Bastei-Lübbe, TB 24290
Titel der Originalausgabe: »Rainbow Mars«
aus dem Amerikanischen von ?
Titelbild von Michael Whelan
August 2000, 16,90 DM, 478 Seiten
Es ehrt einen wissenschaftlich veranlagten Autoren wie Larry Niven, daß er den vielen Mars-Romanen seiner Kollegen nicht noch eine dem neusten Stand der Forschung entsprechende Kopie hinzufügt. Anstelle dessen präsentiert er eine unterhaltsame Fantasy voller Anspielungen auf die frühen Marsromane von Burrough, Heinlein und die Flash Gordon-Serials aus den dreißiger Jahren.
Um es gleich vorweg zu nehmen, Rainbow Mars setzt sich aus einem neuen Mars-Roman und fünf Kurzgeschichten zusammen. Dem Leser sei geraten, die ursprünglichen Kurzgeschichten zu erst zu lesen, da viele Elemente des späteren Romans auf ihnen aufbauen und er so am besten Nivens Intention erkennen kann. Einige der Geschichten sind schon einzeln auf Deutsch erschienen.
Alle Geschichten spielen in der fernen Zukunft, in der die Menschheit zwar über die Möglichkeit der Zeitreise verfügt, ansonsten aber fast alle Tierarten ausgerottet und seine eigene Vergangenheit vergessen hat. Der Generalsekretär Waldemar, der Zehnte, hat das Institut für Zeitforschung beauftragt, aus der Vergangenheit einzelne „Muttertiere“ zu holen, aus deren Zellen die Spezies wiederbelebt werden kann. Leider hat Waldemar die geistige Reife eines Sechsjährigen und sucht sich bestimmte Tierarten aus seinen Geschichtsbüchern (= Bilderbücher) aus, die Zeitastronaut Svetz aus der Vergangenheit in die verschmutzte Gegenwart (oder unsere Zukunft) unter Einsatz seines Lebens holt.
In den fünf Kurzgeschichten werden die einzelnen Expeditionen sehr amüsant erzählt und die Tiere ähneln nur selten den eigentlich gesuchten Objekten. Die Grenzen zwischen Realität und Phantasie verschwimmen sehr stark und insbesondere Svetz ist sich nicht sicher, ob es die Tiere überhaupt je gegeben hat. Aber kaum gefunden, schon entführt.
Der eigentliche Roman beginnt mit dem Tode Waldemar,des Zehnten. Sein Nachfolger, Waldemar der 11., steht der Sinn eher nach den Sternen, denn der Vergangenheit und kann sich mit den verschiedenen Tieren nicht anfreunden. Leider hat die Menschheit außer der Zeitreise kaum einen entscheidenden Fortschritt geschafft und insbesondere der überlichtschnelle Raumflug gehört immer noch in den Bereich der Fiktion. Hier sind allerdings die Grenzen mehr als fließend wie die Kurzgeschichten beweisen. Um den neuen Herrscher zu erfreuen und – viel wichtiger- den Etat nicht gekürzt zu bekommen, hat man eine brillante Idee. Man geht einfach tausend Jahre in der Zeit zurück und läßt dann ein Raumschiff zum nächsten Stern starten. In der Gegenwart müßte es dann das Ziel erreichen. Man gründet dann eine Kolonie, reist wieder in der Zeit zurück und sendet eine Nachricht zurück an die Erde, daß alles geklappt hat. Leider wiegt die Zeitmaschine nur knappe 4 Millionen Tonnen… Also übt man am Mars. Es gab anscheinend früher Leben auf dem roten Planeten. Die in die Vergangenheit geschickten Sonden bestätigen die Vermutung, allerdings findet man einen gewaltigen Urbaum, der bis ins All reicht. Svek und eine Assistentin reisen zurück, um einen Außerirdischen zurückzubringen, einen Samen vom Urbaum zu pflücken und festzustellen, warum das Leben auf dem roten Planeten ausgestorben ist. Leider beginnen hier die eigentlichen Schwierigkeiten, denn man findet fünf verschiedene Rassen, die sich untereinander bekriegen, die Wurzel des Urbaum löst sich und er droht ins All abzugleiten und Samen findet man auch keinen…
Insgesamt erzählt uns Larry Niven diese unglaubliche Geschichte sehr routiniert, mit einem gehörigen Schuß Humor und ein klein bißchen Ironie. Der Leser kann sich zurücklehnen und die Geschichte auf sich wirken lassen. Besonders die Stories zeigen einem auf, wie ernst es Larry Niven mit dem Ganzen nimmt und so muß es auch der Leser erkennen. Im Gegensatz zu den frühen technokratisch orientierten Romanen wie RINGWORLD verzichtet Niven hier gänzlich auf eine glaubwürdige Technik. Er kehrt das alte Konzept um und stellt es auf den Kopf. Hier wächst das „Wunder“ scheinbar auf natürliche Weise und wurde nicht von einer längst verschollenen Rasse geschaffen und im All zurückgelassen. Auch richten die Menschen mehr Schaden an als es die Mission eigentlich erlaubt. Auf die verschiedenen Komplikationen, die sich mit der Zeitreise und – paradoxen ergeben, verzichtet Larry Niven gänzlich und zerbricht sich weder seinen Kopf noch muß sich der Leser anstrengen. Auf der anderen Seite wirkt der Roman stellenweise zu leicht, man findet sehr schlecht Bezug zu den verschiedenen Figuren (erster Sex bei der Zeitreise), die kaum mehr als Karikaturen richtiger Menschen sind. Natürlich schmunzelt man stellenweise, aber selten wird herzhaft gelacht. Nostalgisch sind die vielen Bezüge auf klassische Science Fiction-Romane, unterstrichen durch die einleitenden Kapitelzitate. Nette Geschichten, nett erzählt für sehr viele nette Stunden. Alles einfach richtig nett.