Max und Moritz-Preis 2006: Auszeichnung für Jacques Tardi und Ralf König

Jacques Tardi wird in diesem Jahr im Rahmen des 12. Internationalen Comic-Salons Erlangen (15. bis 18. Juni 2006) mit dem wichtigsten Comic-Preis im deutschsprachigen Raum für sein herausragendes Lebenswerk ausgezeichnet. Jacques Tardi, dessen oft in schwarz-weiss gehaltene Erzählungen sich immer wieder mit dem Grauen des Krieges beschäftigen, gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der zeitgenössischen Comic-Kunst. Der »Spezialpreis der Jury« geht an den bekanntesten deutschen Comic-Zeichner, Ralf König, »für seine künstlerische Stellungnahme im Streit um die Mohammed-Karikaturen«. Seine Zeichnungen, mit denen er eindeutig Stellung für die Pressefreiheit bezog, wurden u. a. in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht. Tardi und König werden ihre Auszeichnungen am 17. Juni 2006 im Rahmen der Max und Moritz-Gala persönlich entgegennehmen.

Der deutsche Comic-Preis »Max und Moritz«, gestiftet von Bulls Press, Frankfurt, wird in diesem Jahr zum zwölften Mal von der Stadt Erlangen verliehen. Der Preis ist eine Auszeichnung, die Maßstäbe im Bereich Comic setzt und seit 20 Jahren wesentlich zur Anerkennung der Comic-Kunst im deutschsprachigen Raum beiträgt. Mit der Verleihung wird die Arbeit herausragender Künstler gewürdigt, verdienstvolle Verlagsarbeit bestärkt und auf junge Nachwuchstalente aufmerksam gemacht. Darüber hinaus soll mit der Vergabe des Preises die Auseinandersetzung über die qualitativen Kriterien zur Beurteilung grafischer Literatur intensiviert werden. Der Preis wird in sechs verschiedenen Kategorien anlässlich des 12. Internationalen Comic-Salons Erlangen im Erlanger Markgrafentheater übergeben.

Am 12. und 13. April 2006 tagte die Max und Moritz-Jury in Erlangen in folgender Besetzung: Bodo Birk (Leiter des Internationalen Comic-Salons Erlangen), Hendrik Dorgathen (Comic-Künstler und Professor für Illustration, Kassel) Andrea Fiala de Ayerbe (Frankfurter Buchmesse), Lutz Göllner (Journalist, Berlin), Harald Havas (Journalist, Wien), Herbert Heinzelmann (Journalist und Medienwissenschaftler, Nürnberg), Andreas Platthaus (Journalist, Frankfurter Allgemeine Zeitung), Denis Scheck (Kritiker, Deutschlandfunk, „Druckfrisch“ ARD) und Jan Taussig (Bulls Press, Frankfurt). Neben dem Sonderpreis für ein herausragendes Lebenswerk und dem Spezialpreis der Jury legten die Juroren die Nominierungen fest. Die Preisträger in diesen Kategorien werden erst während der Max und Moritz-Gala am 17. Juni 2006 bekannt gegeben.

Die Nominierungen

Bester deutschsprachiger Comic-Künstler

Flix – aktuell: Sag was, Carlsen
Nicolas Mahler – aktuell: Das Unbehagen, Edition Moderne
Volker Reiche – aktuell: Strizz, C.H. Beck

Bester Comicstripag
Doonesbury von Garry Trudeau, New York Times u. a.
Käpt’n Blaubär von Johann Kiefersauer, diverse deutsche Zeitungen
Rezession & Frohsinn von Gábor Zádor / Tillmann Prüfer, Financial Times Deutschld. / Egmont vgs

Bester deutschsprachiger Comic
Das Malträtieren unvollkommener Automaten von Katz & Goldt, Rowohlt
Schiller! von Horus, Egmont vgs
Das Unbehagen von Nicolas Mahler, Edition Moderne

Bester internationaler Comic
baobab von Igort, Avant-Verlag
Isaak der Pirat von Christophe Blain, Reprodukt
Die Unschuldigen von Gipi, Avant-Verlag

Bester Manga
Adolf von Osamu Tezuka, Carlsen
Barfuß durch Hiroshima von Keiji Nakazawa, Carlsen
20th Century Boys von Naoki Urasawa, Panini

Bester Comic für Kinder
Jónas Blondal von Jens F. Ehrenreich, Epsilon
Monster Allergy von F. Artibani / A. Barbucci u. a., Egmont vgs
Novotopia von Rod Espinosa, Eidalon

Bester Szenarist
Jean Giraud aktuell: Leutnant Blueberry, Egmont vgs
Max Goldt aktuell: Das Malträtieren unvollkommener Automaten, Rowohlt
Manu Larcenet aktuell: Der alltägliche Kampf, Reprodukt

Spezialpreis der Jury
Ralf König für seine künstlerische Stellungnahme im Streit um die Mohammed-Karikaturen

Sonderpreis für ein herausragendes Lebenswerk
Jacques Tardi aktuell: Die Macht des Volkes Edition Moderne


Preis für ein herausragendes Lebenswerk
Jacques Tardi

Biografie

© Casterman, A. Sagalyn.

