Filmkritik: »Independence Day« (1996)

ID4 Poster
»David gegen außerirdische Goliaths« – erstaunt es irgendwen, daß sich im Blätterwald der präsentierten »Meinungen« zu »IQ 4« just diese Schlagzeile nicht finden ließ?! Immerhin würde sich dieses testamentarische Beispiel ja geradezu anbieten. Aber da die meisten Presseleute in die selbe PR-Show gingen, bzw. das gleiche Werbematerial erhielten, konnten sie nicht umhin den dort ausgebreiteten Sermon unbearbeitet weiterzuleiten. Und da kommt David vs. Goliath eben nicht vor (obschon das gesamte Projekt an keinen Klischee der westlichen Welt vorbeiging).

Liest man sich gesammelte Presseartikel zum deutschen Start dieser subatomaren Hirnkrücke an einem Stück durch, fällen die Satz- und Wortwiederholung auf als würde auf einen eingeprügelt. Da aber die Rechte bei der PR-Firma liegen, fällt es keinem der Zeitungsschreiber ein, anderen das abkupfern vorzuwerfen. Wo kämen wir hin, wenn sich jeder seine eigenen Gedanken zum Thema erlauben müßte.

Es herrscht also angeblich eine Alienhysterie (vornehmlich noch in den Staaten) und die »eindeutigen« Beweise dafür, daß sich eine solche auch in good old Germany ausbreiten wird, sehen die IQ 4-Paladine darin, daß sich Serien wie »X-Files« oder »Babylon 5« hierzulande einer großen Beliebtheit erfreuen.

Noch ein Quersatz und schon sieht sich der normale SF-Fan in der direkten Gesellschaft von UFO-Freaks und Eso-Gurus. Alle erwarten wir sehnsüchtig die befreiende Ankunft der Aliens und füllen uns zwischenzeitlich die grauen Zellen mit Begegnungsstories ab. Guter Gott, nur weil mir SF im speziellen zusagt und ich eine Vorliebe für gut produzierte Phantastik (z.B. die X-FILES) hege, muß ich nicht zwangsläufig an den aufgetischten Humbug a la »Außerirdische entführen uns, um unseren Körpergeruch zu eliminieren« glauben. Das gern zitierte »Trust No One – Deny Everything« läßt sich auch problemlos auf die Heilsgurus der UFO-Szene anwenden.

Angriff der Aliens

Schwenken wir langsam auf Roland Emmerichs neuestes Filmdesaster…
Es kann sein, daß es an den 800 Kopien lag, aber auf meinem Weg zur Kinokasse mußte ich nicht zwangsläufig über biwakierende Leute steigen. Zwar liegt mein Stammkino in der Provinz, doch beim letzten Megafurz aus Hollywood (»Commercial Park«) standen die Besucher immerhin in einer breiten Traube bis auf die Straße, um sich eine blödsinnige Dinostory anzutun. So hielt sich der Ansturm (immerhin einen Tag nach dem Bundesstart) in normalen Bereichen auf und ich durfte meinen Kaffee ruhig bis zum letzten Schluck genießen. Platzkämpfe würde es sicher nicht geben. Ja die Gruppen hatten sogar noch die Muse sich darüber zu streiten, ob der Film oben, unten oder vielleicht doch besser draußen auf der Straße angesehen werden soll. Zeit genug für noch einen Kaffee (die aufputschende Wirkung von Koffein ist bei Emmerich-Streifen seit jeher wichtig)!

»Der dümmste unter den außergewöhnlich dummen, großen Filmen in diesem Sommer«
The Wall Street Journal

Dem bleibt im Grunde nicht viel hinzuzufügen, es sei denn einige Gründe dafür zu nennen, warum Roland Emmerich vielleicht doch besser Ausstatter und nicht Regisseur geworden wäre.

Wummernd brodelt das gewaltige Mega-Mutterschiff der Aliens über den Mond hinweg und nimmt Kurs auf die schutzlose Erde. Unwillkürlich kommt einem der Gedanke diese so oft kopierte Szene mit dem Imperial March aus STAR WARS zu unterlegen. Der Effekt wäre immerhin beeindruckend und wir hätten damit schon den ersten SF-Film aus dem sich der ideenlose Regisseur für die kommenden 2 1/3 Stunden bedienen wird.

