Der Marsianer – Ein Interview mit Andy Weir

Andy Weir wurde 1972 in Kalifornien geboren und begann in San Diego ein Informatikstudium, das er jedoch nicht abgeschlossen hat. Er arbeitete im Anschluss als Softwareentwickler für Firmen wie Blizzard, Palm oder AOL. Weir hat mit dem Schreiben bereits Mitte Zwanzig begonnen und seine Arbeit laufend auf seiner Homepage veröffentlicht. Als er vor sechs Jahren sein Buch DER MARSIANER in Episodenform auf seiner Homepage online stellte, ahnte er noch nicht zu welchem Erfolg sich der Roman letztendlich entwickeln würde.

Andy_Weir

SF-FAN: Wie gefällt Ihnen der Film?

ANDY WEIR: Ich liebe ihn, aber natürlich bin ich befangen.

Denken Sie, dass Drew Goddars Drehbuch eine werkgetreue Adaption Ihres Buches ist?

Absolut! Drew mochte das Buch wie es ist und wollte so nah wie möglich am Original bleiben. Wir führten zahlreiche Telefonate während er das Drehbuch schrieb und er schickte mir seine Überarbeitung für Rückmeldungen. Manche Änderungen basieren auf meinem Feedback, andere Wünsche wiederum wurden ignoriert.

Und was halten Sie von Matt Damons Portrait von Mark Watney?

Er trifft mit seiner Darstellung den Nagel auf den Kopf; genauso habe ich mir Mark Watney vorgestellt.

Was ist mit den anderen Darstellern – stellen diese Ihre Charaktere so dar, wie Sie es sich erhofft haben?

Ich wünschte, dass der Film 6 Stunden lang sein könnte, damit alle mehr Leinwandzeit hätten, denn alle waren fantastisch.

Wie kam Ihnen die Idee zu DER MARSIANER?

Nun, ich saß herum und habe mir überlegt wie man – in der Realität – eine bemannte Marsmission realisieren könnte; genau die Art von beklopptem Zeug das ich gerne mag und es war nicht mal für eine Geschichte gedacht, denn ich spekulierte lediglich. Ich dachte: „Wie kriegt man Astronauten dorthin? Wie können wir sicherstellen, dass sie lebend ankommen und wie kriegen wir sie wieder nach Hause“. Keine Mission ist komplett ohne unvorhersehbare Zwischenfälle und wie man diese in den Griff bekommt. Was machen die Astronauten wenn Dinge brechen, wie gehen sie damit um? Schließlich wurde mir klar, dass sich daraus eine gute Geschichte ergeben würde und so schuf ich eine Figur und setzte sie all dem aus.

Wann haben Sie zu schreiben begonnen?

Ich habe 2009 begonnen und war Ende 2012 fertig.

Was waren Ihre Erwartungen zu diesem Zeitpunkt? Brachten Sie es deshalb in episodischer Form heraus, weil Sie es so schrieben oder stellten Sie das Buch fertig und entschieden erst danach es in Episoden zu veröffentlichen?

Ich veröffentlichte es bereits während ich es schrieb. Ich vermute Sie kennen die Hintergrundgeschichte dazu. DER MARSIANER war nur eines von vielen Dingen, an denen ich zu dieser Zeit gearbeitet und auf meiner Webseite veröffentlicht habe. Ich schrieb zum Spaß und arbeitete tatsächlich zeitgleich an drei Fortsetzungsromanen wovon DER MARSIANER einer war. Die andere Geschichte war über Aliens, welche die Erde attackieren und die dritte war eine Kindergeschichte über eine Meerjungfrau, die in Maine im Jahr 1846 lebt.

Haben Sie gehofft, dass man DER MARSIANER in traditioneller Buchform veröffentlichen würde und versuchten Sie das auch umzusetzen?

Sicher, ich denke jeder Schriftsteller möchte einen Verleger finden, aber das war nicht mein Ziel, als ich an dem Roman gearbeitet habe. Ich dachte es wäre etwas, dass ich auf meine Homepage geben könnte und das war’s auch schon. Ich habe weder in diese Richtung gearbeitet, noch daran gedacht, dass es überhaupt für den Mainstream verlegbar wäre, bis ich die Verkaufszahlen des E-Books gesehen habe – das ich selber vertrieben habe.

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Das heißt, die Fans waren für den Erfolg ausschlaggebend?