Jacques Tardi
© Casterman, A. Sagalyn.

Jacques Tardi wurde am 30. August 1946 in Valence als Sohn eines französischen Soldaten geboren. Er begeisterte sich bereits in seiner Jugend für die Comics von Hergé und Edgar P. Jacobs und studierte nach der Schulzeit an der „Ecole des Beaux-Arts“ in Lyon. Später wechselte er nach Paris an die „Ecole des Arts Decoratifs“ und versuchte in dieser Zeit schon Comics zu veröffentlichen. Allerdings dauert es bis Anfang 1970 bis seine erste Geschichte in der Zeitschrift „Pilote“ abgedruckt wird. Den Text hatte der damals ebenfalls noch unbekannte Jean Giraud (Moebius) geschrieben. Seine erste albenlange Geschichte erschien zwei Jahre später – nach Tardis Militärdienst: „Aufruhr in der Rouergue“ („Rumeurs sur le Rouergue“). Für den Szenaristen Pierre Christin war es der Startband zu seiner Serie „Legenden der Gegenwart“, deren Folgebände dem Künstler Enki Bilal zu Berühmtheit
verhalfen.

Die erste Hälfte der 70er Jahre war geprägt von der Suche nach einem individuellen Stil. Das gegen Ende des 19. Jahrhunderts spielende Album „Der Dämon im Eis“ („Le Démon des glaces“, 1974) etwa gestaltete Tardi ganz nach Art der Illustrationen der damals populären Unterhaltungsliteratur. Nach einer Vielzahl weiterer, oftmals schwarzweiß angelegter Kurzgeschichten, erschien 1976 der erste Band der Serie „Adeles ungewöhnliche Abenteuer“ („Adèle Blanc-Sec“), mit der Tardi zu einem der bedeutendsten Vertreter der zeitgenössischen Comic-Kunst wurde. Große Beachtung fand auch der 1977 mit Jean-Claude Forest als Autor in dem Magazin („À Suivre“) begonnene umfangreiche Comic-Roman „Hier selbst“ („Ici Même“). Atmete „Adele“ noch die Atmosphäre des Geheimnisromans der Belle Époque, widmete sich Tardi 1977 mit „Griffu“ nach einem Szenario des Krimiautors Jean-Patrick Manchette erstmals auch dem modernen Kriminalroman und begann vier Jahre später mit der Umsetzung mehrerer Fälle des Privatdetektivs Nestor Burma von Léo Malet. Eine weitere Krimiadaption folgte 1992 mit Géo-Charles Vérans „Tödliche Spiele“ („Jeux pour mourir“), zusammen mit dem Autor Didier Daeninckx schuf er 1997 die Figur des Detektivs Eugène Varlot.

Eines der wichtigsten Themen im Werk Jacques Tardis findet sich erstmals in der zehnseitigen Episode „Für Volk und Vaterland“ aus dem Jahr 1974: Tardi stellt mit sparsamen, aber um so eindringlicheren Zeichnungen und Texten den Ersten Weltkrieg dar. Dabei lässt er keinen Raum für ein wie auch immer geartetes Heldentum, sondern schildert nur Elend und Verzweiflung. Seine Anti-Kriegs-Geschichten, die einen persönlichen Ursprung in dem Verhältnis zum Großvater haben, der den Krieg in den Schützengräben erlebte, gipfelten in dem 1993 erschienenen Buch „Der Grabenkrieg“, Tardis vielleicht wichtigstem Werk überhaupt.

Seitdem ich die Geschichten meines Großvaters gehört hatte, drängte es mich, von diesem Auftakt zum 20. Jahrhundert zu berichten. (…) Es gibt keine Helden und keine Hauptperson in dem beklagenswerten kollektiven Abenteuer genannt Krieg. Es gibt nur einen gigantischen kollektiven Aufschrei im Todeskampf. (…) Mein Interesse gilt dem einfachen Mann, gleich welcher Hautfarbe oder Staatsangehörigkeit, dem Menschen, über den man verfügt, dessen Leben nichts zählt in den Händen seiner Herren. Eine simple Feststellung, die noch heute gilt.“ (Jacques Tardi)

Am 17. Juni 2006 wird Jacques Tardi beim 12. Internationalen Comic-Salon Erlangen der Max und
Moritz-Preis für sein herausragendes Lebenswerk verliehen.

