Filmkritik: »X-Files – Fight the Future« (1998)

Vermutlich hat das SF-Fandom für mich, nach bald 13 Jahren, immer noch seinen Reiz, weil man sich über jedes (!) Thema angeregt unterhalten kann – gelegentlich sogar SF! Kein geschlossener Cyberkosmos also, in dem sich hoffnungslose Maniacs Ewigkeiten darüber streiten können, ob »Scully« nun helle oder dunkle Unterwäsche bevorzugt. Abgesehen von dem Aspekt welchen gesunden Menschenverstand das interessieren sollte, läßt diese Raserei, hinein in unwichtige Details, doch einige Rückschlüsse über die Psyche diverser Philes zu. Die X-FILES als quasi Erleuchtung einiger Realitätsentrücker zu bezeichnen ist daher nicht sonderlich neu.

X-Files
X-Files

Als intellektuell geradezu anspruchsvoll kann in diesem Zusammenhang ein Diskurs um den Titel der X-Files-Kinoversion gewertet werden. In dem Teil nach dem Trennstrich ist die Rede von »Fight The Future«. Ein schmählich Unding, wie sogleich gepoltert wurde, denn es könne doch nicht angehen, daß Scully & Mulder im Film die Zukunft der Menschheit bekämpfen würden. Der klassische Schnellschuß, denn mit einer kurzen Auszeit fürs Nachdenken läßt sich dieses »Fight The Future« im Sinne der Idee deuten: Die beiden FBI-Agenten bekämpfen die Zukunft, die die Verschwörung für die Menschheit vorgesehen hat – so einfach, direkt und unkompliziert!

Einige tausend Jahre nachdem zwei Jäger eine »dritte Begegnung« der Tödlichen Art mit einem Alien hatten, stürzt ein Junge in die Höhle und darf sich fortan die Karotten von unten betrachten. Ähnlich ergeht es vier Feuerwehrleuten, bis die Verschwörer auf diesen Vorgang (Infektion mit dem Alienblut) aufmerksam werden und einen Verschleierungstrupp schicken.
Kurze Zeit später werden Scully (Gillian Anderson) und Mulder (David Duchovny), deren »Abteilung« (X-Files) wieder einmal geschlossen wurde, zu einer Gebäudesicherung abgestellt. Zurecht, wie sich herausstellt, denn Mulder findet anstatt einer Brause 40 Liter Flüssigsprengstoff in einem Erfrischungsautomaten. Dem herbeieilenden Entschärfungsfachmann gelingt es augenscheinlich nicht die Bombe schlafen zu schicken. Fast die Hälfte des evakuierten Gebäudes fliegt in Stücke – und mit ihm mehrere Feuerwehrleute und ein Junge. Mulder & Scully sind ratlos, zumal sie sich erneut vor einem FBI-Untersuchungsausschuß verantworten müssen.

Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt des Geschehens beginnt man sich als wacher Zuschauer über ein, zwei Dinge Gedanken zu machen, die sich zu Ungereimtheiten bündeln. Was ist mit den Familien der infizierten Feuerwehrleute und des Jungen? Lassen die sich ohne weiteres ihre Angehörigen abtransportieren, ohne zu wissen was mit ihnen ist und wo sie hingebracht werden? Und dann tauchen die Leichen plötzlich in der Ruine eines gesprengten Bürogebäudes auf. Wie wird dieser Umstand der Öffentlichkeit erklärt? Offene Fragen, die sich normalerweise die Verschwörer nicht zu leisten pflegen. Man könnte auch vermuten, daß Chris Carter hier mit heißer Nadel gestrickt hat, um einige Effektknaller in den ersten zehn Minuten unterzubringen – wieso auch immer. Gut, das Gebäude wird in die Luft gejagt, um die Todesursache der entführten Leichen zu vertuschen; aber wozu dieser horrende Aufwand, wenn diese im nachhinein relativ unversehrt erscheinen?! Genauso hätten die Toten mit gefälschten Obduktionsberichten an die Angehörigen ausgehändigt werden können. Mit weniger Aufwand, öffentlichem Aufsehen und – gewiß – einer Detonation weniger.

In dieser Situation tritt ein gewisser Dr. Kurtzweil (Martin Landau) an Mulder heran und stößt ihn mit der Nase auf die Aktivitäten der Verschwörer. Nach einer Obduktion – die sich in gewohnt naßforscher Weise erschlichen wird – ist auch Scully von größeren Zusammenhängen überzeugt und bereit weitere Nachforschungen zu unternehmen.
Stundenlange Autofahrten und unspektakuläre Verfolgungsjagden (Hasch-mich im Maisfeld!) später wird Scully schlußendlich von einer »Alien«-Biene gestochen, infiziert und vom Zigarettenraucher gen Antarktis verschleppt. All diese Details erfährt der angeschlagene Mulder (erneut fand »seine« Kugel ihr Ziel nicht) überraschenderweise vom »manikürten Mann« (John Neville), einer Verschwörerfigur, die bisher immer weitestgehend im Hintergrund die Fäden zog. Als Mulder nachhakt, warum er einem Verschwörer trauen sollte, offenbart dieser ihm, daß die Aliens vermutlich die gesamte Menschheit auslöschen wollen – also auch ihre willigen Helfer. Da einige der Verschwörer nun diese Möglichkeit nie außer Acht ließen, entwickelte man insgeheim einen »Impfstoff« gegen die Eindringlinge, um einen letzten Trumpf in Händen zu halten. Der »manikürte Mann« gibt nun Mulder eine Dosis dieses »Impfstoffs«, zusammen mit den Koordinaten des »Lagers«, um Scully aus den Händen des Zigarettenrauchers« zu befreien. Zusammen sollen beide gegen die restlichen Verschwörer und die Alieninvasion weiterkämpfen.

