Ulrich Bettermanns Bericht
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Florian Breitsameters Bericht |
NRW ist keine Abkürzung für »Niedriges Rhein-Wasser« und auch nicht für »Nur rein weiblich« oder »Nicht Rainer wecken«, sondern bezeichnet ein abgelegenes Bundesland mit einem so obskuren Namen, daß die Einwohner lieber die Abkürzung dafür verwenden. Es ist also nicht so wie mit »Sci-Fi«, welches Fans benutzen, weil sie zu blöd (oder noch nicht alt genug) sind »Science Fiction« auszusprechen.
Aber ich komme von Thema ab, ohne auch nur damit angefangen zu haben. Genau das passierte dem »Orgacom« (so nach der »Dritten Grundregel für die Ausrichtung von SF-Cons« benannt, welche lautet: »Wichtige Worte werden ausschließlich abgekürzt und nie erläutert!«) mit dem zweiten und letzten »Progress Report«. Dies war das Heftchen, welches den vorangemeldeten Teilnahmekandidaten mehr oder minder kurz vor dem Ereignis zugeschickt wurde. Darin fand sich nämlich bedauerlicherweise nicht ein einziger grober Hinweis, um welche Uhrzeit der Con denn nun beginnen sollte. Immerhin war der Tag bekannt. Gemäß der ersten Grundregel (»Lege Dich nie auf etwas fest«) gab es in diesem Heftchen freilich auch kein genaues Programmschema, sondern nur vage Ankündigungen und Allgemeinplätze, in welchen die Ehrengäste Stephen Baxter und Ian McDonald sogar fast vollkommen verloren gingen. Dafür enthielt der Report einen kaum leserlichen Stadtplanausschnitt. Ich denke mal, in diesem Bereich müssen die Macher noch üben. Gelegenheit haben sie ja, denn der Wahnsinn (im positiven Sinn) geht im HCC in Serie. Eine überraschende Klasse bewies das am Eingang bei der Anmeldung ausgegebene »Programmheft«, ein 116 Seiten starkes Werk mit detaillierten Angaben zu fast jedem Programmpunkt und einigen tollen Stories. Die Reproduktion der Fotos ist in diesem Heft allerdings dermaßen mißglückt, daß man es besser nicht seinen Freunden daheim zeigt – es könnte bei ihnen der Eindruck entstehen, der Con sei genauso billig zusammengepfuscht gewesen. War er nämlich nicht. Der Con selbst lief nämlich erstaunlich glatt ab. Es störte kaum, daß Johannes von Buttlar krankheitsbedingt fehlte (mich schon gar nicht, ich kann diesen Pseudowissenschaftler eh nicht ab, hätte aber gern gesehen, wie er sich mal wieder lächerlich macht). Aus der Ruhe bringen ließ sich das Con-Team von der Absage schon gar nicht. Die professionelle Organisation sorgte für eingehaltene Termine und klare Strukturen – führte aber schon Mal dazu, daß den Vortragenden die Mikrofone vor der Nase abgebaut wurden, obwohl sie gerne noch etwas gesagt hätten. Klaus N. Frick mußte so zum Beispiel einmal erregt durch den Amphisaal brüllen, um auch dem letzten Techno-geschädigten Hörsturzpatienten die neuesten Errungenschaften von VPM mitzuteilen. Dabei war, wie er später wohl selbst feststellte, die Akustik des Saales so gut, daß man ihn auch ohne Mikro überall passabel verstehen konnte. Aber ich will nicht auf kleinen Fehlerchen herumhacken, sondern anerkennend und mit ehrlicher Freunde verkünden, daß der Con prima gelaufen ist, Spaß machte und… ja, ich glaube das reicht vorerst an Lob, sonst drehen die Macher noch ganz ab. Wer sich an dieser Stelle noch immer fragt, was denn nun eigentlich los war (und was überhaupt ein »Con« ist) sei auf einen kommenden ausführlichen Bericht verwiesen (welcher entweder in ANDROMEDA oder BONSAI erscheint, mal sehen, wer auf Dauer netter zu mir ist ). Hier kann ich platzbedingt nur knapp auf die einzelnen Attraktionen eingehen. Man kann ja auch nicht überall sein. Immerhin hatten die Veranstalter die meiste Zeit über drei parallel laufende Programmschienen anzubieten. Der Veranstaltungsort war der Stahl-Beton-Glas-Bau »Harenberg-City-Center« (HCC), ein 70 Meter hoher Klotz mit einer angeflaschten Fünf-Etagen-Halle und einem »Tortenstück« genannten Gebäudeteil. Komma, Punkt, Strich – würde ich sagen. Gleich nebenan war der Hauptbahnhof und so war die Anreise per Bahn sicher die angenehmste Art zum Con zu kommen. Am faszinierendsten für SF-Fans waren (wie immer auf Cons) die Fahrstühle. Diese waren nämlich außen am »Turmteil« angebracht. Mit 2,5 Metern in der Sekunde schoß man aus dem schon beeindruckend hohen Mittelteil des Centers heraus bis zum 18 Stock, von wo aus eine (schwindel)erregende Aussicht über Dortmund möglich war. Ganz oben befand sich auch die einzige echte Sitzgelegenheit des Cons – edle Ledersofas und Degignersessel luden dazu ein… die Leute die dort die Plätze belegten wegzuschicken. Übrigens ging es in derselben Turbo-Geschwindkeit mit dem Lift auch wieder runter, was einem einen kleinen Eindruck von Bungee-Jumping vermittelte. Um es kurz zu machen: Der Austragungsort der SF-Tage „hatte was“. Er war „edel“, nobel und gar nicht so unpassend. Die Technik und Ausstattung waren absolute Spitzenklasse, der Service vom Centerpersonal zuvorkommend und auf unaufdringliche Weise zurückhaltend – das Conkommitee blieb (zumindest in der Fan-Öffentlichkeit) gelassen und verbreitete kaum Hektik, war stets präsent und erlaubte sich nur in Details Schwächen. Ein wenig mehr Gemütlichkeit, und ich wäre noch zufriedener. |
