Norman Spinrad – Die Transformation

Die Transformation

Wilhelm Heyne Verlag, TB 06/6149
Originalausgabe
Titel des Manuskripts: »He walked among us«
aus dem Amerikanischen von Horst Pukallus
Titelbild von Jürgen Rogner
Mai 2002, 14,95 €, 1116 Seiten

Das Opus Magnum eines der bedeutendsten SF-Autoren der Gegenwart mit englischem Titel als deutsche Originalausgabe? Kein amerikanischer Verlag genannt und das Coypright liegt beim Autoren? Spätestens hier weiß man, daß dieses Buch, neben der literarischen Qualität, auch noch eine andere Geschichte haben muß.

Norman Spinrad wohnt seit vielen Jahren mit der Science Fiction-Autorin N.Lee Wood in Paris und sein großer Roman »Russischer Frühling« spielt überwiegend in Europa. Über viele Jahre hinweg sind seine Romane im amerikanischen Bantam Verlag erschienen. Anfang der neunziger Jahre schrieb er seine zweite brillante Abrechnung nach »Champion Jack Barron« mit den amerikanischen Medien: »Bilder um 11«. Spinrad wollte, daß das Buch außerhalb der Science Fiction-Reihe in einer Hardcoverausgabe – wie es auch vertraglich zugesichert war – erscheint. Der Verlag weigerte sich zuerst, bis Spinrad drohte, bei einer andersartigen Veröffentlichung die großen Buchvertriebe persönlich anzusprechen, daß sie seinen Roman nicht so ausliefern sollen. Nun, das wäre Spinrards literarischer Tod gewesen, aber Bantam gab klein bei und veröffentlichte das Buch als Hardcoverausgabe ohne viel Reklame. Nachdem dieser Streit beigelegt worden ist, reichte er bei Bantam ein Expose für »He walked among us« ein und erhielt einen entsprechenden Vorschuß. Anscheinend innerlich so vom Kampf ausgezerrt, wollte Spinrad nicht, daß Bantam am Abschluß der Arbeit sein Buch veröffentlicht und – wie vielleicht vorherbestimmt – wollte der Verlag schließlich auch nicht mehr. Man einigte sich zu erst auf eine Rückzahlung des Vorschusses durch den Verkauf der amerikanischen Buchrechte an einen anderen Verlag. In letzter Minute verschärfte Bantam seine Forderungen und möchte nun auch aus den Tantiemen von Spinrads nächstem Roman befriedigt werden. Damit liegt »He walked among us« endgültig für den amerikanischen Markt auf Eis, denn Spinrad selbst braucht die entsprechenden Gelder aus »House of Glas« zum Leben und ist auch nicht gewillt, diese Forderung zu akzeptieren, geschweige denn zu erfüllen.

»Die Transformation«, wie das Buch in Bezug auf einen von Dexter D. Lampkin geschriebenen Science Fiction-Roman heißt, ist nicht leicht zu beurteilen. Spinrad haßt das Fandom und die fanatischen Science Fiction-Fans (das schlimmste, was der Science Fiction widerfahren ist, ist das Fandom), auf der anderen Seite kommen insbesondere in den Staaten viele seiner Leser aus der Science Fiction-Szene. Den literarischen Durchbruch/Ausbruch hat er nie geschafft und das kann nicht nur mit der Blindheit seiner Verleger in Zusammenhang stehen, dazu ist seine literarisches Schaffen zu unterschiedlich. Natürlich macht es Spaß, die vielen Seitenhiebe auf die extremen Fans zu lesen (Harlan Ellison und Norman Spinrad treten natürlich auch in dem Buch auf) und zum Teil mit boshaftem Zungenschlag die Abrechnung mit Conorganisatoren, Fanzineherausgebern und den Weltfremden live und in Farbe zu erleben. Auf der anderen Seite stammen manche Leser aus dem Fandom und helfen mit ihren unendgeldlichen Unterstützung vielen Büchern und somit auch den Autoren. Und Spinrad selbst hat auch für Serien wie STAR TREK geschrieben, deren Fans insbesondere als Vorbild für die »Ralfs Welt«-Anhänger dienten. Schlage nie die Hand, die Dich füttert, Mr. Spinrad!