Absolut, die Fans waren dafür verantwortlich und es war primär Mundpropaganda. Andere Schriftsteller haben mich gefragt, wie ich es geschafft habe so viele Leser zu gewinnen, weil das normalerweise der schwierigste Teil ist, aber ich kann immer nur sagen, dass ich es nicht weiß. Ich betrieb weder Öffentlichkeitsarbeit noch Marketing, sondern stellte die Kapitel einfach auf meine Homepage. Erst als mich meine Leser baten eine Kindle-Version zu erstellen – da niemand gerne auf einer Webseite Texte liest – machte ich das. Ich legte den Preis dafür auf das Minimum von $ 0,99 fest und schickte den Leuten eine E-Mail, in der ich sie darüber informierte, dass nun eine Kindle-Version verfügbar wäre. Und das war’s, ich habe das Buch nicht vermarktet, ich habe nichts gemacht – es wurde von selbst ein Erfolg.

Wann fragte 20th Century Fox für eine Verfilmung bei Ihnen an?

Die kamen ziemlich bald. Ich habe das Buch auf Kindle gestellt und es hat sich schnell ziemlich gut verkauft und danach wurde ich von einem Agenten angesprochen, der mich vertreten wollte. Ich willigte ein und nachdem Random House wegen eines Print-Deals angefragt hatte, kam Fox wegen der Filmrechte auf uns zu. Zu diesem Zeitpunkt war der Roman noch immer lediglich ein E-Book und das alles passierte im März 2013. Die Vertragsabschlüsse für die Buch- und Filmrechte lagen nur vier Tage auseinander…

Das muss eine gute Woche gewesen sein…

A: Was für eine Woche (lacht)!

War dieser Roman einfach zu schreiben?

Ja, bei diesem war es einfach und er hat sich irgendwie von selbst geschrieben.

Wie wichtig war es für Sie, den wissenschaftlichen Teil genau hinzubekommen?

Das war mir schon wichtig und dass ich mein Leben lang ein „Space-Nerd“ war hat mir dabei geholfen, somit hatte ich mehr mehr Wissen als ein Laie, aber auch nicht viel mehr. Als ich das Buch schrieb, kannte ich niemanden aus dem Bereich der Raumfahrt und deshalb recherchierte ich hauptsächlich mit Google oder Wikipedia und führte selber mathematische Berechnungen durch.

Das heißt, Sie hatten keinen Kontakt bei der NASA dem Sie Fragen stellen konnten?

Nein, ich kannte dort niemanden.

Jetzt wo das Buch ein solcher Erfolg geworden ist, haben Sie da Ihren Beruf als Computerprogrammierer aufgegeben?

Ja, das habe ich im letzten Jahr gemacht.

Sind Sie ein disziplinierter Schriftsteller? Teilen Sie sich selber regelmäßige Stunden am Computer zu?

Nein, ich bin nicht so diszipliniert wie ich sollte (lacht). Ich versuchte mich für geregelte Zeiten einzuteilen, aber ich fand heraus, dass ich am Abend viel produktiver als am Nachmittag bin. Ich weiß auch nicht warum, aber vielleicht liegt es daran, dass ich immer am Tag gearbeitet hatte und somit nur am Abend schreiben konnte. Ich arbeite noch immer daran wie ich mit Disziplin umgehen soll, da der Wechsel vom Computerprogrammierer zum Schriftsteller doch eine ziemliche Umstellung ist. Als Programmierer hat man festgelegte Vorgaben und Ziele, man arbeitet im Team, trifft sich in täglichen Meetings und man muss sich nicht allzu viel mit der Frage nach einem Ziel auseinandersetzen, da man sein Ziel kennt. Schreiben ist das genaue Gegenteil davon, da es eine komplett unstrukturierte Angelegenheit ist und somit erforderte es eine gewisse Anpassung, da es mir ab und zu schwer fällt mich selbst zu motivieren.

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Reden wir über Mark Watney, die zentrale Figur in DER MARSIANER. Er befindet sich in einer schrecklichen Situation, ist Millionen Meilen von zu Hause auf dem Mars gestrandet und trotzdem stellt er sich der Situation mit Galgenhumor. Woher kommt das und steckt da etwas von Ihnen in seinem Charakter?