In deutscher Sprache sind derzeit folgende Titel von Jacques Tardi erhältlich:

Tardi / Vautrin: „Die Macht des Volkes“, Band 1-4, Edition Moderne
Tardi: „Grabenkrieg“, Edition Moderne
Tardi / Malet: „Nestor Burma – Wie steht mir Tod?“, Edition Moderne
Tardi / Daeninckx: „Soldat Varlot”, Edition Moderne
Tardi / Malet: „Nestor Burma – Blei in den Knochen“, Edition Moderne
Tardi / Pennac: „Abwärts“, Edition Moderne
Tardi / Veran: „Tödliche Spiele“, Band 1-4, Edition Moderne
Tardi: „Der Dämon im Eis“, Edition Moderne
Tardi: „Adeles ungewöhnliche Abenteuer“, Band 1-8, Edition Moderne
Tardi / Malet: „120, Rue de la Gare“, Edition Moderne
Tardi / Manchette: „Der Schnüffler“, Edition Moderne
Tardi / Legrand: „Der Kakerlakenkiller“, Edition Moderne

Spezialpreis der Jury
Ralf König

Biografie

Ralf König

Ralf König

Geboren 1960 in Soest/Westfalen. Mit über 6 Millionen verkauften Alben in 11 Sprachen ist Ralf König heute der international erfolgreichste und populärste deutsche Comic-Zeichner. Seine ersten Comics erschienen ab 1980 in vier Alben bei einem alternativen Kleinverlag für Schwulenliteratur in Berlin. Von 1981 bis 1986 besuchte König die Kunstakademie in Düsseldorf. Sein erster Comic-Roman, „Der bewegte Mann“, erschien 1987 bei Rowohlt, wurde zum Bestseller und 1994 von Sönke Wortmann verfilmt; mit 6,5 Millionen Besuchern wurde „Der bewegte Mann“ mit Til Schweiger, Katja Riemann und Joachim Król in den Hauptrollen zum bis dato erfolgreichsten deutschen Kinofilm aller Zeiten und löste in Deutschland einen Boom von Kinokomödien aus.

Weitere Comic-Romane wie „Kondom des Grauens“ (1987), „Lysistrata“ (1987), „Pretty Baby“ (1988), „Beach Boys“ (1989) und „Jago (1998) folgten. Mit seinen Büchern wurde Ralf König zum Chronisten des schwulen Alltags: in „Super Paradise“ (1999) etwa setzt er sich mit dem Thema Aids auseinander, in „Sie dürfen sich jetzt küssen“ (2003) mit der Homo-Ehe. Seine bevorzugten „Helden“ sind das ungleiche Paar Konrad und Paul, die regelmäßig auch in zweiseitigen Kurzgeschichten in der Zeitschrift „Männer aktuell“ auftreten. Es folgten drei weitere Kinoverfilmungen (zuletzt 2002 die spanische Produktion „Lysistrata“) und etliche Bühnenstücke (zuletzt 2006 „Lysistrata“ in Houston/Texas). 1992 wurde Ralf König mit dem Max und Moritz-Preis als bester deutschsprachiger Comic-Künstler ausgezeichnet, 2005 erhielt er in Angouleme den Prix Alph’Art für das beste Szenario für „Wie die Karnickel“ und in Lucca den Premio miglior storia lunga für „Bullenklöten“.

In seinem 350-seitigen Comic-Roman „Dschinn Dschinn“ (Rowohlt 2005/2006), beschäftigte sich Ralf König mit dem Phänomen des Islamismus – noch bevor der Streit um die Mohammed-Karikaturen die Öffentlichkeit erregte. Als Anfang Februar die Bilder von brennenden Botschaften die Nachrichten beherrschten, griff Ralf König wieder zum Stift und zeichnete eine Reihe von Karikaturen und Comic-Strips, mit denen er leidenschaftlich dafür plädiert, freiheitliche Grundwerte nicht unter dem Druck islamistischer Extremisten preiszugeben.

Wie soll man im Moment als Kulturschaffender noch an das Thema Islam herangehen, wenn alles auch anders gedeutet werden könnte? Ich frage mich, schreibe ich jetzt Reizwörter wie ‚Islam’, ‚Koran’ oder ‚Allah’ in die Sprechblasen? Kann ich mir das hier mitten in Europa erlauben oder nicht? (…) Ich finde nicht, dass man in der jetzigen Situation noch provozieren und Öl ins Feuer gießen sollte. Aber: Man muss als Folge der Empörung der islamischen Welt jetzt weniger über die Grenzen der Pressefreiheit nachdenken, sondern über die zu verteidigenden Werte unserer Demokratie.“ (Ralf König)

Am 17. Juni 2006 wird Ralf König beim 12. Internationalen Comic-Salon Erlangen im Rahmen der Max und Moritz-Gala der Spezialpreis der Jury „für seine künstlerische Stellungnahme im Streit um die Mohammed-Karikaturen“ verliehen.

Quelle: Comicsalon Erlangen