Filmkritik: Thor (2011) – Donner und Intrigen!

Mit Thor verwandelte der Marvel-Comicvater Stan Lee erstmals eine Mythengestalt in einen Comichelden. Im Marvel-Universum ist Thor natürlich auch der nordische Donnergott und Sohn des Göttervaters Odin, aber er lebt zu Beginn der Serie in menschlicher Gestalt als einfacher Arzt Donald Blake auf der Erde mitten unter den Menschen. Erst als er bei einem Urlaub in Norwegen einen alten Stock findet und diesen dreimal auf den Boden schlägt, verwandelt er sich in den heldenhaften Thor und der einfache Holzstock in seinen berüchtigten Hammer. Nach eigenen Worten wollte Stan Lee damals einen Helden erschaffen, der stärker sei, als der Unglaubliche Hulk – und dies konnte nur ein Gott sein. »Ich dachte mir, dass die griechischen und römischen Götter jedem bestens bekannt waren, aber es Spaß machen könnte, in die alte, nordische Sagenwelt einzutauchen…Außerdem stellte ich mir diese nordischen Götter als Wikingerfiguren vor, mit langen Bärten, Helmen mit Hörnern und so… Und so wählte ich Thor aus.«

1962 erschienen dann in der Reihe »Journey to Mystery« die ersten Abenteuer von Thor. Nach 125 Heften wurde die Serie schließlich in »The Mighty Thor« umbenannt, die bis zur Onslaught-Krise, über 30 Jahre lang, erschien. Nach der »Wiedergeburt der Helden« und der Rückkehr aus einem Paralleluniversum zur Erde bekam Thor dann wieder eine eigene Serie, die mittlerweile zwar auch mehrmals umbenannt wurde, aber ununterbrochen erschien. Die Figur des Donnergottes wurde schnell sehr populär bei den Lesern, und deshalb verwundert es auch nicht, dass Thor zu den Gründungsmitgliedern der »Avengers«, der »Rächer« gehörte.

Die Gründung der Rächer, (c) Marvel



Am 28. April 2011 startet in Deutschland nun die Verfilmung von Marvels Interpretation des nordischen Donnergottes in den Kinos (Verleih: Paramount Pictures). Nachdem zuerst u.a. auch Matthew Vaughn (»Kick-Ass«, »X-Men: First Class«) als Regisseur für die Verfilmung gehandelt wurde, übernahm schließlich Kenneth Branagh (»Hamlet«, »Viel Lärm um Nichts«). Das ursprüngliche Handlungskonzept von Mark Protosevich (»I Am Legend«) wurde in Folge von J. Michael Straczynski überarbeitet, der nicht nur über zwei Jahre (2007-2009) die Thor-Comics geschrieben hatte, sondern natürlich vielen noch als Schöpfer von »Babylon 5« in Erinnerung sein sollte. Zwar setzt man mit Chris Hemsworth auf einen unbekannten Schauspieler in der Titelrolle, aber da ihm Natalie Portman, Anthony Hopkins, Rene Russo und Tom Hiddleston zur Seite stehen, geht da natürlich nichts schief.



Zum Inhalt: Die Geschichte von THOR beginnt in Asgard, dem himmlischen Reich an der Spitze des Universums, in dem sich König Odin mit schwindenden Kräften darauf vorbereitet, die Krone an seinen Sohn Thor zu übergeben. Lange Jahre hat Odin ein weitreichendes Friedensabkommen bewahren können – insbesondere mit seinem ärgsten Feind Laufey, dem Herrscher über das Eiskristall-Reich von Jotunheim. Ausgerechnet am Tage von Thors Krönungszeremonie jedoch brechen einige von Laufeys Soldaten die Regeln der Palastsicherheit. Ein gezielter Affront, den Thor mit überschäumendem Temperament und auf eigene Faust zu rächen aufbricht – fast mit katastrophalen Folgen. Zur Strafe für sein gefährliches und unreifes Verhalten wird Thor auf die Erde verbannt – oder nach Midgard, wie diese minderwertige Welt aus Odins Perspektive genannt wird. Zuvor wird Thor unter anderem seiner wichtigsten Waffe Mjolnir beraubt, jenes mythenumrankten, massiven Hammers, mit dem er sonst in Schlachten zieht und Stürme entfachen kann.
Auf der Erde fällt Thor in eine Gegend der Wüste von New Mexico, in der die Astrophysikerin Jane Foster, ihr Mentor Professor Andrews und die Praktikantin Darcy atmosphärische Störungen am Himmel untersuchen. Auch Thors Hammer schlägt, an anderer Stelle, auf der Erde ein und erzeugt ein gewaltiges Loch außerhalb des Städtchens Puente Antiguo…

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THOR (2011) PosterNatürlich liegt der Vergleich nahe, aber Brannaghs THOR könnte in dieser Form auch als Theaterstück funktionieren. Was nicht verwundert, denn J. Michael Straczynski hatte nicht unrecht, als er in einem Interview sagte, dass die Serie immer dann am besten funktionierte, wenn der Donnergott als klassische Heldengestalt in Intrigen und Dramen gefangen war, wie man sie von Shakespeare kennt. Und so muss Thor eine Entwicklung durchlaufen: als junger, heißblütiger und überheblicher Gott durch Intrigen gestürzt, muss er eine Katharsis durchlaufen, um schließlich zum verantwortungsvollen und gereiftem Helden zu werden. Dass sein Gegenspieler dabei sein eigener Bruder Loki sein würde, war klar, denn schließlich ist Loki in der Sagenwelt ein listenreicher Lügner, ein gerissener Täuscher, der Intrigen nutzt, um seine Ziele zu erreichen. Aber die Intrige ist im Film komplexer als erwartet und Loki wird uns von Brannagh eher als ambivalente Person gezeigt, nicht als plumper Bösewicht, der einfach nur Böses tun will. Tom Hiddleston ist der perfekte Loki zum strahlenden Thor Chris Hemsworth.

Es hilft sich ein wenig mit der Comicfigur beschäftigt zu haben, um zu verstehen, warum THOR nicht als so leichte Kost wie IRON MAN funktioniert. Um einen Gott als Superhelden auf Erden für das Publikum erträglich zu machen, muss er zu einem Ausgestoßenen werden, seine Kräfte erst einmal einbüßen und sogar seinen Hammer verlieren. So funktionieren die Szenen auf der Erde besser als ursprünglich gedacht, sogar überraschend gut: denn was könnte ein größerer Gegensatz zur strahlenden Schönheit von Asgard sein, als ein kleines, heruntergekommenes Kaff mitten in der Wüste von New Mexico. Was wäre ein besserer Gegensatz zur Tafel der Asen als ein amerikanisches Diner? Da dann natürlich noch SHIELD hinzukommt und im Film jede Menge Anspielungen und Gags für die Comicfans versteckt sind (natürlich haben Stan Lee und JMS einen Auftritt, Donald Blake wird erwähnt, usw), kann man jetzt ungefähr erahnen, welchen Spaß ein Kinofilm mit allen Rächern machen könnte. Tony Stark und Bruce Banner treffen auf Thor? Das wird spannend! Hoffen wir jetzt noch, dass Captain America auch einen gelungenen Start hinbekommt und auch sein Film einen eigenen Charakter entwickelt.

Kevin Feige als Produzent spricht im Übrigen schon von einem zweiten Teil – gerne! Aber bis dahin dauert es noch etwas. Aber auf eines wird man sich verlassen können (auch wenn der Satz im Film nicht fällt…): »Habt keine Sorge Sterbliche, der Donnergott wacht über Euch!«