Mit den STAR WARS-Soundtracks von John Williams verbindet mich einiges: Die Doppel-LP war 1978 die erste Langspielplatte, die ich mir kaufte. Natürlich besitze ich auch die 4-CD-»Trilogy«-Box, auf der von den ersten drei Filmen mehr Musik ist, als die Laufzeit der Streifen ausmacht. Und freilich führte kein Weg vorbei an der »Special Edition« mit (man glaubt es kaum) noch mehr Musik.
Soundtrack: »Star Wars: Episode 1 – The Phantom Menace«
Komponiert und aufgenommen von John Williams © Sony Music 1999 |
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Seit Oktober 1998 arbeitete Williams permanent an dem Score, allein das Schreiben der Tracks dauerte gut vier Monate. Anfang 1999 wurde alles vom London Symphony Orchestra (LSO) in den Abbey Road Studios aufgenommen. Erstaunlicherweise waren einige der Mitglieder des Orchesters bei den Aufnahmen zum ersten Star Wars Film ebenfalls schon dabei.
Williams verwendet jedoch nicht nur das London Symphony Orchestra, sondern auch zwei Chöre. Diese sollen den mystischen und quasi-religiösen Charakter der Geschichte unterstreichen. Unauffällig mogelt er aber auch ein paar Synthesizer in die Musik. Dadurch klingt das Werk deutlich »runder« und druckvoller als alle bisherigen Star Wars-Musiken. Die klare Musikaufnahme durch Shawn Murphy tut ein Übriges dazu. Murphy hat schon mit allen führenden Komponisten zusammengearbeitet – zunächst als »Music-Editor«, später als Aufnahmeleiter – er beherrscht sein Fachgebiet perfekt. So kann man sich über wunderbar ortbare Instrumente freuen, über glashelle Bläser und aus dem Surround-Kanal donnernde Pauken.
Der »Main Title« entspricht der bekannten Titelmusik – es handelt sich um das Luke Skywalker-Thema, welches im restlichen Film jedoch nicht mehr auftaucht (was wohl damit zu tun hat, daß Lukes Vater selbst noch ein kleines Kind ist).
»Duel of the Fates« ist die Single-Auskopplung: Der Chor beherrscht dieses Stück – er singt übrigens in Sanskrit, der indischen Sprache, aber nur aus dem Grund, weil sie so gut klingt. Für Amerikaner klingt nämlich jede andere Sprache außerirdisch.
»Anakin’s Theme« ist ein erster Höhepunkt des Scores. Es ist ein luftiger, verspielter Titel, der von Holzflöten eingeleitet und von Streichern getragen wird. Musikalisch erinnert er an Werke von Debussy (besonders an das Stück »Am Nachmittag eines Fauns«). Man muß schon genau hinhören, um einige musikalische Annäherungen an den »Imperial March« des späteren Darth Vader festzustellen. Deutlich wird dieser aber zum Schluß, als Williams den Titel mit dunklen Bläsern ausklingen läßt.
»Jar Jar’s Introduction« ist ein typischer John Williams-Titel: Einen »lustigen« Charakter stellt er stets mit Cartoonsounds dar. Es folgt einige Action-Musik, die recht gut die damit verbundenen Titel unterstreicht. Den »Trip to the Naboo Temple« oder die Schlacht der Androiden kann man sich beinahe bildlich vorstellen. Vordergründig eingängig ist das alles nicht. Knallige Themen sucht man zunächst vergebens. Gleichwohl erschließt sich nach mehrfachem Hören ein verblüffender innerer Zusammenhalt und eine seltsame Vertrautheit. Man kann sich an dem Soundtrack nicht satthören.
Der folgende Titel beginnt mit dem Obi-Wan »Ben« Kenobi-Thema. Daran schließt einige »Action-Musik« an, von aufpeitschenden Blechbläsern und Schlagwerk getragen, jedoch weit davon entfernt, atonal zu klingen. Die »Passage Through the Planet Core« gestaltet sich sehr sehr leise, ein Flötenton trägt die Melodie wie ein Pfeifer in dunklen Wald. Im Hintergrund grummeln bedrohlich ein paar Streicher. Gegen Ende scheint die Bedrohung zu wachsen, es kommt offenbar zum Konflikt.
