Walter Jon Williams – City on Fire

City on Fire von Walter Jon Williams

HarperPrism, TB
ISBN 0-06-105442-9
Originalausgabe
Titelbild von Tim White (Illustration) & Phil Heffernan (Hintergrund)
New York, Januar 1998, $6.99, 560 Seiten

„City on Fire“, das 1998 für den HUGO-Award in der Sparte „Bester Roman“ nominiert war, ist die direkte Fortsetzung zu „Metropolitan“ (erschien 1995, dt. »Plasma City«). »City on Fire« ist leider bisher nicht in einer deutschen Übersetzung erhältlich. Am ehesten vergleichbar sind diese beiden Bücher was Ideenreichtum, Komplexität und Umsetzung angeht, wohl noch mit Williams‘ Roman „Aristoi“ (Heyne 06/5346).

Die Erde in ferner Zukunft. Ein gigantischer Energieschirm spannt sich um die Welt und verhindert jegliche Raumfahrt. Die Sonne und die Welt außerhalb ist nicht mehr zu sehen, dafür gibt der Schirm gleichmässig Licht ab. Den Menschen selbst ist die Außenwelt längst egal geworden, denn die Erde selbst hält genug Probleme bereit. Die Überbevölkerung hat zugeschlagen, und beinahe jede freie Fläche des Planeten ist mit Bauten überzogen. Ja, sogar die Ozeane sind von schwimmenden Städten auf Pontons überzogen. Die Welt ist zu einem gigantischen Metropolis geworden. Unzählige Stadtstaaten haben sich herausgebildet, die unterschiedlichsten politischen Systeme wurden verwirklicht und neue Völkergruppen haben sich herausgebildet.

Das größte Phänomen ist allerdings das »Plasma«. Das Plasma ist eine Art psychokinetische Energie, die sich in allen Gebäuden langsam ansammelt, und die trainierte Menschen für die unterschiedlichsten Dinge nutzen können: zur Ausbildung von Pseudokörpern, zur Heilung, Teleportation, Präkognition, etc. Das Plasma ist eine Art Lebensenergie, das nebenbei auch lebensverlängernd wirkt, und deshalb auch sehr teuer ist. Eine spezielle Plasma-Energie-Behörde überwacht die Bildung, die Weiterleitung und auch den Verbrauch des kostenbaren Plasmas. Die Bildung des Plasmas kann durch bestimmte bauliche Spezifikationen verstärkt werden, und besonders Messing findet reiche Anwendung zur Ornamentierung, aber auch zum Schutz vor Plasmaangriffen.

Im Vorgängerband „Metropolitan“ half Aiah durch den Verkauf einer gigantischen Menge Plasma, die sie durch Zufall bei ihrer Arbeit für die Plasma-Behörde entdeckte, dem charismatsichen Constantine bei einem politischen Umsturz in der benachbarten Metropolis von Caraqui. Doch Aiah muß erkennen, daß es mehr als nur ein Verkauf von Plasma war, was sie mit Constantine verband, und so reist sie ihm nach Caraqui nach. Dort ist man nach der Revoloution gerade dabei die Überreste der beseitigen Diktatur zu beseitigen und politisch für Ordnung zu sorgen. Constantine ist als Minister für ein neugeschaffenes Triumvirat tätig und er überträgt Aiah den Posten des neu geschaffenen Plasma-Ministeriums. Und Aiah, die bisher nur als Angestellte tätig war, bzw. kurze Zeit als Revolutionärin für Constantine arbeitete, schafft es tatsächlich eine komplette Behörde aufzubauen und auch eine Mafia-ähnliche Verbrecherorganisation, die vom Plasma-Diebstahl lebt, zu zerschlagen. Doch das neu geschaffene politische System ist noch sehr instabil und so kommt es zum Versuch einer Konter-Revolution. Aiah beginnt sich immer mehr zu engagieren, und bald muß sie erkennen, daß die Zukunft für sie noch viele Überraschungen und Probleme bereit hält…

Wie die lange Einleitung dieser Rezension und die Inhaltsbeschreibung (die den Inhalt wirklich nur grob umreißt) zeigen, bilden die beiden Romane „Metropolitan“ und „City on Fire“ eine kompakte Einheit, und sie führen den Leser in ein komplexes und unglaublich faszinierendes Universum voller interessanter Charaktere, politischer Intrigen und Schwierigkeiten. Mittendrin erlebt man hier die Entwicklung Aiahs von einer einfachen und braven Angestellten (natürlich mit einem langweiligen Verlobten) zu einer sehr selbstständigen und selbstbewußten Frau, die schlußendlich sogar ihren Lehrer übertrifft.

Walter Jon Williams hat hier ein hervorragendes Werk geschaffen, das trotz seines Umfangs (560 Seiten!) nie Längen aufweist und immer wieder überraschende Wendungen mit sich bringt. Es sind allerdings nicht die – durchaus vorhandenen – Actionszenen, die den Roman prägen, sondern die gelungene Darstellung der Charaktere und der Welt. Dabei geht Walter Jon Williams ähnlich vor wie C.J. Cherryh im Atevi-Zyklus – man wird als Leser mit den Fallstricken der Politik konfrontiert, und folgt der Hauptperson, die sich daraus langsam zu befreien versucht (um in einer fremden Umgebung vom Spielball zu einer dominierenden Spielfiguren zu werden).

Da zuletzt noch genug Rätsel offen bleiben, ist nur zu hoffen, daß Walter Jon Williams sich dazu aufraffen kann auch noch einen dritten Band um diese Welt unter dem Schirm zu schreiben. Science Fiction dieser Qualität weist den Weg in das neue Jahrtausend und zu neuen Ufern…