Deutsches Science Fiction Preis 2000 – die Gewinner!

Im Rahmen der ElsterCons in Leipzig wurden am Samstag, dem 7. Oktober 2000, die Gewinner des »Deutschen Science Fiction Preises 2000«, der vom Science Fiction Club Deutschland e.V. verliehen wird, bekanntgegeben. Zur Preisverleihung, die am Samstagvormittag stattfand, waren beide Gewinner anwesend und nahmen ihre Preise persönlich entgegen.



Bester Roman des Jahres 1999

Matthias Robold
HUNDERT TAGE AUF STARDAWN

Suhrkamp Verlag


Beste Kurzgeschichte des Jahres 1999

Michael Marrak
WIEDERGÄNGER

in: Alien Contact 34, Edition Avalon


Alle Plazierungen:

Roman

  1. »Hundert Tage auf Stardawn oder Der Status des Menschen“ von Matthias Robold, Suhrkamp st 3016
  2. »Mjöllnirs Erben« von Markus Gerwinksi, Verlag MG
  3. »Londons letzter Gast« von Emil Zopfi, Limmat Verlag
  4. »Mahlers Zeit« von Daniel Kehlmann, Suhrkamp
  5. »Canyons« von Ady Henry Kiss, Suhrkamp st 3069

Kurzgeschichte

  1. »Wiedergänger« von Michael Marrak, in: ALIEN CONTACT 34
  2. »Das große Rennen« von Frank W. Haubold, in: „Der Tag des silbernen Tieres“, EDFC e.V.
  3. »Der Lockentenschnitzer von Beteigeuze XIV« von Horst Pukallus, in: „Kontakte“, Blitz-Verlag 2118
  4. »Nimrod« von Michael K. Iwoleit, in: „Kontakte“, Blitz-Verlag 2118; in: c’t 23&24/99 (gekürzte Fassung)
  5. »Kaskade« von Jonas Ley, in: c’t 10/99
  6. »Das Kinsky-Syndrom« von Wolfram Kober, in: „Lichtjahr 7“, FKSFL e.V.
  7. »Tag eines Handlungsreisenden« von Bernd Kreimeier, in: c’t 8/99
  8. »Zur Hölle mit dem Maulwurf« von Uwe Hermann, in: „Die Abteilung für unvorhersehbare Vorhersehbarkeiten“, Verlag Institut Drachenhaus

Laudatio auf »Hundert Tage auf Stardawn« von Matthias Robold:

Hundert Tage auf Stardawn

Die Entwicklung des Hyperraumsprungs vor zweihundert Jahren hat der Menschheit den Weg in den Weltraum endgültig eröffnet. Voller Forscherdrang wurden neue Sonnensysteme besucht, unzählige fremde Planeten erkundet und manche auch besiedelt. Aber auch gigantische Weltraumstationen sind entstanden, die nicht nur als Raumhafen und Umschlagplatz für Waren und Informationen dienen, sondern langsam auch für viele zu einer neuen Heimat werden. Die Menschheit scheint bereit sich endgültig von der Heimat Erde zu lösen und den Weltraum zu erobern!

Mit der Ankunft des Seelentherapeuten Dr. Angelius Corros auf einer neuen Raumstation beginnen die schon im Titel des Romans erwähnten »100 Tage auf Stardawn«. Diese gerade erst von Overman Industries gebaute Station ist bereits für fast eine halbe Million Menschen zum Lebensraum geworden. Dr. Corros soll die Patienten der dortigen Abteilung für »Bewußtseinstransfer und Körperreplikation« betreuen. Diese neue Technik ermöglicht es das Bewußtsein eines Menschen in einen neuen, gesunden Körper zu transferieren, was verständlicherweise auch zu psychologischen Problemen führen kann. Als es bei der Körperreplikation des berühmten Wissenschaftlers Nantal zu unerwarteten technischen Problemen kommt, wird Angelius Corros eingeschaltet, um zu testen, ob es zu einer Beeinträchtigung des Bewußtseins kam. Auf den ersten Blick scheint mit Nantal alles in Ordnung… Doch was haben die Entdeckung einer zerstörten Rettungskapsel, die verbotenen Forschungen von Overman Industries und die Morde in der Krankenabteilung mit diesem Ereignis zu tun?

