Science Fiction-Mehrteiler deutscher Autoren in Romanform sind relativ selten, wenn einmal von den Romanen zur Heftserie »Perry Rhodan« absieht. Nach dem großen Erfolg von Andreas Brandhorts »Kantaki«-Trilogie, der nun bereits weitere drei Romane nachgeschoben wurden, scheint allerdings die Risikobereitschaft in den großen deutschen Publikumsverlagen gewachsen zu sein. Dieser Tage erschien nämlich mit »Alien Earth – Phase 1« von Frank Borsch der erste Band der neuen SF-Trilogie »Alien Earth« im Heyne-Verlag.
Und Autor Frank Borsch erzählt darin die Geschichte der ersten Begegnung der Menschheit mit Außerirdischen… die ganz anders verläuft, als sich das viele vorgestellt hatten…
Soviel verrät dazu der Klappentext: »Wir schreiben das Jahr 2065. Seit sieben Jahren hängt ein fremdes Raumschiff im Orbit über der Erde. Auf Kontaktversuche reagiert es nicht. Ohne sich um die Menschheit zu kümmern, schickt es Kundschafter in das Sonnensystem aus und schürft Rohstoffe. Mit jedem Monat wächst das Raumschiff, mit jedem Monat stößt es Dutzende von Artefakten aus, die in den Pazifik stürzen. Was hat die Aliens zur Erde geführt? Welchem Zweck dienen die Artefakte? Und: Kommen die Aliens in friedlicher Absicht oder als Invasoren?
Fragen, die niemanden unberührt lassen. Fragen, auf die es womöglich eine Antwort gibt: Von jenen Aliens, die sich in Menschen zu manifestieren versuchen…«
SF-Fan.de hat beim Autor nachgefragt und ein Interview mit Frank Borsch geführt, das so auch im SF-Magazin phantastisch! Ausgabe 25 erschien.
In phantastisch! 25 findet sich das komplette Interview mit
Frank Borsch Hier bestellen! |
|
Du hast 1996 am Science Fiction-Seminare der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel teilgenommen und dort nicht nur etwas über das Schreiben gelernt…
Frank Borsch: … sondern habe auch Wolfgang Jeschke kennengelernt, damals der Herausgeber der Reihe Heyne SF, und Klaus Frick, damals und auch heute noch der Chefredakteur der PERRY RHODAN-Serie. Und das hat sich im Rückblick als das große Los herausgestellt, weil ich damit das »Fuß in die Tür«- Problem gelöst habe, mit dem literarische Übersetzer und Autoren kämpfen. Es gibt einfach viel mehr Leute, die übersetzen und schreiben wollen, als die Verlage gebrauchen können. Eigentlich schön für die Verlage, aber das Problem ist natürlich, wie man die geeigneten Leute herausfiltert. »Autor« und »Übersetzer« sind keine geschützen Begriffe, jeder kann die Hand hochstrecken und »Ich kann das!« schreien.
Das »Ich kann das!« habe ich wohl mit der Geschichte, die bei dem Seminar vorgestellt habe, halbwegs überzeugend dargelegt. Wolfgang Jeschke hat mir jedenfalls noch auf dem Seminar eine Romanübersetzung angeboten und mit Klaus Frick bin ich in Kontakt geblieben. Als dann zwei Jahre später VPM die erste ATLAN-Miniserie brachte, war ich mit von der Partie …
Du hast aber doch auch eine zeitlang als Journalist gearbeitet und vor allem Themen rund ums Internet behandelt?
Frank Borsch: Ja. Zu der Zeit war hier in Freiburg der Zeitungsmarkt in Bewegung gekommen. Der Platzhirsch war – und ist es inzwischen wieder – unangefochten die Badische Zeitung. Dann kam aus dem Nichts plötzlich die »Zeitung zum Sonntag«. Anzeigenfinanziert, kostenlos, mit edlem Layout und einem hohen inhaltlichen Anspruch. Die ZuS suchte Leute. Ich habe mich gemeldet und innerhalb kurzer Zeit gehörte ich zum festen Stamm der Freien und schrieb Beiträge für die Internet-Themen-Seite der Zeitung. Dabei ging es nicht um den technischen Ansatz, sondern um die Frage, wie das Internet unsere Gesellschaft verändert – angewandte Science Fiction, sozusagen. Leider hat es die ZuS nicht geschafft, sich dauerhaft zu halten. Nach zwei, drei Jahren war Schluss und seitdem habe ich mich eigentlich kaum noch als Journalist betätigt. Dafür fehlte mir einfach die Zeit.
Gehen wir aber noch ein Stück weit zurück… von 1991 bis 1992 hast Du ein Jahr in Belfast in einer WG gelebt und irischen Kindern Deutsch beigebracht.
