Rhythmisch blinkende Steuerpulte, Marslandschaften aus Pappmaché, hautenge Uniformen – sind wir in einer alten Folge von »Raumschiff Enterprise« gelandet? Falsch – die Raumfahrer heißen Veikko, Brinkmann oder Pirx, die Raumschiffe »Kosmokrator« oder »Laika« und die Orbitalstation hört auf den Namen Margot. Willkommen im Kosmos des osteuropäischen Science-Fiction-Films! Um die Terminologie des Klassenfeindes USA zu vermeiden, sprach man in den sozialistischen Staaten allerdings nicht von »Science Fiction«, sondern vom »wissenschaftlich-fantastischen Film« oder auch vom »Utopischen Film«.
Zu diesem Thema zeigt das 19. Internationale Filmfest Braunschweig vom 8. bis 13. November 2005 eine Retrospektive und widmet sich damit einem Kapitel der osteuropäischen Filmproduktion, welches dem westlichen Publikum nahezu unbekannt sein dürfte. Neben vier DEFA-Filmen, die uns ein Wiedersehen mit Schauspielern wie Gojko Mitic, Rolf Hoppe und Eva-Maria Hagen bescheren, werden auch fünf tschechische und polnische Raritäten gezeigt.
Szene aus »Im Staub der Sterne«
Ausgehend vom sozialistischen Zukunftsoptimismus eines Gottfried Kolditz, der in seinen Filmen international besetzte Teams im Auftrag der Wissenschaft und zum Wohle der Menschheit ins All fliegen ließ, reicht der Spannungsbogen der Reihe bis hin zur apokalyptischen Endzeitvision, wie sie Piotr Szulkin beispielsweise in seiner frühen Adaption des H.G. Wells-Klassikers »Krieg der Welten« meisterhaft inszenierte. Um über diesen seltenen Kinogenuß hinaus einen noch umfassenderen Einblick in den Entstehungskontext der Filme zu geben, werden Filmschaffende von damals von den Dreharbeiten berichten.
Szene aus »Eolomea«
Das Filmfest Braunschweig lädt dazu ein, den Ausführungen von Herrmann Zschoche, dem Regisseur des preisgekrönten DEFA-Films »Eolomea« (1972) zu lauschen. Hören sie, was Doris Borkmann, die vor nun schon fast 50 Jahren als Regieassistentin bei »Der schweigende Stern« (1959) mitgearbeitet hat, über die aufwendigen Dreharbeiten zu berichten weiß. Seien sie dabei, wenn Kurt Marks, der Mann für Spezialeffekte bei vielen DEFA-Produktionen, davon erzählt, wie er die Ufos durch das All sausen ließ.
Szene aus »Der schweigende Stern«
Auch über die Science-Fiction-Sternstunden hinaus hat das Internationale filmfest Braunschweig viel zu bieten. Mit seinen mehr als 18.000 Besuchern zählt es zu einem der größten Filmfestivals in Norddeutschland und stellt, verstärkt durch seine vielfältigen Kooperationen, wie zum Beispiel mit dem Staatsorchester Braunschweig, einen nicht mehr weg zu denkenden Fixpunkt im Film- und Kulturbereich dar.
Vor allem mit seinen beiden Schwerpunkten auf den jungen europäischen Film und auf die Verbindung von Film und Musik ist es dem filmfest gelungen, sich einen festen Platz in der Branche zu erarbeiten. So kommt das Publikum mittlerweile Jahr für Jahr in den Genuß, aus über 120 Veranstaltungen und 160 internationalen Filmen wählen zu können, darunter viele deutsche Erstaufführungen. Feierlichen Abschluß bildet in jedem Jahr die Heinrich-Gala, auf der der mit 10.000 Euro dotierte Publikumspreis für den besten europäischen Debüt- oder Zweitfilm »Der Heinrich« an den Regisseur/die Regisseurin sowie der mit 2.000 Euro dotierte Kurzfilm-Musikpreis »Der Leo« vergeben werden.
Weitere Informationen über die Gäste und das Programm findet man auf der Internetseite www.filmfest-braunschweig.de.
Das Programm in der Übersicht:
- Gottfried Kolditz: „Signale – ein Weltraumabenteuer“, DDR/Polen 1970, 91 Min, Scope
- Herrmann Zschoche: „Eolomea“, DDR/Bulgarien/UdSSR 1972, 81 Min, Scope
- Gottfried Kolditz: „Im Staub der Sterne“, DDR 1976, 100 Min, Scope
- Kurt Maetzig: „Der schweigende Stern“, DDR/Polen 1959, 93 Min, Scope
- Jindrich Polák: „Ikarie XB 1“, CSSR 1963, 81 Min
- Oldrich Lipsky: „Der Mann aus dem 1. Jahrhundert“ (Muz z Prvniho stoleti), CSSR 1961, 93 Min
- Marek Piestrak: „Test Pilot Pirx“ (Test Pilota Pirksa), Polen/UdSSR 1978, 95 Min
- Piotr Szulkin: „The War of the World – Next Century“ (Wojna Swiatow – Nastepne Stulecie), Polen 1981, 96 Min
- Piotr Szulkin: „O-bi, O-ba – Das Ende der Zivilisation“ (O-bi, O-ba, koniec cywilizacji), Polen 1985, 88 Min
Quelle: filmfest Braunschweig