Mit seinem ersten Roman legt Matthias Robold ein komplexes Werk vor. Unter Verwendung traditioneller Muster, wie z.B. des reichen Industriellen, geheimer und illegaler Forschungen und mysteriöser Vorkommnisse, gelingt es ihm den Leser zu fesseln. Dabei verzichtet er fast vollständig auf Action und erzählt in ruhigem Stil eine immer spannender werdende Geschichte um politische und wirtschaftliche Verstrickungen, die an einen Thriller erinnert, aber dann doch immer wieder Pausen einlegt, um einen philosophischen Unterbau für die Handlung zu liefern. Seine Vorstellung, daß die Menschheit den Weltraum besiedelt und sich mangels Entdeckung anderer Lebensformen als Krone der Schöpfung sieht und dementsprechend auftritt, spiegelt sich auch im Untertitel des Romans wieder, der »Der Status des Menschen« lautet.

Mit überraschenden Wendungen gelingt es ihm den Leser noch zu verblüffen, obwohl dieser meint alles zu wissen und den Ausgang des Romans zu kennen. Bei aller Komplexität ist es ein Genuß zu sehen, daß der Autor die Übersicht behält und es ihm gelingt mehrere Handlungsstränge zum Ende hin gekonnt zusammenzuführen und nachvollziehbar zu machen. Nur langsam, Wort für Wort, entfaltet sich so schlußendlich ein interstellares Drama, das viele der Protagonisten mit in den Abgrund reißen wird…

Mit diesem Werk bewies Matthias Robold, daß die deutsche SF noch lange nicht am Ende steht und er somit zurecht den Deutschen Science Fiction Preis 2000 für seinen Roman „Hundert Tage auf Stardawn“ entgegennehmen kann. Das Komitee des Deutschen Science Fiction Preises wünscht dem Autor für die Zukunft alles Gute und hofft, daß er nicht aufhört an die SF zu glauben und sie bald mit weiteren Werken bereichert!

Manfred Orlowski & Dr. Florian Breitsameter – für das Preiskomitee, Oktober 2000

Laudatio auf »Wiedergänger« von Michael Marrak:

Michael Marrak ist nach Meinung des Preiskomitees derzeit einer der begabtesten deutschen Phantasten. So ist es wenig verwunderlich, daß im letzten Jahr bereits die titelgebende Erzählung aus seiner Sammlung »Die Stille nach dem Ton« mit dem »Deutschen Science Fiction Preis« ausgezeichnet wurde.

Auch in diesem Jahr hat eine Kurzgeschichte von ihm das Komitee besonders überzeugt. Doch der Inhalt von »Wiedergänger« ist schwer in Worte zu fassen. Probieren wir es trotzdem.

Was passiert, wenn man einen ehemaligen Soldaten des 21. Jahrhunderts plötzlich einer virtuellen Welt aussetzt? Natürlich gibt es Probleme. Denn eine Welt, die an Lewis Carrolls »Alice im Wunderland« erinnert, ist für ihn zumindest eine ziemlich ungewohnte Umgebung. Und mit diplomatischen Missionen ist er als Krieger auch nicht gerade sehr vertraut.

Das BRAS, zu dem er im Auftrag der Menschheit Kontakt aufnehmen soll, ist eine Art Seelenspeicher, eine Sphäre voll schöpferischer Persönlichkeiten und Koryphäen und damit in seiner virtuellen Erscheinungsform eine bunte Wunderwelt voller Märchengestalten und unbekannten Gefahren. Nun soll auch das militärische Wissen dieses Ideensilos genutzt werden, doch unser Held hat Probleme sich mit der Tatsache abzufinden, daß er hilflos der Willkür des BRAS‘ ausgeliefert ist.

Bei der »Wiedergänger« ist Michael Marrak mit einer gehörigen Portion Spaß und Fabulierlust ans Werk gegangen und herausgekommen ist eine Geschichte, die zwischen Phantastik und Science Fiction zu schweben scheint. Die Welt bleibt zu unverstanden, um rational genug für die SF zu sein und ist doch zu sehr auf bekannten Elementen aufgebaut um dem Gedanken der Phantastik zu entsprechen. Und so ist es eine Erzählung, die aus dem Augenblick heraus lebt. Während der Lektüre wird der Leser in eine geheimnisvolle Ideenwelt entführt, deren Grundlage und Prinzip er wie der Held auch nicht verstehen kann. Und doch landet er schlußendlich wieder sanft auf dem Boden der vermeintlichen Realität mit der Erinnerung an ein mysteriöses Abenteuer in einer Welt hinter dem Spiegel…

Es ist dem Preiskomitee des »Deutschen Science Fiction Preises 2000« deshalb eine besondere Freude, Michael Marrak bereits zum zweiten Mal in Folge für die beste Kurzgeschichte des vergangenen Jahres auszuzeichnen.

Dr. Florian Breitsameter – für das Preiskomitee, Oktober 2000

Quelle: DSFP-Komitee, Florian Breitsameter