Filmkritik: »Doctor Strange in the Multiverse of Madness«

Offizieller Inhalt: Das Universum gerät spektakulär aus den Fugen: In »Doctor Strange in the Multiverse of Madness« sprengen die Marvel Studios die Grenzen des MCU und laden das Publikum auf eine atemberaubende Reise durch das Multiversum ein, die alles bisher Dagewesene auf den Kopf stellen wird. Doctor Strange, der mächtigste Magier des Kosmos, muss gemeinsam mit seinem Freund Wong und Wanda Maximoff, aka Scarlet Witch, einem mysteriösen neuen Widersacher entgegentreten, um das Ende aller Dimensionen zu verhindern. 

Diese Inhaltsangabe ist natürlich – wie auch die meisten Trailer zu diesem verrückten Film – eine Täuschung. Sie ist nicht unbedingt falsch (zumindest gilt das für die ersten 15 Minuten Laufzeit), aber auch nicht richtig. Überhaupt ist »Doctor Strange in the Multiverse of Madness« ein Film, der tief im MCU-Universum verwurzelt ist und über den Disney deshalb im Vorfeld am liebsten gar nichts verraten will. In der Einladung zur Pressevorführung, die heute, genau einen (!) Tag vor dem offiziellen Kinostart stattfand, liest man deshalb diesen Satz: Wir möchten Sie im Namen des Kinopublikums herzlich bitten, in Ihren Filmbesprechungen Spoiler zu vermeiden, d.h. keine wesentlichen Handlungsstränge, Cameos, Charakterentwicklungen oder das Ende des Films zu verraten. Okay, ich habe kein Problem mich daran zu halten. Spoiler lest ihr hier also keine, die müsst ihr euch woanders zusammensuchen.

Wer »Spider-Man: No Way home« oder auch die DisneyPlus-Serie »Loki« gesehen hat, weiß aber zumindest was mit dem Multiversum aus dem Filmtitel gemeint ist. Marvel hat hier vorsichtig das Tor zu parallelen (Film-)Universen geöffnet, in denen es z.B. Varianten von Spider-Man gibt (nämlich Tobey Maguire und Andrew Garfield), oder auch eine weibliche Loki (wunderbar gespielt von Sophia Di Martino). Solch ein Aufeinandertreffen kann amüsant werden, wie man bei den Spider-Mans gesehen hat. Wenn Doctor Strange und Sam Raimi im Spiel sind, kann man aber sicher sein, dass solch eine Reise durch das Multiversum verwirrend, verrückt, verstörend und auch ein wenig gruselig wird. Aber vor allem auch verflucht unterhaltsam! Wer »What if…?« gesehen hat, erahnt vielleicht auch schon, was hier auf einen zukommt.

Als Vorbereitung für den Film wäre es außerdem ganz hilfreich die DisneyPlus-Serie »Wandavision« gesehen zu haben. Habt ihr nicht? Hm, dann hier eine Kurzzusammenfassung – Wanda kommt über den Tod von Vision in »Avengers: Infinity War« nicht hinweg und übernimmt eine ganze amerikanische Kleinstadt um sich eine perfekte Phantasiewelt aufzubauen, in der sie und Vision gemeinsam eine Familie haben können. Soweit so gut. Am Ende der Serie muss Wanda einsehen, dass das nicht die perfekte Lösung für ihr Problem ist. Sie bleibt allein und ihre Kinder letztlich eine Illusion, ein Wunschtraum.

Elizabeth Olsen as Wanda Maximoff in Marvel Studios‘ DOCTOR STRANGE IN THE MULTIVERSE OF MADNESS. Photo courtesy of Marvel Studios. ©Marvel Studios 2022. All Rights Reserved.

Aber Wanda wäre nicht Wanda, wenn sie einfach aufgeben würde. Sie ist bereit alles, und wirklich alles zu tun, um die perfekte Mutter für ihre beiden Jungs zu sein. Auch wenn ihre Kindern in diesem Universum gar nicht existieren und überhaupt nie existiert haben. Aber wozu gibt es das Multiversum? Das einzige, was ihrem Mutterglück im Weg steht, ist Doctor Strange und die Tücken des Multiversums. Als Scarlet Witch ist sie bereit alles zu riskieren und Wong und Doctor Strange sind bereit alles zu tun, um die Zerstörung des Universums zu verhindern – und America Chavez (Xochitl Gomez) zu retten. Ihre Reise durch den Wahnsinn des Multiversums beginnt! Das wäre übrigens alles, was man über die Handlung verraten kann (und das alles passiert in den ersten paar Minuten).