Frank Borsch: Ich habe Englisch und Geschichte studiert und da lag ein Jahr im Ausland nahe. Wieso gerade Belfast? Bei der Bewerbung für die Assistant-Teacher-Stelle konnte man auf einer Karte Großbritanniens eine Region ankreuzen, in die man am liebsten will. Und irgendwie ist mein Blick bei Nordirland hängengeblieben. Dafür bewirbt sich doch keiner, dachte ich mir. Die Troubles waren damals noch in vollem Gange. Und: Das könnte interessant werden.
Und so kam es auch: Ich habe die Stelle bekommen und das Ganze wurde ziemlich interessant und ziemlich wild, dafür haben schon meine WG-Mitbewohner gesorgt. Außerdem habe ich festgestellt, wie schnell man sich daran gewöhnt, dass an jeder dritten Straßenecke Soldaten mit Maschinengewehren stehen und alle paar Wochen irgendwo in der Stadt eine Bombe hochgeht. Das Erstaunliche ist: Das normale Leben geht weiter. Und zwar zu einem Grad, der schon fast wieder beunruhigend ist …
Reagieren die Leute in »Alien Earth« mit einer ähnlichen Gelassenheit auf die Ankunft der Außerirdischen? Daß sie sich eben nach einer gewissen Aufregung schnell wieder mit der neuen Situation abfinden und wieder ihrem normalen Leben nachgehen?
Frank Borsch: Ja. Und natürlich nein. Die Anwesenheit des Raumschiffs von Außerirdischen im Orbit um die Erde krempelt ja auf eine Weise die Welt völlig um – und auf eine andere überhaupt nicht. Das Weltbild ist plötzlich ein fundamental anderes. Wir sind nicht allein im Universum. Und nicht nur das: Die Anderen sind uns offenbar überlegen. Sonst wären wir ja zu ihnen vorgestoßen und nicht sie zu uns. Praktisch gesehen ändert sich – auf den ersten Blick – nicht viel. Die Leute müssen immer noch ihre Miete bezahlen und zur Arbeit gehen. Die Nase meines Nachbarns gefällt mir immer noch nicht besser, nur weil sich Aliens im Orbit herumtreiben …
Das Ergebnis sind überall auf der Welt zerrissene Gesellschaften. Wie soll man sich gegenüber den Aliens verhalten? Sind es Invasoren? Sind es Freunde – und wir verstehen sie nur nicht? Sollen wir sie einfach ignorieren?
Was erwartet den Leser im ersten Band der »Alien Earth«-Trilogie – ein neuer »Krieg der Welten«?
Frank Borsch: Nein, »Alien Earth« ist kein neuer »Krieg der Welten«, auch wenn ich natürlich, wie jeder andere, der in den letzten hundert Jahren SF geschrieben hat, auf den Schultern von H. G. Wells stehe. Wells hat viele der großen Themenkomplexe der SF definiert. Wir, die wir nachkommen, fügen ihnen jeweils neue Facetten hinzu, gewinnen ihnen neue Aspekte ab, die – hoffentlich – für unsere Zeit relevant sind.
Nimm den »Krieg der Welten«: Eine geradlinige Invasionsstory, die bösen Marsianer auf der einen Seite, die tapferen Menschen auf der anderen. Und jetzt nimm »Alien Earth«: Nichts ist daran geradlinig, nichts ist einfach – und (fast) nichts ist daran so, wie es auf den ersten Blick scheint. In »Alien Earth« geht es mindestens im selben Maß um uns Menschen, wie es um die Aliens geht. Und noch um andere Wesen, das will ich schon verraten …
Oh, und bevor ich es vergesse: Der Roman spielt 2065, einige Jahre nach der Ankunft des Alienschiffs.
… und was passiert dann genau? Du hast bereits erwähnt, daß es vor allem das Weltbild der Menschen verändert. Aber was passiert sonst noch? Oder machen die Außerirdischen… etwa gar nichts?
Frank Borsch: Bestimmt nicht! Sie machen eine Menge: Zum Beispiel schickt das Schiff im Orbit kleinere Schiffe aus, die an verschiedenen Orten des Sonnensystem Stützpunkte einrichten und Schürfoperationen beginnen. Die Ausbeute aus diesen Stützpunkten fließt zum Mutterschiff zurück, das stetig wächst und schließlich damit beginnt, Artefakte auszustoßen. Das sind kreuzförmige, etwa containergroße Gebilde, die in der Mehrzahl in der Nähe von Guam in den Pazifik schlagen – über dem Marianengraben, dem tiefsten Punkt der Weltmeere. Ein Konflikt – der Zonenkrieg – entbrennt über die Herrschaft über dieses Meeresgebiet. Die großen Nationen der Erde wollen die Artefakte bergen, um herauszufinden, was hinter ihnen steckt …
Oder da sind die Manifestationen: Alien-Bewußtseine nisten sich in Menschen ein. Nicht schlagartig, sondern schleichend. Wie soll man damit umgehen? Die Betroffenen festnehmen, sie vielleicht sogar töten, da sie von Aliens besessen sind? Die Betroffenen schützen und verehren, da sich in ihnen die Vorboten für eine friedlichen Austausch manifestieren?
