John Barnes – Timeline Wars 1: Patton’s Spaceship

Patton's Spaceship

HarperPrism, Januar 1997
Originalausgabe
Titelillustration von Vicent Difate
325 Seiten, 5.99 $, ISBN 0-06-105659-6

Mit dem Roman »Patton’s Spaceship« begann John Barnes 1997 seine »Timeline Wars«-Trilogie, die er noch im selben Jahr mit »Washington’s Dirigble« fortsetzte und mit »Caesar’s Bicycle« zum Abschluß brachte. Obwohl bereits seit einigen Jahren bei Heyne (u.a. »Die Mutter aller Stürme«, »Eine Million offener Tore«) und Bastei-Lübbe (u.a. »Himmelsstürmer) viele seiner Romane veröffentlicht wurden, und nun auch in der Reihe Festa-SF (»Der Himmel so weit und schwarz«) ein Werk von ihm zu finden war, dürften die »Timeline Wars« wohl niemals in Deutschland veröffentlicht werden. Für Freunde actiongeladener Alternativweltromane ist dies allerdings durchaus ein schmerzhafter Verlust.

Die Qualität der Romane von John Barnes ist durchaus stark unterschiedlich. So kann man seinen einzigen Fantasyroman »One for the morning glory« (dt. »Der Wein der Götter«, Heyne 06/9085) ruhigen Gewissens als unlesbar bezeichnen und auch sein Jugendroman »The Duke of Uranium« ist ohne langes Zögern dieser Kategorie zuzurechnen.

Andererseits fällt es schwer die beiden Romane »Earth made of glass« und vor allem »The merchants of souls« nicht als Meilensteine der modernen SF anzusehen. In »Earth made of glass« spielt der ausgebildete Semiotiker und Lehrer für Rhetorik meisterhaft mit seinem Wissen über diese Fächer und schickt seine Hauptfigur Giraut Leones zwischen die Fronten zweier gegensätzlicher und hochkomplexer Völker, während Giraut in »The merchants of souls« u.a. mit seiner Vergangenheit und längst verdrängten Erinnerungen an seine Jugend konfrontiert wird. In diesen drei Bänden, denen John Barnes 2006 einen vierten unter dem Titel »Armies of Memory« zur Seite stellen wird, steht der Einfluß der Globalisierung auf isolierte Kulturen im Mittelpunkt. Und äußerst untypisch für einen Amerikaner, aber um so lesenswerter ist dabei das Ergebnis.

Dem Ruf des 1957 in Indiana (USA) geborenen Autors allerdings nicht unbedingt zuträglich waren die beiden Kooperationen mit dem Astronauten Buzz Aldrin. Eine Stilanalyse läßt vermuten, daß im Falle von »Begegnung mit Tiber« John Barnes ein fertiges Manuskript zur Überarbeitung vorgelegt bekam, und es nur noch notdürftig überarbeitete, denn zu untypisch erscheinen sowohl Charaktere, als auch der Handlungsaufbau.

Der junge Amerikaner Mark Strang hat eine kleine Personenschutzagentur und arbeitet als Leibwächter. Er ist stolz auf seine Arbeit, die für ihn mehr ist als nur ein Beruf, sondern auch eine Möglichkeit darstellt, den Schwachen zu helfen, aber auch dazu dient, seine angestauten Aggressionen abzubauen. Denn nur wenige Jahre früher stand er als frisch verheirateter Kunsthistoriker kurz vor seiner Promotion, als ein schrecklicher Anschlag auf seine Familie sein Leben für immer veränderte. Seine Frau und seine Mutter starben, weil sein Vater bei seinen Untersuchungen über politische Gruppierungen im Nahen Osten auf eine seltsame, scheinbar islamische Terroristengruppe gestoßen war.

Als ein neuer Kunde in sein Büro kommt und ihn um Schutz vor genau dieser Terroristengruppe bittet, überlegt er deshalb nicht lange. Doch seine Überraschung ist groß, als er schließlich erfährt, daß die vermeintlichen Terroristen in Wahrheit nur ein Voraustrupp für eine Invasionsmacht von einer alternativen Erde waren und diese von Truppen unterstützt wurden, die von einer Welt stammen, auf der die Nazis den Zweiten Weltkrieg gewannen…

John Barnes hatte scheinbar großen Spaß beim Abfassen dieses Romans (und seiner beiden Folgebände), der sich auch auf den Leser überträgt. Denn die mit Wortwitz erzählte Geschichte ist spannend und mitreißend, tragisch und actiongeladen. Und obwohl Barnes eine Geschichte über einen Krieg zwischen verschiedenen Alternativwelten schildert, lebt dieser Roman voll und ganz von seiner Hauptperson, die aus ihrem Herzen keine Löwengrube macht. Mark Strang wuchs zwar in einem aufgeklärten Umfeld auf, in dem Rassismus und Faschismus nicht geduldet wurden, aber das bedeutet nicht, daß er sich scheut hart und brutal zurückzuschlagen, wenn er gegen die »Bösen« kämpft, die seiner Familie schaden wollen. Und da unser Held kein tumber Soldat ohne Gefühle und Verstand ist, findet er auch Zeit darüber zu sinnieren, warum er fast ohne Zurückhaltung dazu bereit ist seine Feinde zu töten – und deren Tod auch noch zu genießen. Dies ist nebenbei bemerkt ein Punkt, der in den nächsten beiden Bänden bewußt wieder aufgegriffen und noch auf besondere Art und Weise eine Rolle spielen wird.

»Patton’s Spaceship« mag wie ein simples Action-Abenteuer wirken, und man kann es zweifelsohne durchaus auch als solches genießen, doch der Vorwurf, daß hier Selbstjustiz und Gewalt verherrlicht wird, geht weitgehend ins Leere, da John Barnes keinen tumben Military-SF-Roman vorlegte, sondern statt dessen eine spannende Alternativweltgeschichte erzählt, die bei genauerem Hinsehen mehr zu bieten hat, als nur spannende Unterhaltung.