»Watto’s Deal and Kids at Play« ist wieder ein ruhiger Titel mit schönen Streicherpassagen, verspielten Flöten und plätschernden Harfen, alles freilich in Moll. Im Mittelteil ist wieder Bens Thema zu hören – klanglich und musikalisch deutlich ausgereifter als noch auf dem ersten Star Wars-Soundtrack. Das nachfolgende fröhliche Kinderspiel ist perfekt nachvollzogen: leicht, locker, mit »angetupften« Bläsern und quirligen Flöten.
»Panaka…« beginnt mit heroischen Fanfaren und erstmals taucht ganz kurz das berühmte Star Wars (Luke)-Thema auf. »Swashbuckling Music« könnte man dies bezeichnen. Williams hat solche Seeräubermusik ja auch in »Hook« präsentiert (wenngleich die Melodien da besser waren). »Queen Amidala and The Naboo Palace« ist das folgende Stück betitelt. Da wäre man aber auch drauf gekommen, ohne in die Titelübersicht zu schauen. Schade nur, daß dem Komponisten keine zwingende Melodie eingefallen ist. Williams‘ Aneinanderreihung gefälliger Töne verläuft hier irgendwie im Sande.
Schlagwerk und martialische Märsche kündigen die Invasion der Androiden an. In diesem Titel geht’s rund, eine Struktur drängt sich nicht auf. Kämpferische Einzelaktionen, schnelle Schnitte und schließlich das Auftauchen von »Darth Maul«, der in der deutschen Fassung hoffentlich einen schöneren Namen bekommt (z.B. »Halt’s Maul« – harhar).
Der folgende Titel beschäftigt sich mit Qui-Gon. Er hört sich an, als fände ein Kampf statt. Im Mittelteil wird die Musik fremdartig elektronisch. Die dunkle Bedrohung kommt auf.
Traurig klingt das »High Council Meeting« und einige Themen aus den alten Filmen tauchen auf, darunter erstmals ganz ganz leise der »Imperial March«, das Thema des bösen Darth Vader. Getragen kommt Ben Kenobis Thema und schließlich ertönen die vielgepriesenen Chöre (die trotz gegenteiliger Ankündigungen im Soundtrack doch stark im Hintergrund stehen).
Das abschließende Stück »Augie’s Great Municipal Band« erinnert stark an das Ewok-Schlußthema aus »Return of the Jedi« und leitet in den gut acht Minuten langen Abspann über. Dieser beginnt natürlich mit dem Star Wars Thema und präsentiert in loser Folge Musik aus dem ganzen Film.
In dieser schnellen Übersicht zeigt sich deutlich, daß Williams keine sonderlich prägnanten neuen Melodien eingefallen sind. Es ist zwar ein Kennzeichen guter Filmmusik, daß sie sich nicht in den Vordergrund drängeln sollte. Dieser Grundsatz gilt aber, und da sind sich die Filmmusikhistoriker einig, nicht für Star Wars. Gleichwohl ist mit »The Phantom Menace« ein bewundernswertes Stück Musik gelungen, das man sich immer wieder mit wachsender Begeisterung anhören kann.
George Lucas sagt im Begleitheft: Auch als Stummfilm mit Musik würde der Film funktionieren. Filmmusik ist eine neue Weltsprache geworden, sie funktioniert überall auf dem Planeten – und John Williams ist einer ihrer Meister.
© Ulrich Bettermann (Text), Lucasfilm, Sony (Bildmaterial)
Komplette Titelaufstellung:
01. Star Wars-Main Title/The Arrival At Naboo
02. Duel Of The Fates
03. Anakin’s Theme
04. Jar Jar’s Introduction/The Swim To Otoh Gunga
05. The Sith Spacecraft/The Droid Battle
06. The Trip To The Naboo Temple/The Audience With Boss Nass
07. The Arrival At Tatooine/The Flag Parade
08. He Is The Chosen One
09. Anakin Defeats Sebulba
10. Passage Through The Planet Core
11. Watto’s Deal/Kids At Play
12. Panaka And The Queen’s Protectors
13. Queen Amidala/The Naboo Palace
14. The Droid Invasion/The Appearance Of Darth Maul
15. Qui-Gon’s Noble End
16. The High Council Meeting/Qui-Gon’s Funeral
17. Augie’s Great Municipal Band/End Credits