Die Reihe SF-Personality des Shayol-Verlages widmet sich Jahrzehnten den großen Autoren der Science Fiction. In jedem Band (die Reihe wurde von Hardy Kettlitz begründet, aber mittlerweile schreiben auch andere Autoren für SF-Personality) wird ein Autor und sein Werk möglichst ausführlich beleuchtet – wobei der Schwerpunkt dabei immer auf einer möglichst umfassenden Betrachtung aller erschienen Texte des Autors liegt.
Im 22. Band hat sich der Germanist und Sozialwissenschaftler Hans Frey eines ganz besonderen Autors angenommen – des Amerikaners Alfred Bester. Die Besonderheit Besters liegt darin, dass er mit seinem ersten Roman auf Anhieb den ersten HUGO-Award in der Sparte »Bester Roman« überhaupt 1953 gewann, und seine Beliebtheit auf nur zwei Romanen fußt: »The Demolished Man« und »The Stars my Destination«.
Hans Frey nennt Alfred Bester einen »Tycoon der Science Fiction«, der Klappentext schiebt auch gleich eine Erklärung hinterher: »Der Begriff »Tycoon« kommt ursprünglich aus der Ökonomie und bezeichnet einen enorm vitalen, dynamischen und einflussreichen Wirtschaftsführer, der außerordentliche Leistungen und Erfolge vorzuweisen hat. Übertragen auf das Gebiet der Science Fiction kann auch der US-Amerikaner Alfred Bester (1913 – 1987) die Bezeichnung »Tycoon« für sich in Anspruch nehmen.«
Wie gewohnt listet der Band, der von einer Vignette aus der Feder des Graphikers molosovsky geziert wird, nicht nur alle Kurzgeschichten und Romane von Alfred Bester auf, sondern stellt diese auch inhaltlich vor (besonders interessant ist dies bei den frühen Kurzgeschichten von Bester, die nie auf Deutsch erschienen) und versucht diese auch in die Schaffensperioden einzuordnen. Bei den Romanen erhält man als Leser auch eine Analyse des Inhalts und erfährt auch detailliert, warum Bester später sogar von der SF-Kritik als erster New Wave- und auch erster Cyberpunk-Autor bezeichnet wurde.
Zahlreiche Abbildungen, eine umfassende Bibliographie von Hans-Peter Neumann und ein Essay von Michael K. Iwoleit, der 1993 bereits in NOVA erschien und später lange Zeit auch bei SF-Fan.de zu finden war, runden den Band ab. Michael Iwoleit konzentriert sich dabei auf das oft vergessene Kurzgeschichtenwerk Besters.
Etwas schade ist aber, dass der Autor Hans Frey seine Analysen auf einer unvollständige Kenntnis der Sekundärliteratur fußt und dabei z.B. ein so wichtiges Werk wie »Alfred Bester: Redemolished«, das immerhin auch geholfen hätte, seine Beziehung zur Science Fiction noch besser zu beleuchten, nicht zur Hand nahm. Immerhin enthält es vier Essays von Alfred Bester über Science Fiction, in denen er auch viel über die Entstehung seiner beiden berühmten Romane erzählt. Aber auch der in den späteren Romanfassungen gekippte Prolog von »The Demolished Man«, der nur beim ersten Abdruck in Galaxy zu finden war und später einer Kürzung wegen Papierknappheit zum Opfer fiel, und in »Redemolished« nachzulesen ist, wird vom Autor Hans Frey nicht erwähnt oder gar berücksichtigt. Er ordnet das Buch als »Aufbereitung alter Storys« falsch als reinen Kurzgeschichtensammelband ein.
Was er dabei verliert, ist allerdings nicht unerheblich: so bleibt u.a. deshalb die zweite wichtige Grundlage für die Entstehung des Romans »The Stars my Destination« (ein Artikel aus dem National Geographic) unberücksichtigt, die komplexe Geschichte der unterschiedlichen britischen und amerikanischen Romanfassungen von »Tiger, Tiger« und »The Stars my Destination«, die erst 1996 mit einer quasi-Melange aus beiden zu einem Ende gebracht wurde, wird nicht erwähnt, und die korrekte Einordnung des Mainstream-Romans »Who he?«, dessen Filmrechte verkauft wurden und Bester ein paar Jahre lang eine finanzielle Unabhängigkeit ermöglichten, findet auch nicht statt.
Alles Kleinigkeiten natürlich, deren Berücksichtigung man allerdings als Experte doch vermisst, wenn es um das Verständnis der Person Besters und die Analyse der Entstehungsgeschichte seiner zwei wichtigen SF-Romane geht. Und so fällt man ein Urteil etwas getrübt aus: Ja, wer Alfred Bester und sein Werk näher kennen lernen will, sollte diesen Band kaufen und lesen. Wer Bester Werk allerdings schon etwas besser kennt, muss diesen Band nicht unbedingt haben. Schade.