Das Harenberg City-Center bei Sonnenuntergang (hier sieht man allerdings nur die Spitze…)
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Ein Problem war zum Beispiel die unglückliche Plazierung des SFCD-Standes unter einer abgelegenen Treppe, von der aus SFCD-Kontaktbeamtin Birgit Fischer ständig Unrat auf die herausgewachsene Dauerwelle regnete. Später wurde der Tisch zwar ein wenig verschoben, aber es mußte schon der Pappaufsteller mit den drei lebensgroßen Apollo 13-Astronauten dazugestellt werden, damit in der abgelegenen Ecke wenigstens der Anschein von Betrieb aufkam. Aber wir greifen vor… | Der SFCD bleibt fast unsichtbar unter einer Treppe… (Foto: Ulrich Bettermann) |
Man bastelt an der Internetverbindung – scheitert aber letzlich an den Unzulänglichkeiten von Compuserve (Foto: Ulrich Bettermann)
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Freitagabend konnte man zusehen, wie sich Chaos in Ordnung verwandelte. Verkaufsstände wuchsen aus dem Boden und bei der PRFZ versuchten Oliver Reiff und Matthias Schnurer (die beiden Macher der Perry Rhodan Homepage) mehr oder weniger verzweifelt mittels Compuserve einen ersten Lagebericht auf der Homepage zu plazieren. Ich versuchte zu helfen, aber irgendwann war klar, daß es sooo nicht gehen konnte. Also verabschiedete man sich von den Plänen eines Live-Conberichtes im Netz und genoß lieber den Con (was sicher erholsamer für die beiden war).
Reinhard Rauscher fuhr einen Bananenkarton nach dem anderen herein und füllte seine Regale… nur gestört durch ein paar Leseratten und Buchsammler, die sich sofort auf jeden neuen Karton stürzten. Zusammen mit Petra Kufner (die wie ich Dank Norbert Reichinger im Burgschmiet-Verlag-Dienstauto angereist war), Peter Fleissner und Michael Falkenstein ging ich auf die Jagd und machte reiche Beute, fand ich doch einige langgesuchte Bücher. Samstags ging diese Jagd an anderen Ständen weiter (insgesamt kam ich mit 55 Büchern im Gepäck zurück), denn gegenüber wurden Taschenbücher sogar für 70 Pfennig das Stück gehandelt. Unser Garderobenschrank füllte sich so bis zum Sonntag fast bis oben hin… Doch ich greife vor. Freitagabend fand eine Art VorCon im „Space Indians“ statt, daß sich vor allem dadurch auszeichnete, daß man hier recht gut und billig essen konnte. Um 21 Uhr hatte auch endlich die Mehrzahl der Fans den Weg gefunden und es kam etwas Leben in die Bude (die auch den Vorteil hatte einigermaßen geräumig zu sein). Andreas Eschbach (der designierte Gewinner des Kurd Laßwitz Preises) wurde auch noch an unseren Tisch gelotst und bald unterhielt man sich prächtig über Bücher (»Bücher müßen gut behandelt werden!«), Babylon 5 und vieles mehr. Der amüsante Abend endete damit, daß wir (oder besser gesagt Christine Theus als Fahrerin) Andreas Eschbach noch in sein Hotel brachten und uns dann die Zimmer in Peter Herfurths Wohnung aufteilten. |
Frühstück bei Peter Herfurth (Foto: Ulrich Bettermann) |
Samstagmorgen läutete der Wecker relativ früh und noch bevor wir (Pezi, Christine, Peter Fleissner und ich) zum Frühstück schreiten konnten, traf Ulrich Bettermann ein. Leider nicht allein. Aber seine Chauffeure vom PVC hatten bald ein Einsehen und so konnten wir in aller Ruhe frühstücken und uns gedanklich auf das Bevorstehende vorbereiten. |
Ich wollte noch etwas zum Programm sagen. Der runde Amphi-Saal mit seiner brillianten Akustik war für das Hauptprogramm reserviert. Hier fanden die „Ceremonies“ statt, die Interviews und diverse Vorträge. Da ich die Eröffnungsfeier in der „Kantine“ (in der es gute und preiswerte Gerichte gab – allerdings machten die Getränkepreise dies mehr als nur wett!) verbrachte, kann ich nicht viel dazu sagen (frei nach dem Denkena-Denkspruch „Bettermann ist überall da, wo nichts los ist„). Ich nehme einfach mal an, daß der Con halt feierlich eröffnet wurde. | Der Amphi-Saal |
Wolfgang Hohlbein – der Gigant in den Augen vieler Leser
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Ich verließ die Kantine (die sich im 5. Stock befand und billiges Essen und etwas teurere Getränke anbot) rechtzeitig und konnte mir auch einen Platz im Amphi-Saal (der auch wie ein Amphi-Theater gebaut ist – d.h. die Bühne befindet sich ganz unten) sichern.
