William Gibson – Idoru

Idoru

Heyne Verlag, TB 06/6315
Titel der Originalausgabe: »Idoru« (1996)
aus dem Amerikanischen von Peter Robert
Titelbild von doMANSKI
München, März 1999, 16.90 DM, 333 Seiten

Im Roman »Idoru« von William Gibson verfolgen wir den Weg des Rechercheurs Laney und des Teenagers Chia ins Tokio einer nahen Zukunft. Chia bricht als Fan des Popduos Lo/Rez wegen dem Gerücht der bevorstehenden Hochzeit ihres Idols Rez mit einem virtuellen Sängerstar, einer Idoru, zur dortigen Fanortsgruppe auf, um nähere Informationen zu erhalten. Laney dagegen wird vom Sicherheitsteam von Lo/Rez unter Leitung des knallharten Bodyguards Blackwell angeheuert, um mit seiner intuitiven Erkennungsmethode von Netzknotenpunkten die Hintergründe der ungewöhnlichen Verbindung zu ermitteln. Durch die Begegnung Chias mit der undurchsichtigen Maryalice im Flugzeug nach Tokio wird der Grundstein für weitere Verwicklungen gelegt, in deren Verlauf sich ihr Weg über die virtuelle Ummauerte Stadt und Mitglieder der russische Mafia schließlich mit dem von Laney, Blackwell, Rez und der Idoru kreuzt.

»Idoru« spielt im Gegensatz zu Gibsons Neuromancer-Trilogie in der realistischer angelegten Zukunftswelt, die auch schon in seinem letzten Roman »Virtuelles Licht« in Erscheinung getreten ist. Dies wird sowohl an Hintergründen wie dem nach einem Erdbeben durch Nanotechnik wieder aufgebautem Tokio, als auch an dem Auftreten von zwei Charakteren aus dem ersten Buch ersichtlich. Auch in dieser naheliegenderen Zukunftsvision bleibt Gibson seiner Vorliebe für virtuelle Welten, künstliche Intelligenzen, schrillen Orten und schrägen Charakteren treu. Wie für Gibsons Romane üblich, weiß man bis fast zur Mitte des Buches kaum, worum es eigentlich geht und selbst am Ende bleibt teilweise ein Unverständnis zurück, das zum tieferen Nachdenken über das eigentlich geschilderte Geschehen und zum nochmaligen Lesen des Roman anregt.

Leider ist das Tokio von »Idoru« trotz Urin-Grotten und Franz-Kafka-Themenbars nicht ganz so faszinierend wie die Welt in seiner Neuromancer-Trilogie, und auch die Protagonisten können, bis auf den Ex-Verbrecher und Bodyguard Blackwell, nicht mit ihren teilweise ultracoolen Vorgängern mithalten. Besonders aber der Mangel an handfester Action im Vergleich zu den Vorgängerbüchern, inklusive »Virtuelles Licht«, läßt etwas am Gesamteindruck vermissen. Trotzdem macht alleine Gibsons geniale Prosa mit dem altgewohnten Lieblingswort »pink« den Roman (nicht nur für Gibson-Fans) in jeder Hinsicht lesenswert.