Benedict Cumberbatch as Dr. Stephen Strange in Marvel Studios‘ DOCTOR STRANGE IN THE MULTIVERSE OF MADNESS. Photo courtesy of Marvel Studios. ©Marvel Studios 2022. All Rights Reserved.

Im Vorfeld war zu lesen, dass Sam Raimi bei diesem Film angeblich völlig freie Hand hatte. Vor dem Film habe ich das für das übliche Marketing-Geschwätz gehalten, wie es sonst auch immer sehr gerne in den üblichen Presseinformationen verbreitet wird. Aber jetzt kann ich sagen, ja, da ist wohl was wahres dran. Denn Raimi darf hier mit den Figuren (neuen und alten) so jonglieren, wie es ihm gerade passt und gefällt. Wer außerdem auch »Evil Dead« kennt, dem wird hier einiges bekannt vorkommen (selbstverständlich haben Bruce Campbell und Sam Raimis Oldsmobile Delta 88 hier ihre Gastauftritte, ein Buch spielt eine wichtige Rolle, usw.).

Mit einer Lauflänge von 2 Stunden und 10 Minuten ist der Film nicht gerade kurz, aber trotzdem fühlt sich manches etwas gedrängt an. Raimi hechelt an manchen Stellen durch die Handlung und dabei wäre es ab und an ganz gut etwas innezuhalten und den Figuren etwas mehr Tiefe zu gönnen. So verkommt z.B. America Chavez, ein Mädchen aus einem Paralleluniversum, zu einem Handlungsvehikel. Sie ist zwar ein wichtiges Element des Films, aber die Hauptrollen spielen hier einfach Wanda Maximoff und Doctor Strange, sonst niemand. Das ist kein Fehler, denn es fokussiert die Handlung und zeigt uns die beiden magischen Antagonisten.

Benedict Cumberbatch as Dr. Stephen Strange in Marvel Studios‘ DOCTOR STRANGE IN THE MULTIVERSE OF MADNESS. Photo courtesy of Marvel Studios. ©Marvel Studios 2022. All Rights Reserved.

Trotzdem finden sich natürlich auch die erwarteten Cameos, bei denen Disney so um Geheimhaltung bittet. Aber, dass die Illuminati eine Rolle in diesem Film spielen und Captain Carter einen Auftritt hat, konnte man schon den Trailern zum Film entnehmen. Aber es sind noch mehr, wenn auch nicht so viele, wie manche erwartet hatten. Ich würde hier mal sagen: Disney zeigt uns hier eindrucksvoll, dass im MCU-Multiversum auch mancher Fox-Superheld existiert. Und eine Besetzung, über die schon lange spekuliert wurde, wird hier endlich bestätigt.

»Doctor Strange in the Multiverse of Madness« ist ein Film mit viel Marvel-Fan-Service und einer rasanten Handlung, die ihre Spuren im MCU hinterlassen wird.

Übrigens, vor dem Film wurde der erste Teaser-Trailer zu »Avatar: The Way of Water« gezeigt. Hätte ich nicht gewusst, dass es sich hier um einem Kinofilm handelt, hätte ich gedacht, das wäre Werbung für ein besonders bonbon-buntes Computerspiel. Neugierig machte das nicht…

Noch was: Es gibt eine Vorabspann-Szene und eine Nach-Abspann-Szene. Für beide sollte man sitzen bleiben.

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»Doctor Strange in the Multiverse of Madness« (2022)
Regie: Sam Raimi
Cast: Benedict Cumberbatch, Chiwetel Ejiofor, Elizabeth Olsen, Benedict Wong, Xochitl Gomez, Michael Stühlbarg und Rachel McAdams
Deutscher Kinostart: 4. Mai 2022
im Verleih von Walt Disney Studios Motion Pictures Germany