Oder … nein, mehr will ich nicht verraten, um der Geschichte nicht den Reiz zu nehmen. Nur noch das: Eines machen die Aliens nicht – mit uns Kontakt aufnehmen.
Du erwähnst hier sehr unterschiedliche Dinge, die passieren. Aus wessen Sicht bekommen wir die Geschichte von »Alien Earth« denn erzählt? Gibt es eine Hauptfigur, oder stehen mehrere Personen im Mittelpunkt?
Frank Borsch: Ich habe die Tendenz, in meinen Romanen »von unten« zu erzählen. Meine Lieblingscharaktere sind nicht die Generäle, sondern die einfachen Soldaten, nicht die Manager, sondern die einfachen Angestellten. In »Alien Earth« ist das nicht anders. »Phase 1« begleitet einen jungen Piloten, der in Ozeanien Alien-Artefakten hinterherjagt, einer Alienjägerin, die Manifestierte zur Strecke bringt, einem ehemaligen Spitzenwissenschaftler, der einen tiefen Fall hinter sich hat … und vielen andern.
Dazu gibt es Zwischenkapitel, die ich für mich selbst »Schlaglichter« nenne: Internet-Postings, Nachrichtenmeldungen, Dokumente und ähnliches, die Einblicke in die Welt von »Alien Earth« geben.
Der Roman spielt im Jahr 2065 – wie unterscheidet sich diese Zukunft vom Jahr 2006?
Frank Borsch: Es gibt nur noch eine Weltmacht: Die USAA, die Vereinigten Staaten von Amerika und Arabien. Das Ganze basiert auf einer einfachen Formel: Die Amerikaner stellen die Militärmacht, die Araber das Öl – beides zusammen ist eine unschlagbare Kombination in einer Welt, in der die fossilen Rohstoffe unerbittlich zur Neige gehen. Die USAA ist quasi eine Ökonomie mit dauerhaft zugeschaltetem Turbolader, während die übrige Welt in einer sich beschleunigenden Abwärtsspirale aus Energiemangel und wirtschaftlicher Schwäche gefangen ist …
Demnach haben die großen technologischen Fortschritte in den USAA stattgefunden. Mit einer Ausnahme: der Biotechnologie. Die Genmanipulation ist soweit, dass beinahe nichts mehr unmöglich ist …
Kommen wir noch mal zu den Vorbildern zurück… Im Roman »Die Jahre der Aliens« von Robert Silverberg machen die Außerirdischen auch erst einmal offenbar gar nichts. War das eines Deiner Vorbilder für »Alien Earth« und welche Autoren haben Dich sonst beeinflußt?
Frank Borsch: Da mußte ich erst einmal nachschlagen. Ich habe viel Silverberg gelesen, aber »Die Jahre der Aliens« kenne ich nicht. Ich finde, die Grundidee klingt spannend, und ist der von »Alien Earth« nicht unähnlich: »Was wäre, wenn die Aliens kämen und uns einfach nicht beachteten?«
Dahinter steckt ja der Abschied von einer der ältesten Vorstellungen der SF: Der, das wir Menschen unheimlich wichtig, vielleicht sogar der Nabel des Universums sind. Einfach nicht beachtet zu werden, gibt dem Ehrgefühl einen empfindlichen Dämpfer …
Was die Vorbilder angeht: Ich habe keine direkten im Sinne von »ich will schreiben wie x oder y«. Aber es gibt eine Menge Leute, deren Werk ich sehr bewundere: Ursula LeGuin, John Varley, Philip K. Dick, Alfred Bester oder Robert Charles Wilson beispielsweise.
Was mein eigenes Schreiben angeht: Mir geht es um das »Was wäre wenn?« Was bedeutet es, zum Beispiel, wenn Aliens die Erde besuchen – für die Gesellschaft, für den Einzelnen? Das sind die Fragen, die ich mir stelle. Und die gilt es, in eine Geschichte zu gießen, die mitreißt, mit Charakteren, die überzeugen.
Die Frage mag seltsam erscheinen, aber warum sprichst Du von »Aliens« und nicht von »Außerirdischen«?