Von einem restlos nüchternen Standpunkt aus betrachtet, hätte »Akte X – Der Film« auch mit der Entführung Scullys beginnen können. Denn im Grunde hält sich Chris Carter, in seinem Bestreben Neulinge für das Thema (die Serie!) zu interessieren, allzusehr mit bildlastigen Erklärungen auf. Erklärungen, die sich auch in trefflich geschriebenen Dialogen (einer der frühen Stärken der Serie!) hätten niederschlagen können. So hätte sich die Handlung auf spannende 90 Minuten verdichten lassen, anstatt der gedehnten zwei Stunden, die die Aufmerksamkeit immer wieder auf die Spartanik der Sitze lenkte (Multiplexstandard!).
Doch komme ich auf das Verhältnis zwischen Scully & Mulder zu sprechen. Hartnäckige Fans versuchen den beiden Figuren schon lange eine Liebesbeziehung »anzuhängen«. Gründe dafür (außer dem, daß es sich um Mann und Frau handelt) werden in der Serie (!) eigentlich nicht angeführt. Was beide FBI-Agenten inzwischen (Stand Anfang 5.Season!) miteinander verbindet (nach den anfänglichen, gegenseitigen Sticheleien, groben Nettigkeiten etc.) ist eine tiefe Freundschaft und Sorge umeinander, die nicht nur aus der »Arbeit« resultiert, oder aus dem Umstand, daß sie einander mehrfach das Leben gerettet haben; nein, sie fußt in dem, was beide übereinander erfahren haben, nur dadurch, daß sie sich einander öffneten (dies um so bemerkenswerter bei einem eher verschlossenen Fox Mulder und einer weitestgehend rational handelnden Scully!).
Dieses Spannungsverhältnis, das (neben der Spannung der Fälle versteht sich!) die ersten drei Seasons zu tragen wußte, ist inzwischen immer weiter einer Art Routine gewichen. In den Dialogen funkt es nicht mehr und so degenerieren die konträre Sichtweisen der Protagonisten immer mehr zu einem Abfackeln vorbereiteter Statments ohne wirkliche Anteilnahme. Wenn sich beide allerdings voneinander »entfernt« haben, dann erscheint es eher schwer nachvollziehbar, warum sie im Kinofilm urplötzlich eine neue Ebene der Beziehung (die Liebe) anpeilen. Es fehlt der emotionale Unterbau, der die Sehnsucht Mulders nach Scully (wie umgekehrt) nachvollziehbar macht.

Im Eis der Antarktis kommt es natürlich zum Wiedersehen der beiden Agenten und Scully kann am eigenen Leib erfahren, wie grundsätzlich das Serum gegen die Alien-Zellen in ihr wirkt. Alarmiert durch diese Verunreinigung, erwachen die in unzähligen anderen Menschen herangewachsenen Fremden zum Leben. Die Flucht gelingt in allerletzter Sekunde (wann auch sonst!) und Mulder kann einzig dem Mutterschiff der Aliens nachsehen. Nur ein kleiner Sieg, aber der nächste gesellt sich alsbald hinzu: Vize Walter Skinner (Mitch Pileggi) kann eine Untersuchungskommission davon überzeugen, die X-Akten wieder zu öffnen. Die 6.Season kann starten…

Wenn ich spontan daran zurückdenke, dann gibt es einen Mehrteiler, der es vielleicht eher verdient hätte Stoff für einen Kinofilm zu liefern: Die Episoden Nr. 40 & 41 »Colony« & »End Game« (beide übrigens unter der Regie von Rob Bowman entstanden!). Aber das ist lange passé und so liefert das X-Files-Team eine Kinoversion ab, die ein, zwei Geheimnisse lüftet, in den letzten 40 Minuten spannend genug ist (um die Kinokarte zu rechtfertigen) und ein zwei nostalgische Erinnerungen an die alten Fox Mulder, Dana Scully wachruft. Mehr brachte Chris Carter wohl nicht mehr aufs Tablett und so dürfte das Phänomen »X-Files« langsam, aber gedehnt seinem verdienten Ende zusteuern.
Scully und Mulder werden es überleben!

The X-Files – Fight The Future
USA, 1998, 120 Minuten
Regie: Rob Bowman; Buch: Chris Carter & Frank Spotniz
Darsteller: David Duchovny, Gillian Anderson, John Neville, Martin Landau, Mitch Pileggi, William B.Davis u.a.