Unter Stroboskoplicht und mit wallendem Nebel stolperte Arno Behrend alias H.G. Wells im Frack zum Rednerpult und berichtete darüber, daß er in einem „Museum für primitive Kunst“ den Progress Report des Cons gefunden hätte und deshalb angereist wäre. Sichtlich bedauerte das Fehlen von Johannes von Butlar, denn gerne hätte er ihm erzählt, daß Butlar „von UFOs ins 21. Jahrhundert entführt werden würde!„. Kurz stellte er die einzelnen Ehrengäste vor („Wie ist ihr Name? Hohlbein? Nein, von ihnen habe ich in der Zukunft nichts gehört…„) bevor diese dann selbst ans Rednerpult traten. Wolfgang Hohlbein, ein eher unscheinbares und schlankes Männlein, erzählte davon, daß er in seiner Jugend gerne Karl May, aber auch Perry Rhodan las, und sich überhaupt für das „Phantastische“ begeisterte. Als er den MönchCon (Festival der Fantastik) 1982 besuchte, träumte er davon „auch einmal da oben auf der Bühne zu stehen. Nun gut, jetzt stehe ich hier unten…„. Ian McDonald, der so aussah, als hätte man in direkt aus seinem Heimatpub hergebeamt, teilte das Publikum mit wenígen Worten in drei Teile, die auf sein Kommando hin johlen, pfeifen oder klatschen sollten – und im so die „beste Begrüssung die er je hatte“ verschafften. Stephen Baxter (nur echt mit Mütze!) erzählte von seinem Besuch der SF-Tage im letzten Jahr, der auf einen Tag beschränkt bleiben mußte, da alle Düsseldorfer Hotels voller »Shoemakers« gewesen wären. Kurz und gut – es fiel alles recht amüsant und kurzweilig aus und dem Publikum gefiel es!
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Die Veranstalter sind froh, daß es überstanden ist… (Foto: Ulrich Bettermann)
Fazit
Laut den Veranstaltern wurde bis zum Sonntagabend eine Zahl von knapp 1000 (genau wohl 980) zahlenden (!) Besuchern erreicht, dazu sind noch rund 200-300 Besucher der Verkaufsbörse zu zählen, die keinen Eintritt zahlen mußten.
Ich gebe es zu – obwohl ich von Beginn an große Erwartungen in das Konzept und die Veranstalter setzte, hatte ich einen solchen großen Erfolg nicht erwartet. Immerhin ist damit der FreuCon 1992 übertroffen, was aber wohl auch daran liegt, daß man im Ruhrgebiet halt auch einfach mehr Laufkundschaft hat, als Mitten im Schwarzwald.
Dank des großen Erfolges, der das Verdienst des Organisationskomitees ist (es waren quasi keine Pannen zu bemerken und auch keine entnervten Veranstalter), wurde, wie man hören konnte, mittlerweile für das nächste Jahr vom Bastei-Lübbe Verlag und Pro 7 eine Sponsorenschaft angekündigt.
Sollte es damit endlich der deutschen SF-Szene gelungen sein auch einmal auf sich aufmerksam zu machen? Ist damit der erste Schritt geschafft, einen großen deutschen Con aufzuziehen, der sich NICHT nur mit Star Trek und Perry Rhodan, sondern vor allem mit der literarischen SF beschäftigt? Ich hoffe es und wünsche dem Conkomitee viel Erfolg für das nächste Jahr und die 10. SF-Tage (Termin: 21./22. März 1998)!
Im Programmheft findet man übrigens bereits die Gästeliste des nächsten Jahres. So werden neben Alan Dean Foster, David Feintuch und Mark Brandis auch Erich von Däniken und Christopher Franke anwesend sein und thematisch wird man sich dann (so wollen es jedenfalls die Planungen) mit den Themen »Interstellarer Sex« und »Soziologie in der Science Fiction« befassen. Ich freue mich schon jetzt darauf…
Was noch auffiel – diejenigen, die versuchten den Con im Vorfeld eher ins schlechte Licht zu rücken (und den Veranstaltern Größenwahn vorwarfen…), wurden während des ganzen Wochenendes nicht gesichtet. Komisch, nicht wahr?
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