William Gibson – Quellcode

Quellcode

OT: »Spook Country«
Übersetzt von Stefanie Schaeffler
Roman, Klett-Cotta 2008
448 Seiten, 24,90 €
ISBN 978-3-608-93769-5

William Gibson, der gerade seinen 60. Geburtstag feierte, hat wie kein anderer Autor die Sprache, den Stil, die Themen und das Image der modernen Science Fiction verändert. Darüber hinaus hatten seine frühen, in den 1980ern noch auf einer klapprigen Schreibmaschine geschriebenen Romane einen unglaublichen Einfluß auf unsere damaligen Vorstellungen, wie die Zukunft – das 21. Jahrhundert – aussehen und sich anfühlen würde. Wenn man Gibsons letzten Roman »Mustererkennung« in die Hand nimmt, möchte man fast glauben, in unserer Gegenwart gehe es zu wie in einem Buch von Gibson. In »Mustererkennung« ging es u. a. um Kunst und um die letzten Freiräume unserer Kultur, in denen Kunst nicht mit Kommerz verknüpft ist. Die Handlung drehte sich um eine Marketingspezialistin, die den geheimnisvollen Schöpfer eines Filmkunstwerkes sucht, das im Internet Kultstatus erlangt hat. Auch in dem neuen Roman »Quellcode« spielt Kunst eine Rolle: Die Journalistin Hollis soll einen Artikel über »Locative Art« schreiben – Virtuelle Installationen, die Vergangenheit an bestimmten Orten in L.A. rekonstruieren, so daß man zum Beispiel die Leiche von River Phoenix vor einer Bar liegen sehen kann. Der Auftrag ist jedoch nur ein Vorwand, um mit der auf GPS basierenden Technologie der »Locative Art« einen bestimmten Schiffscontainer der US-Regierung aufzuspüren, der bis zum Rand mit Dollars gefüllt ist. Hinter diesem Container sind natürlich noch andere zwielichtige Gestalten her: Geheimdienstleute, Exilkubaner, Ganoven.

Was in der kurzen Zusammenfassung nach spannendem Politthriller klingt, ist – wie auch schon »Mustererkennung« – eher eine Art Wunderkammer, die mit den sonderbaren Nebeneffekten unserer Technologie- und Mediengesellschaft gefüllt ist: Gibson schreibt über iPods, Handys, GPS, Codes und was man alles damit anstellen kann, wenn man ein bißchen Phantasie hat – zum Beispiel mit Hilfe von Satellitennavigation nie zweimal auf der selben Stelle schlafen. Solcherlei Einfälle machen das Buch für Gibson-Fans lesenswert, doch tritt die Handlung oft auf der Stelle und die Darstellung der Romanfiguren bleibt leb- und lieblos. Vergleicht man »Quellcode« etwa mit Cory Doctorows »Upload« – ein Roman, der Gibson viel zu verdanken hat – wird deutlich, daß man mit solchen Themen auch anders, nämlich mit Humor umgehen kann. William Gibson beschreibt die Gegenwart als kalten, unbequemen Ort, in dem politische und egoistische Motive austauschbar geworden sind und die Frage nach der Moral nicht gestellt wird. Doctorow wagt es, moralische Fragen zu stellen, und liefert so das interessantere Buch.

Fazit: »Quellcode« ist nicht unbedingt Gibsons bester Roman, aber für Fans dieses Autors dennoch lesenswert!