw. Würde man den neusten Roman von Stephen King so beschissen übersetzen, so würden die Leser wohl Amok laufen – aber mit dem SF-Publikum scheint man dies ohne Murren machen zu können. Lieber Herr Petri, das war wahrhaftig kein Meisterstück!