Die andere Seite von »Die Transformation« (ein Titel, der der Absicht Spinrads widerspricht, denn es wird nichts verändert, die Menschen bleiben gleich, einige werden reicher oder geiler oder blöder, andere finden ihre Erfüllung in einer neuen Aufgabe, doch eine wörtliche Übersetzung von »He walked among us« läßt dem Leser viel mehr Spielraum sich seine eigenen Gedanken über den Fremden Ralf zu machen) ist der schräge Komiker Ralf, der in einem kleinen Nachtclub auftritt und dort von einem notgeilen Produzenten und Agenten entdeckt wird, der eigentlich nur eine kleine Maus vernaschen wollte. Unschlüssig, ob Ralf verrückt ist oder wirklich aus der Zukunft stammt und tatsächlich von seinem Manager in die falsche Zeit versetzt worden ist, nimmt er sich ihm an und nach einigen weiteren Liveauftritten bekommt Ralf einer kleine Show im Mitternachtsprogramm. Als der schlechten Stand Up-Komödie die Axt droht, wird mit Hilfe von Lampkin das einzigartige STAR TREK-Rettungsprogramm angeworfen und ein Ralf-Fandom mit einem großen RalfCon in New York aus dem Hut gezaubert. Auf einer anderen, viel zu ausführlichen Ebene, wird der unaufhaltsame Abstieg der Tochter einer Prostituierten in das Crackmilieu, auf die Straße und schließlich in die Gosse geschildert.

Nach Abschluß der Lektüre stellt sich zu erst eine Frage: Ist das das Opus Magnum, von dem der Klappentext spricht? Nein, auf gar keinen Fall. »Bilder um 11« und »Champion Jack Barron« bleiben die mit Abstand besten Romane Spinrads, sein zugänglichster und im tiefsten Herzen optimistischster ist »Russischer Frühling«, in dessen Verlauf er sich in Europa und insbesondere Paris verliebt hat.

»Die Transformation« ist auch kein schlechter Roman. Spinrad erzählt mit viel Routine, aber liebenswerten Details seine Erfahrungen mit dem Fandom, dem Dschungel des Verlagswesen und setzt sich damit auseinander, ein Science Fiction-Autor zu sein, der in erster Linie mit einem einzigen Werk identifiziert wird. Lampkin ist kein Provokateur, sondern über weite Strecken ein müder, desillusionierter Autor, der erst spät wieder seine innere Stimme findet – kein Vergleich zu Spinrad, der mit zunehmendem Alter immer lauter und aggressiver seine Meinung vertritt und sich nicht scheut, seine eigene Karriere zu vernichten, um »Gerechtigkeit« zu erhalten.

Im Gegensatz zu »Russischer Frühling« mit seinen fast tausend Seiten ist »Die Transformation« zu lang geworden. Viele Nebenhandlungen stören nur den Fluß der Abläufe und außer den Hauptfiguren fehlt jegliche Identifikation mit den handelnden Protagonisten in den kleinen Randgeschichten (ein typisches Beispiel der Niedergang Lottis, der zwar tragisch ist, aber dem Leser keine neuen Erkenntnisse bringt und einfach nur klischeehaft wirkt, mit einem tüchtigen Schuß Verarschung am Ende).

Ist »Die Transformation« lesenswert? Im Gegensatz zu dem ganzen Schrott, den viele Verlage als Science Fiction herausbringen, ist dieser Roman empfehlenswert. Lampkin beklagt sich im Laufe des Buches mehrmals, daß er nie mit seinem großen Roman an die Popularität und Auflagen von »Dune« und »Stranger in a strange land« herangekommen ist, und das wird Spinrads »Die Transformation« auch nicht schaffen (auch wenn er stellenweise besonders den Heinlein-Klassiker und Walter Trevis »The Man who fell to earth« als deutliches Vorbild genommen hat), aber lesenswert ist das Buch für Fans (und die werden sich über die vielen Anspielungen besser amüsieren können als die breite Leserschicht, die Spinrad mit seinen letzten Büchern immer gesucht hat) eher als den Bahnhofskioskgelegenheitskäufer.