Ein Kumpel meinte zu mir letztens: »2001 ist eine Komödie«. Es war nach der Vorführung und es war gut 15 Jahre her, seit ich die »Odyssee« zum ersten Mal gesehen hatte. Natürlich wehrte ich mich gegen diesen Satz meines Begleiters, gibt es doch in diesem Film so gut wie keinen Humor. Oder etwa doch? Warum habe ich diesmal so oft geschmunzelt und mich über das Gerede der Figuren amüsiert? Die Phrasenhaftigkeit soll doch nur zeigen, wie unzureichend die Sprache gegenüber dem durch Bilder und Musik vermittelten Geheimnis‘ des Monolithen ist. Und Kubrick wollte dies ganz gewiss nicht zerreden, »2001« sollte ja eine filmische Vision sein.
Und doch, der Gedanke begann in mir zu arbeiten. Wesentlicher Bestandteil einer Komödie ist der gute Ausgang, und den gibt es doch oder? Der Mensch hat es geschafft, trotz vieler Schwierigkeiten und Gefahren. Zuletzt mußte er mit HAL 9000 kämpfen, der sich selbst als überlegen ansah und die Menschen auf dieser Mission für entbehrlich. Die Geburt eines kosmischen Menschen konnte der Widersacher nicht verhindern, der Mensch hat eine höhere Stufe der Evolution erreicht. So interpretiere ich jedenfalls das Ende, auch wenn es ambivalent ist, aber das gibt es auch in anderen Komödien wie beispielsweise »Amphytrion« von Heinrich von Kleist
Auch in der »Göttlichen Komödie« von Dante haben die Menschen nichts zu lachen, müssen sie doch erst die Hölle kennen lernen um erlöst zu werden. Letztendlich sind sich Gott und Dante sicher, daß der Mensch Erlösung finden wird, und so kann der auf sein nichtiges Streben und seine Sünden versöhnlich zurückschauen, und über sich selbst lachen. Er ist nun bei Gott.
Stichwort Hölle, englisch »hell«, das klingt ja wie der Name des Computers! Ein Zufall? Ja, aber warum leuchtet HALs Kamera-Auge auf, als ob in ihm eine helle Glut lodern würde – und warum ist sein Inneres feuerrot?
Der gute Schluß wirkt auch bei der Wahrnehmung von »2001« auf den ganzen Film zurück. Man blickt am Ende überwältigt, und das kosmische Menschenkind flößt einem so etwas wie Ehrfurcht ein. Seine gottähnliche Überlegenheit ist spürbar. Und dieses kosmische Wesen blickt den Menschen an, schaut zurück auf seine Herkunft, in die Vergangenheit hinein.
Aber dieser kühle, überlegene Blick ist auch die Perspektive des Films. Kubricks (und Clarkes, wie man hinzufügen muß) gleichmütiger Blick auf das Geschehen, der es auch schwer macht, diesen Film zu mögen und eine emotionale Beziehung aufzubauen. (Die Menschen sind austauschbar; man muß sich nur die Darsteller von Bowman und Poole anschauen, die sich fast wie Zwillinge ähneln.)
Wenn sich die (amerikanischen) Forscher aufmachen, die Geheimnisse des Universums zu entschlüsseln, wirken ihre Bemühungen und Regungen banal – und ja, auch komisch. Die Konferenz auf Clavius, die wichtigtuerisch wirkt angesichts des Nichtwissens. Auf der Fahrt zur Ausgrabungsstelle gestehen sie einander ihre Ahnungslosigkeit und halten sich stattdessen an Sandwiches und Kaffee. Und als sie beim Monolithen angekommen sind, müssen sie sich zum Gruppenfoto vor dem Monolithen aufstellen, wie vor einer touristischen Sehenswürdigkeit oder schlimmer noch: wie vor einer Trophäe. Wen wundert’s, daß der Monolith hier einschreitet und die Menschen mit diesem schrecklichen Ton, den auch der Filmschauer hört, »straft«. Und gegenüber der Wichtigkeit der Mission der »Discovery« und der Grenzenlosigkeit des Alls wirken die Geburtstagsgrüße der Eltern von Poole von der Erde ein wenig peinlich und deplaziert.
Die Schönheit und Leichtigkeit der Raumfahrt, die hier geradezu zelebriert wird, ist das Kontrastprogramm zu dieser Banalität. Sie scheint allem Irdischen entrückt. Doch dieses positive Bild verschiebt sich, als auf der Jupiterexpedition der Alltag im All gezeigt wird. Die technische Wartung des Raumschiffes und die Erhaltung körperlicher Funktionen stehen auf dem Programm. Von der Erhabenheit der Raumfahrt ist nichts mehr zu spüren.
Unterwegs sind eine emotionsarme Crew und ein so menschlich wirkender Computer. Diese Darstellung ist an sich schon eine Aussage über die technisch-wissenschaftliche Zivilisation. Innerhalb einer technischen Umgebung gleicht sich der Mensch der Umgebung an, und die Technik wird in Form des Computers immer menschlicher. Doch der wird zu menschlich. Seine angenommene Unfehlbarkeit, seine falsche »Göttlichkeit« führt zur ultimativen Gefährdung der Expedition. Dies kann man auch als pessimistische Einschätzung des Fortgangs der technischen Zivilisation interpretieren. Die Technik kann dem Mensch das Heil nicht bringen, das Gegenteil ist der Fall. Aber auch der Mensch kann sich nicht selbst auf seiner Entwicklung voranbringen, sondern letztendlich ist es der Monolith.
Die Sehnsucht, endlich im so abweisenden Kosmos als eines seiner Geschöpfe zu leben, für das Leben in der Welt geschaffen zu sein, und allen Kampf mit ihr und die Banalität der Bedürfnisse hinter sich zu lassen, durchzieht den ganzen Film. Die Halbwüste, in der die Vormenschen leben, und in der sie nur mit Hilfe der Technik überleben können, wird später zum licht- und luftlosen Weltall, zur leeren Mondoberfläche. Diese Landschaften wirken grandios, doch ihre Schönheit ist abweisend.
Auch das Innere der orbitalen Raumstation wirkt steril. Natur (in Form von Pflanzen) sieht man dort nicht. Die Welt ist im Grunde menschenfeindlich und gleichgültig, suggerieren diese Bilder. Eine pessimistische Einschätzung des Daseins insgesamt mag sich dahinter verbergen. Auch die menschliche Natur wird nicht davon ausgenommen. Der Knochen ist eine Waffe, und der Mensch gebraucht sein erstes Werkzeug zum Töten.
Doch letztendlich bleibt die geistige und ethische Überlegenheit des Monolithen (und seines Produktes, des homo cosmicus) verborgen. Der Ausweg aus der menschlichen Misere ist ambivalent, zu groß ist die Ungewißheit und die Unwissenheit bei den Menschen. Was hat der Monolith, die Wesenheiten, die sich dahinter oder in ihm verbergen, für Pläne mit den Menschen? So bleibt nur die Hoffnung und eine Ahnung, eine Vision. Und die wollten Kubrick und Clarke vermitteln.
© Michael Baumgartner
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