Oh ja, ganz sicher. Watney basiert auf meiner eigenen Persönlichkeit, darüber gibt es keinen Zweifel. Er ist eine Art idealisierte Variante meiner Selbst. Er ist alles was ich an mir mag und nichts was ich nicht an mir mag (lacht).  Aus erzählerischen Gründen war sein Humor notwendig, da ich dem Leser ziemlich viel Wissenschaft erkläre und ich nicht wollte, dass es wie ein Wikipedia-Eintrag klingt und daher versuchte ich das mit Scherzen aufzubrechen. Mark Watney wurde für diese Marsmission ausgewählt weil er erstens kompetent und gut in seinem Job ist und zweitens wegen seiner Persönlichkeit. Wenn man sechs Menschen über ein Jahr auf engstem Raum zusammensteckt ist der Zusammenhalt der Crew sehr wichtig und Marks Charakter mag man eben.

Aber Sie hätten auch eine andere Richtung einschlagen und seinen Charakter während des Marsaufenthaltes introspektiv anlegen können.

Ja, aber ich wollte keine tiefe, dunkle Geschichte über die Widerstände eines Mannes gegen die lähmende Einsamkeit schreiben.

Wie war ihr Gefühl als Sie erfuhren, dass Ridley Scott den Film inszenieren würde?

Es war großartig! Es ist wie eine dieser Fantasien während des Schreibens wenn man sich denkt: „Das wird ein Hollywood Film mit einem Riesenbudget und Mark Damon wird die Hauptrolle spielen und Ridley Scott Regie führen“. Es ist so, als ob all meine Träume wahr geworden wären.

Stimmt es, dass Sie nicht gerne fliegen?

Das ist wahr.

Das heißt, dass Sie das Set in Ungarn gar nicht besuchen konnten?

Nein, ich war nicht am Set. Es war in Budapest und das ist zu weit weg für mich. Ich arbeite an diesem Problem, aber es ist schwer für mich. Ich habe streckenweise einige Kurzflüge geschafft – mit Hilfe einiger Pillen (lacht). Der längste Flug, den ich bewältigen konnte war ein Vier-Stunden-Flug nach Houston, aber ich war auf Beruhigungsmittel!

Sind Sie ein Fan von Ridley Scott und wenn ja, welche sind Ihre Lieblingsfilme?

Eines der Dinge die ich an Ridleys Filmen liebe, egal ob Science-Fiction oder nicht, ist sein Faible für grandiose, ausladende Landschaftspanoramen, die einem den Eindruck von Größenordnung vermitteln. Egal wo sich der Film abspielt, es gibt immer beeindruckende Aufnahmen wie z. B. von riesigen Wüstenebenen oder auch gewaltigen Stadtlandschaften und deshalb freue ich mich schon auf solche Szenen in DER MARSIANER, die sicher ziemlich cool sein werden. Bei Ridleys Filmen ist es irgendwie seltsam, weil jeder von mir erwartet, dass ich BLADE RUNNER oder ALIEN – dich ich beide liebe – auswählen würde, aber eigentlich ist einer meiner Favoriten MATCHSTICK MEN (2003). Mir gefallen Heist-Movies (Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Heist-Movie); ich mag z. B. THE STING (1973) und eben genauso MATCHSTICK MEN.

Welche Schriftsteller haben Sie gelesen, als Sie aufgewachsen sind?

Meistens las ich etwas aus dem unerschöpflichen Baby Boomer Science-Fiction Vorrat meines Vaters. Ich wuchs mit den Sci-Fi Klassikern der 1950er und 1960er Jahre auf, wie Issac Asimov, Arthur C. Clarke, Robert A. Heinlein und vielen anderen.

Arbeiten Sie gerade an einem neuen Buch?

Ja, der neue Roman hat den vorläufigen Titel ZHEK, ist mehr Soft-SF und basiert nicht wirklich auf technischer Richtigkeit. Er beschäftigt sich mit Aliens, Überlichtgeschwindigkeit, Telephatie etc. und sollte Mitte 2016 veröffentlicht werden.

Wird sich das ausgehen?

Oh, das wird es. Ich habe die ursprüngliche Abgabefrist versäumt, aber das war für alle OK, weil die ganze Promotionarbeit für den Film so viel meiner Zeit beansprucht hat. Es wird ein langer Roman und ich bin derzeit mit Dreiviertel des ersten Entwurfs fertig.

Sie waren bei der NASA, bei der Comic-Con, Ridley Scott hat Ihren Roman verfilmt und Sie haben mit Buzz Aldrin gechattet. Das Leben hat sich für Sie verändert. Wie ist es?

Es ist großartig! Es ist überwältigend und absolut wunderbar (lacht).

 

Link zur Filmkritik: http://www.sf-fan.de/filmkritik/filmkritik-der-marsianer-rettet-mark-watney-2015-ot-the-martian.html