Frank Borsch: Ich glaube, »Aliens« hat sich im allgemeinen Sprachgebrauch gegen »Außerirdische« bereits durchgesetzt. In einigen Jahren werden sie die Leute wundern, dass man jemals so ungelenke und lange Begriffe wie »Außerirdische« oder »Extraterrestrier« benutzt hat.
Und das ist nur ein Beispiel für die allgemeine Richtung, mit dem im Deutschen seit einigen Jahrzehnten Begriffe geschaffen werden. Im Englischen nimmt man einfach einen bestehenden wie »Alien«, der »Fremder« oder »Ausländer« bedeutet, und erweitert ihn um die Bedeutung »Außerirdischer«. Im Deutschen könnten wir das natürlich genauso machen, aber wir tun es nicht …
Du sagst, daß rund 2/3 des ersten Romans in Deutschland spielen. Warum wählst Du ausgerechnet ein so kleines Land aus, um eine Geschichte zu erzählen, die doch die gesamte Menschheit betrifft?
Frank Borsch: Gegenfrage: wieso nicht? Das Geschehen in Alien Earth ist global. Aber ein Roman kann natürlich nicht an hundert Orten zugleich spielen, also muss man auswählen. Und da ist – im Prinzip – ein Ort so gut wieder andere. Dazu kommt: Ich bin eben Deutscher, schreibe in erster Linie für ein deutsches Publikum. Was liegt also näher, als einen Blick in die Zukunft unserer eigenen Gesellschaft zu werfen?
Das heißt aber nicht, daß Du uns die Geschichte nur aus einem deutschen Blickwinkel heraus erzählst, oder?
Frank Borsch: Nein, bewusst bestimmt nicht. Aber unbewusst natürlich. Und: Dazu kommt natürlich mein Blickwinkel als Europäer, als Vater, als Angehöriger meiner Generation, als Mann, als Mensch. Will heißen: Natürlich erzähle ich auch aus einem deutschen Blickwinkel heraus.
Ich könnte des gar nicht anders, auch wenn ich es wollte.
Warum wird eigentlich gleich eine Trilogie angekündigt? Warum nicht einfach nur ein einzelner Titel?
Frank Borsch: Das geht auf Sascha Mamczak zurück, den Lektor der SF-Reihe bei Heyne. Über die Zusammenarbeit bei den PERRY RHODAN-bei-Heyne-Taschenbüchern haben wir uns kennen- und schätzen gelernt. Und irgendwann hat Sascha angefragt, ob ich nicht Lust hätte, einen eigenständigen Roman zu schreiben … das hatte ich!
Wie es oft im Leben ist, hat das Projekt seine eigene Dynamik entfaltet – und plötzlich war aus dem Roman eine Trilogie geworden …
Es könnte also sein, daß Du – so wie jetzt Andreas Brandhorst mit seinem neuen Dreiteiler aus dem Kantaki-Universum – später noch mehr Geschichten aus diesem Kosmos erzählen wirst?
Frank Borsch: Ja, das ist möglich. Aber es ist noch viel zu früh, über so etwas nachzudenken. Jetzt schreibe ich an der Trilogie – und was danach kommt, wird sich zeigen. Gut möglich, dass sich in der Zeit so viele Ideen sammeln, dass ich auf der Stelle weitererzählen möchte. Aber ebensogut, dass ich erst einmal etwas ganz Anderes machen möchte …
Außerdem: Es muss ja nicht alles in einem Rutsch passieren. Mir fällt in dem Zusammenhang Ursula LeGuin und ihr Hainish-Universum ein. Das ist über Jahrzehnte hinweg gewachsen. Und sie hat immer nur dann daran geschrieben, wenn sie es wollte. Und ich finde, das merkt man der Qualität an.
Wo kann denn der Fan noch mehr über die Romantrilogie und Deine Arbeit daran erfahren?
Frank Borsch: Unter alienearth.de. »Phase 1« ist offiziell für Januar 2007 angekündigt. Das heißt, das Buch wird schon im Dezember in den Buchläden sein. Bis dahin sollte hoffentlich alienearth.de fertig sein, Animagic, die Agentur von Dirk Schulz, der auch die Titelbilder für die Trilogie gemacht hat, arbeitet im Augenblick daran.
Auf alienearth.de gibt es Leseproben und mehr zu »Alien Earth«. Außerdem: das Blog Alien Earth. Ich möchte den Mund, was das Blog angeht, nicht zu voll nehmen. Das Ganze ist Neuland für mich – und ich bin gespannt, was es dort alles zu entdecken geben wird, für mich und für andere. Also einfach vorbeischauen!
Quelle: Heyne-Verlag, Frank Borsch