Ein kleiner Rückblick: Roger Corman, der König des B-Movies, wurde 1993 von Constantin Film angeheuert, um mit einem Etat von gerade mal knapp 1,5 Millionen US-Dollar innerhalb von zwei Monaten einen »Fantastic Four«-Kinofilm zu drehen. Roger Corman und seine Crew und die Schauspieler sahen das als eine große Herausforderung an und werkelten und schufteten, um unter diesen schwierigen Bedingungen einen einigermaßen guten Film zu drehen… was sie aber nicht wußten (und auch die Presse nicht): Bernd Eichinger, der Chef von Constantin, hatte nie vor diesen Film in die Kinos zu bringen. Es mußte nur ein Film bis Ende 1993 vorliegen, um die Filmrechte an den »Fantastic Four« zu behalten (auf die schon Chris Colombus ein Auge als Regisseur geworfen hatte)! Und so wurde zum großen Ärger aller Beteiligten und zur Verwunderung der Presse, der Film nach seiner Fertigstellung (obwohl bereits sogar ein Termin für die Premiere von der ebenfalls nicht eingeweihten Promotionabteilung von Constantin angesetzt war!) als Beweis nur ein einziges Mal den Verantwortlichen bei Marvel gezeigt und danach einfach ins Filmlager gebracht, wo er noch heute ruht…
Seitdem sind 32 Jahre vergangen. Drei weitere Kinofilme mit den Fantastischen Vier sind seitdem entstanden und diese sind auch tatsächlich im Kino gelaufen. Gemeinsam mit 20th Century Fox brachte Constantin 2005 »Fantastic Four« und zwei Jahre später »Rise of the Silver Surfer« ins Kino. Beide Filme waren leidlich erfolgreich, aber die Fans waren sich einig, dass die Kinoabenteuer dieser Vier (Jessica Alba, Ioan Gruffudd, Chris Evans und Michael Chiklis) noch nicht so richtig fantastisch waren. Josh Tranks (der zuvor mit »Chronicle« einen echten Hit abgeliefert hatte) »Fant4stic« von 2015 hingegen erwies sich als veritabler Flopp (ca. 80 Millionen US-Dollar Verlust) – und killte letztlich den Franchise bei Fox. Wann die Kinorechte von Eichingers Constantin zu Fox wanderten, lässt sich nebenbei auch nicht mehr nachvollziehen. Aber nach dem Kauf von Fox, sind die F4 nun endlich bei den Marvel Studios gelandet.
Inhalt: Marvel Studios‘ THE FANTASTIC FOUR: FIRST STEPS stellt Marvels erste Familie vor – Reed Richards/Mr. Fantastic (Pedro Pascal), Sue Storm/Die Unsichtbare (Vanessa Kirby), Johnny Storm/Die menschliche Fackel (Joseph Quinn) und Ben Grimm/Das Ding (Ebon Moss-Bachrach) – die sich ihrer bisher größten Herausforderung stellen muss. Sie sind gezwungen, ihre Rollen als Superhelden mit der Stärke ihrer Familienbande in Einklang zu bringen und müssen die Erde vor einem gefährlichen Weltraumgott namens Galactus (Ralph Ineson) und seiner rätselhaften Begleiterin Silver Surfer (Julia Garner), verteidigen. Und wenn Galactus‘ Plan, den gesamten Planeten und jeden, der darauf lebt, zu verschlingen, nicht schon schlimm genug wäre, wird es plötzlich auch noch sehr persönlich.
Kritik: In welchem Jahr »Fantastic Four: First Steps« genau spielt, wird uns im Film nicht verraten. Aber zumindest in welchem Universum: Erde-828 (das ist eine Anspielung auf Jack Kirby). Nur zur Erinnerung, die »normalen« Marvel-Filme sind alle auf Erde-616 angesiedelt, das ist die »Sacred Timeline«. Und da wir uns nicht im gewohnten Filmuniversum bewegen, fehlt bei diesem Film auch komplett der klassische Marvel-Vorspann mit den Verweisen auf die anderen, uns längst bekannten Superhelden.
Hier auf Erde-828 sind es die Fantastischen Vier, die die Beschützer New Yorks, aber auch der ganzen Erde sind. Die anderen uns bekannten Superhelden (einschließlich Captain America) scheinen hier nicht zu existieren (aber dafür gibt es hier Latveria, die Heimat von Victor van Doom). Der geniale Trick dabei ist, dass man diesen Film auch zumindest optisch grob in der Zeit des Ursprungs seiner Comicanfänge angesiedelt hat (im Comic war das Debut der F4 im November 1961). Der Film ist also in einer retro-futuristischen Welt der 1960er angesiedelt – es gibt Plattenspieler und einen Roboter, es gibt Raumschiffe und fliegende Autos mit Heckflossen. Alles zusammen ist das eine mit viel, viel Liebe auf die Leinwand gebrachte Zukunftsvorstellung der 1960er Jahre!