Das Nahen der Katastrophe ist den irdischen Überwachungssystemen natürlich nicht entgangen und die folgenden Szenen sollen dem Betrachter suggerieren, daß etwas geschieht. Bis auf heftiges telefonieren und wackligen TV-Bildern wird aber nicht viel geboten. Immerhin ist inzwischen der US-Präsident (Bill Pullman) informiert und er darf zum ersten mal nach halbschräg oben stieren und „Oh mein Gott!“ ausrufen. Die Aliens befinden sich zwischenzeitlich im Orbit und entsenden gigantische (35 km!) Schiffe aus, die sich auf den Weg zu den Metropolen dieser Welt machen (V -DIE AUßERIRDISCHEN läßt grüßen). In New York findet der toughe Kabelsenderspezialist David Levinson (Jeff Goldblum) eine heiße Spur, indem er den Kommunikationsstrahl der Außerirdischen nicht nur entdeckt, sondern auch gleich als Countdown für den Angriff deutet. Wie, um alles in der Welt, Levinson auf diesen Gedanken überhaupt kommt, scheint für Emmerich & Devlin gänzlich uninteressant (nur die Flachdramaturgie nicht verkomplizieren!). Auf jeden Fall genügt ihm das, um seinen alten Vater (Judd Hirsch) in dessen Auto zu packen und nach Washington DC zu fahren. Davids Ex-Frau Constance (Margeret Colin) ist dort Präsidentenberaterin und er würde sie ganz gern retten.

In L.A. macht sich zur selben Zeit Capt. Steve Hiller (Will Smith) auf den Weg zur Arbeit, um den Besuchern einzuheizen, falls sie ihren Schiffsmüll über dem Stadtzentrum ablassen wollten. Die übliche Paß-auf-dich-auf-Liebling-Szene mit seiner Freundin Vivivia (Jasmin Dubrow) und ab zur nächsten Figur.

Apropos: Fleißig abgeschrieben hat die einschlägige Presse, daß das hervorragende Darstellerensemble so wunderbar harmoniere und die dargebotenen Figuren ja so was von beeindruckend rüberkommen. Sorry, aber hat da jemand den selben I.Q.4 wie ich gesehen?! Außer einem ganzen Container höchst eindimensionaler Pappmache-Klischees bietet das Drehbuch (hüstel) nichts, was auch nur aus der Distanz an überzeugende Charakterzeichnung erinnert. Nun verlange ich von einem Actionstreifen keine kieslowskischen Filigranzeichnungen interessanter Personen, aber ein klein wenig sollte man mit den Figuren schon warm werden können. Emmerich bietet da ein volle Fehlanzeige, ist es ihm doch wichtiger, daß seine Helden auf den kleinsten Nenner hin funktionieren – schließlich soll es »jedem« gefallen können.

Independence Day

Zurück zu den verstandraubenden Ereignissen!
Rechtzeitig vor Beginn des großen Infernos gelingt es David Levinson den Präsidenten davon zu überzeugen, daß die Aliens Ernst machen. Alles flüchtet in die Airforce 1 (ein erbärmlich schlecht abgefilmtes Model übrigens) und mit blöckenden Triebwerken zieht die Maschine vor der anbrandenden Zerstörungswand des Aliengeschütz´ ab in die Sicherheit. Zeitgleich werden auch alle anderen Metropolen unter Vernichtungsfeuer genommen und das Massensterben beginnt.

Minuten später steht Steven Hiller über dem rauchenden Cockpit des feindlichen Jägers, spuckt coole Sprüche der Arktisklasse und donnert dem Alien eins gegen die Gesichtsplatte, daß der erst einmal wieder im Inneren verschwindet. Absolut sicher, daß er k.o. gegangen ist, setzt sich der tapfere Amerikaner dann auch mit dem Rücken zum Ausstieg und raucht seine Siegeszigarre.

