Originaltitel: »The Children of Húrin«
Herausgegeben von Christopher Tolkien
Illustrationen von Alan Lee
Übersetzt von Hans J. Schütz und Helmut W. Pesch
Hobbit Presse, Klett-Cotta 2007
Hardcover mit Lesebändchen, Farbtafeln und eingeklebter Karte
ISBN 3-608-93603-2, 334 Seiten, 19,90 €
Die tragische Geschichte der »Kinder Húrins« dürfte Tolkien-Lesern bereits aus den Büchern »Nachrichten aus Mittelerde« und »Silmarillion« bekannt sein. Auch erschien vor einigen Jahren eine Taschenbuchausgabe bei dtv, die eine ältere und etwas kürzere Version dieser Erzählung aus dem »ersten Zeitalter« Mittelerdes enthielt. Die von Christopher Tolkien herausgegebene Neuausgabe hat dennoch ihre Berechtigung: Erstmals wird hier Material aus dem Nachlaß J. R. R. Tolkiens, das zunächst auf frühere Auswahlbände verteilt wurde, wieder zu einem geschlossenen Ganzen zusammengefügt und durch unveröffentlichtes Manuskriptmaterial ergänzt. Das Ergebnis ist kein neues oder neu entdecktes Werk, und es ist trotz aller editorischen Mühen eher ein Entwurf als ein ausgefeilter Roman. Doch kann man Christopher Tolkien zustimmen, wenn er die »Kinder Húrins« als das wichtigste erzählerische Werk seines Vaters, nach dem Abschluß des »Herrn der Ringe« bezeichnet.
Die Erzählung beginnt mit dem Schicksal Húrins, der von Morgoth gefangengehalten und gezwungen wird, hilflos mit anzusehen, wie barbarische Osterlinge sein Volk versklaven und sein Land verwüsten. Seine Frau und seine Kinder können zunächst fliehen, werden aber ebenfalls von Unglück verfolgt. Die Familie wird getrennt, und Húrins Tochter Nienor und sein Sohn Túrin wachsen auf, ohne einander je kennengelernt zu haben. Im ständigen Krieg gegen Orks und den mächtigen Drachen Glaurung, zieht Túrin den Hass und Fluch Morgoths auf sich. Er verstrickt sich in Intrigen und Mißverständnisse, bis er nach Jahren auf seine Schwester trifft, die, verzaubert durch den bösen Blick Glaurungs, ihren Namen und ihre Herkunft vergessen hat …
Obwohl »Die Kinder Húrins« auch in der endgültigen Form stellenweise – vor allem in der Mitte des Textes – karg und fragmentarisch bleibt, und Húrin und Morgoth als Beobachter des Schicksals von Túrin und Nienor dem Geschehen vielleicht eine größere Tragik verliehen hätten, ist das Buch bemerkenswert. Es ist spannend zu lesen, wie Túrin, der sich eigentlich gegen das Böse wenden sollte, ohne es zu wollen, den Willen Morgoths und seines Dieners Glaurung erfüllt. Er ist ein im klassischen Sinne tragischer Held, der Schuld auf sich lädt, ohne wirklich schuldig zu sein. Der Stil erinnert an alte Sagen und Legenden, und der Hintergrund – Mittelerde – dürfte den Lesern hinreichend vertraut sein, um diese düstere Heldensage lebendig und glaubwürdig zu machen. Es handelt sich freilich nicht um einen zweiten »Herrn der Ringe«, sondern eher um eine jener Geschichten, die sich Hobbits und Elben am Lagerfeuer erzählen.
»Die Kinder Húrins« ist ein sehr schön gestaltetes und von Alan Lee ansprechend illustriertes Buch, das Tolkien-Lesern – vor allem jenen, die mit den Geschichten des ersten Zeitalters noch keine Bekanntschaft geschlossen haben – Freude machen wird.