Wir müsssen uns auch keine Origin-Story anschauen, sondern wir bekommen die wichtigsten Stationen nebenbei in Form einer Fernsehshow – der Ted Gilbert Show – gezeigt (dabei auch den großartigen Kampf gegen Mole-Man, dem ersten Gegner der F4 im Comic). Wie man dabei klassische Szenen aus den ersten Comics aufgreift, beweist wie gut man diesmal die Fantastischen Vier als Superhelden begriffen hat. Die vier Helden müssen nicht erst zu einem Team zusammenwachsen, nein, Reed Richards, Susan Storm, Johnny Storm und Ben Grimm sind bereits ein Team (und eigentlich auch Helden), bevor sie durch einen kosmischen Sturm verändert werden und ihre Kräfte bekommen.

Das ist einer der Punkte, die dieser Film exzellent herausarbeitet: Die Fantastischen Vier sind eine Familie. Eine Familie, die andere beschützt, aber auch sich selbst. Und die vor allem für Zusammenhalt steht. Die Schauspieler sind hier deshalb perfekt besetzt, gerade Vanessa Kirby gibt Susan Storm die Stellung, die sie im Team verdient – sie kann sich zwar unsichtbar machen, aber ist hier alles andere als unsichtbar, denn sie ist (vielleicht) sogar der wichtigere Charakter als Reed Richards (Pedro Pascal), dessen Genialität hier nicht alle überstrahlt.

So ist es auch nicht seltsam, dass der Film damit beginnt, dass Susan Storm/Richards feststellt, dass sie schwanger ist, ein Punkt, der zentral für diesen Film ist und letztlich wohl auch für den nächsten Film »Avengers: Doomsday«. Das drohende Ende der Welt, die Bedrohung durch den Weltenverschlinger Galactus (hier auch adäquat umgesetzt), das alles zeigt, wie stark die Fantastischen Vier als Team sind. Insofern ist es fast ein Glück, dass sie erst jetzt Teil des MCU werden, denn zuvor wären sie nur schwer in das Machtgefüge einzufügen gewesen.

Ein Schwäche zeigt der Film nur im Mittelteil, als er sich von seiner Optik der 60er etwas verabschieden muss – und uns nicht den Weltraum in Kirby-Optik mit bunten Farben und Blubberblasen wie in einem LSD-Rausch präsentiert. Aber letztlich ist das vergessen, wenn Galactus tatsächlich in voller Gestalt durch New York marschiert und die Fantastischen Vier alle zeigen, was sie drauf haben und Ben dann endlich doch mal laut brüllt »It’s clobberin‘ time!«. Dann ist klar: Dies ist der perfekt Film mit den Fantastischen Vier!

The Fantastic Four: First Steps
Originaltitel: The Fantastic Four: First Steps
Regie: Matt Shakman
Mit Pedro Pascal, Vanessa Kirby, Joseph Quinn, Ebon Moss-Bachrach, Ralph Ineson, Julia Garner, Paul Walter Hauser, Natasha Lyonne, Sarah Niles u.v.m.
Deutscher Kinostart: 24. Juli 2025