Soll man das hochgefeierte Autorenduo fragen, ob sie bei dieser Szene auch nur zwei Nasebreit weit nachgedacht haben? Wie kann einer so blöd sein, zu glauben, daß sein Faustschlag ein völlig fremdes Wesen außer Gefecht setzt? Und selbst wenn; für wie lange dann? Logischerweise setzt man sich dann mit dem Rücken zum Gegner hin und raucht eine, nicht? All das wirkt oberflächlich so cool und mehr interessiert Roland Emmerich auch nicht.

Ein paar Filmtakte später trifft sich der ganze Haufen in der ach so streng geheimen Area 51, wo Brent Spiner seine, mit weitem Abstand, lausigste Rolle als bekloppter Dr. Okun abgibt. Es darf im weiteren auch nicht verwundern, daß er wenig später von dem gefangenen Alienpiloten zerlegt wird, weil bei seiner Untersuchung nicht einmal elementarste Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden.

Ich kürze das halbgare Zeugs, das sich hier Story nennt, jetzt einfach ab (die Dramaturgie ist eh unter aller Sau) und erwähne nur den Schwachsinn des Deus-ex-machina: Aus dem völligen Nichts heraus programmiert Allgenie David einen Virus, den er in das feindliche System einklinkt, so daß zur rechten Zeit plötzlich alles Schutzschilde der Alienschiffe deaktiviert werden. Auf welches Wissen über die fremde Technologie stützt er sich dabei? Wieso kann ein irdischer Programmvirus kompatibel mit einem absolut fremdartigen Großcomputer sein? Kaufen die Aliens bei Gates?

In den Staaten liegt dem Exilschwaben Roland Emmerich gerade die komplette Filmindustrie zu Füßen und er kann – Arnie-Like – eine dicke Havanna nach der anderen genehmigen. Er ist (z Zt.) der gemachte Mann (vielleicht heiratet er ja bald in eine Senatorfamilie ein) und entsprechend selbstsicher gibt er sich denn auch in einschlägigen Interviews.

So erfährt der interessierte Leser, daß Emmerich es nicht für nötig hält diverse Kritiken zu seinen Streifen zu goutieren. Zwischen den Zeilen wabert es dann eher sinngemäß, daß er sich über so etwas grenzenlos (?) erhaben fühlt. Er macht die Filme, die er gerne machen will – Punktum. Damit die zeusgleiche Einstellung aber etwas gebrochen wird (im Interview), erzählt Emmerich von »genügend Freunden«, die ihm gelegentlich »den Kopf waschen«, was seine Filme angeht. »Moon 44«, Universal Soldier, Stargate, ID 4 – wenn ich mir diese satte Reihe filmischer Rohrkrepierer ansehen, frage ich mich ernsthaft, ob Emmerich seinen Kumpels zuhört, oder ob die ihm nur sagen was er gerne hört. Gut rüber kommt auch seine Feststellung, daß er »gute Aliens« für ein Klischee hält – und diese Worte vom Großmeister des plattgefahrenen Klischees, dem Aufkocher altersschwacher Urplots…

Richtig Kingsize wurde Roland Emmerich vermutlich die stolzgeblähte Brust, wie er von raportierten Erfahrungen aus dem Internet sprach. Viel gelobe, nach dem Filmstart in den Staaten; und wenn sich dann einer meldet, der den einen oder anderen Fehler einbringt, wird er sofort von 20 anderen attackiert (ohne Argumente wie ich Angesicht von I.Q. 4 nur vermuten kann!). Dieser Mechanismus scheint ihn dann doch beeindruckt zu haben, oder irre ich fehl?!

Noch einen Abschlußsatz zum Billigstreifen!? »Independence Day« rangiert weit, weit oben an der Spitze der bedeutungslosen Streifen 1996.

INDEPENDENCE DAY
USA 1996
Regie: Roland Emmerich
Drehbuch: Dean Devlin & Roland Emmerich
Hauptdarsteller: Jeff Goldblum, Judd Hirsch, Margaret Colin, Mary McDonnell, Bill Pullman, Will Smith, Brent Spiner, Jasmin Dubrow, Robert Loggia, Randy Quaid u.a.
Länge: 143 Minuten.