Rosemarie Hundertmarck (-1996)

Rosemarie Hundertmarck ist am Sonntag dem 21. April 1996 verstorben. Ohne Schmerzen zu leiden, ist sie in Folge der schweren Krankheit, mit der sie in den vergangenen Monaten zu kämpfen hatte, einem Herzschlag erlegen. Zum Zeitpunkt ihres Todes arbeitete sie an einer Übersetzung für den Heyne-Verlag.

Wer sie näher kannte, weiß, daß die Begeisterung für die Science Fiction und für das Zusammmensein mit SF-Fans sie ganz ausgefüllt hat. Daß sie trotz ihres anhaltend schlechten Gesundheitszustands Aufträge von Verlagen angenommen hat, die unter Termindruck erledigt werden mußten, hängt nicht nur mit finanziellen Erwägungen zusammen. Es war für Rosemarie undenkbar, sich von ihrem Engagement für die SF zurückzuziehen. Ein Tag vor ihrem Ableben wurde dem Vorstand vorgeschlagen, sie zum Ehrenmitglied zu machen, nachdem sie auf den 8. SF-Tagen NRW, trotz großer Erschöpfung, zwei Vorträge gehalten hatte.

Rosemarie war eine der renommiertesten Übersetzerinnen Deutschlands auf dem Gebiet der Science Fiction und Fantasy. Besonders bekannt wurde sie durch die Übertragung der Werke von Marion Zimmer Bradley und Iain Banks, sowie durch die Neuübersetzung der Foundation-Trilogie von Isaac Asimov. Auf dem Düsseldorfer SF-Treff, dem Phantastik-Stammtisch Köln und mehreren Cons hielt sie sachkundige Vorträge, in denen sie sich kritisch mit den von ihr übersetzten Autoren befaßte und auf scharfzüngige Weise hinter die Kulissen des Literaturbetriebs blicken ließ. Gelegentliche Kostproben von Gedichtübertragungen nötigten dem Publikum Respekt vor ihrem sprachlichen Können ab.

Mit Unverständnis für ihre Arbeit oder mit Diskriminierungen ihres Geschlechts hat sich Rosemarie nie abgefunden. Immer wieder warb sie in ihrer Umgebung für eine breitere Anerkennung der Science Fiction als bedeutendes Literatur-Genre der Gegenwart. Immer wieder machte sie auf die unzulängliche Darstellung weiblicher Charaktere in SF-Romanen und -Erzählungen aufmerksam. Verständnislosigkeit und Vorurteile, die ihr in ihrem Alltag entgegenschlugen, arbeitete sie in ironischen Erzählungen auf, die unter dem Titel »Alien in Orkdorf« im Fandom bekannt geworden sind. Sinnloser Streit oder das Üben von Kritik um ihrer selbst willen sind für sie immer ein Grund gewesen, kritisch Stellung zu beziehen.

Nur wer genug Zeit und Geduld aufbrachte, konnte hinter ihrer oft streitbaren Haltung die liebenswürdige Seite der Rosemarie Hundertmarck kennenlernen. In ihrer Wohnung fanden regelmäßig Treffen eines literarischen Freundeskreises statt, auf denen eigene Werke gegenseitig vorgelesen und kommentiert wurden. Stets behielt sie dabei die Förderung junger Talente im Auge und vermied es, durch pauschale Kritik zu entmutigen. Außerdem bewies sie ihren Gästen immer wieder, wie schmackhaft und sättigend vegetarisches Essen sein kann. Wenn Freundinnen oder Freunde von ihr in Schwierigkeiten waren, hielt Rosemarie auch dann zu ihnen, wenn sie mit Nachteilen zu rechnen hatte oder niemand sonst sich dies getraute. Mit unwandelbarer Loyalität gewährte sie denen, die ihr nahe standen, jene Zuneigung, die sie selbst oft vermißt hat.

Vor die Wahl zwischen einem mit Arbeit erfüllten und einem längeren Leben gestellt, traf sie eine Entscheidung, die für uns tragisch ist. Die deutsche SF-Szene verliert eine ihrer fähigsten und engagiertesten Übersetzerinnen, das Fandom verliert eine seiner sachkundigsten Förderinnen. Einige von uns verlieren eine enge Freundin.

Arno Behrend